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Die drei von VW: Der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh, Vorstandschef Matthias Müller und Stephan Weil, der für das Land Niedersachsen im Aufsichtsrat sitzt (v. l.).

© dpa

Update

Volkswagen sucht Personalchef: Wer wird der neue Peter Hartz?

Stellenbeschreibung für einen komplexen Job: Konzernerfahrung, robuste Natur, sauberes Image und auf jeden Fall Mitglied der IG Metall.

Referenten aus der Berliner Verwaltung können durchaus weit kommen. Horst Neumann zum Beispiel. Vor mehr als 40 Jahren begann seine Karriere als Referent des West-Berliner Wirtschaftssenators; am Freitag endete das Berufsleben Neumanns in Wolfsburg. Der Aufsichtsrat von VW verabschiedete den inzwischen 66-Jährigen in den Ruhestand.

Zehn Jahre war der Sozialwissenschaftler für das Personal eines der größten Konzerne der Welt zuständig gewesen. Es hat sich gelohnt: Allein im vergangenen Jahr bekam Neumann ein Gehalt von 6,48 Millionen Euro, und für seine Rente hat der Konzern 23,7 Millionen Euro zurückgelegt. Altersarmut ist also eher unwahrscheinlich, obwohl der Rentner einen Teil der Altersbezüge in eine Stiftung einbringen will.

Neumann, der viele Jahre für die IG Metall gearbeitet hat, war Personalchef der VW-Tochter Audi, als 2005 Peter Hartz wegen der Affäre um Sex und Luxusreisen auf Firmenkosten zurücktreten musste. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch beorderte Neumann in die Konzernzentrale – obwohl der damalige Vorstandsvorsitzende Bernd Pischetsrieder dagegen war. Im Aufsichtsrat gab es ein Abstimmungsverhältnis von 13:7 für Neumann. Unter anderen hatte Piëch mit den Arbeitnehmervertretern gestimmt; Pischetsrieder war erledigt und wurde ein gutes Jahr später von Martin Winterkorn ersetzt.

In Wolfsburg dreht sich viel um Macht und Geld und Einfluss. Und neuerdings auch ums Krisenmanagement, das mit dem Tempo des eskalierenden Abgas-Skandals kaum mitzuhalten vermag. So weitet sich der Skandal sich nach US-Angaben noch aus. Die Umweltbehörde EPA teilte am Freitag mit, VW habe eingeräumt, dass die Tricksereien 75.000 weitere Fahrzeuge beträfen. Konkret hätten Vertreter der Konzern-Marken VW und Audi bei dem Amt am Donnerstag erklärt, die Manipulationen erstreckten sich auf sämtliche Drei-Liter-Diesel-Motoren der Modelljahre 2009 bis 2016. Damit seien insgesamt 85.000 Fahrzeuge betroffen, so die EPA. Volkswagen reichte unterdessen in den USA einen Rückrufplan für rund 480.000 betroffene Fahrzeuge mit Zwei-Liter-Motoren ein.

Ohne den Skandal wäre spätestens mit dem Abgang Neumanns auch dessen Nachfolger oder Nachfolgerin vorgestellt worden. Wenn man ihn/sie denn hätte. Bernd Osterloh sollte den lukrativen Job machen. Der 59-Jährige hat sich eine überaus starke Position erarbeitet, seitdem er 2005 Klaus Volkert, der ebenso wie Hartz zurücktreten musste, an der Betriebsratsspitze ersetzte.

Osterloh war eng mit Winterkorn verbandelt

Osterloh ist seit 38 Jahren im Konzern. Er kennt sich aus, ist robust und meinungsstark und wird auf beiden Seiten geschätzt. Sein Nachteil: Osterloh ist auch ein Mann Winterkorns. Die beiden haben viele Jahre harmoniert und ein enges Verhältnis entwickelt. Wie eng das war, zeigte sich im September, als sich der Betriebsratschef lange gegen die Absetzung des Vorstandsvorsitzenden sträubte und vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Berthold Huber und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil überzeugt werden musste. Kann so ein Mann Vorstand werden? Und wie soll das funktionieren, wenn er gegen die Belegschaft Personalmaßnahmen durchsetzen muss? Gerade die Marke VW hat womöglich zu viele Leute an Bord.

1993 war die Republik entsetzt, als VW einen Verlust von zwei Milliarden D-Mark meldete. Piëch holte damals den Personalfachmann Peter Hartz aus der saarländischen Stahlindustrie nach Wolfsburg, wo er die Vier-Tage-Woche einführte und so den Abbau von 20 000 Arbeitsplätzen verhinderte. Was sind die zwei Milliarden D-Mark von damals gegen die 20 Milliarden Euro oder mehr, die der Abgas-Betrug womöglich kostet? Wer will da Personalchef werden?

Jetzt spricht alles für eine externe Lösung

Bernd Osterloh wird es nicht, weil sich, so ist im Aufsichtsrat zu hören, am Ende doch die größten Anteilseigner, die Familien Piëch und Porsche, gegen ihn ausgesprochen haben. Nun wird erneut gesucht, und das Stellenprofil ist überaus komplex: Der Personalvorstand muss Mitglied der IG Metall sein; Arbeitsrecht und Kenntnis der Mitbestimmungsmodalitäten sind selbstverständlich, ebenso die Erfahrung in einem global tätigen Konzern; Vorstand und Aufsichtsrat/Anteilseigner haben Vertrauen in den Neuen – und auch die Investoren, die das Krisenmanagement bei VW vor allem aus dem angelsächsischen Bereich kritisch beobachten, sollten das Signal eines Neuanfangs bekommen.

Der IG-Metall-Chef sucht den Neuen

Das spricht gegen eine interne Lösung, wie sie Neumann favorisiert hatte. Er selbst kam ja von einer Konzerntochter in die Wolfsburger Zentrale, und auch heute gibt es bei Audi, MAN oder den VW-Nutzfahrzeugen erfahrene Leute. Doch ein Mann von außerhalb, der nicht in Konzernnetzwerken steckt und deshalb auch keine Rücksichten nehmen muss, wurde zuletzt favorisiert. Dabei könnte es sogar von Vorteil sein, wenn der Neue nicht einmal aus der Autoindustrie stammt.

Als Headhunter fungiert Jörg Hofmann. Der neue IG-Metall-Vorsitzende ist für Huber in den VW-Aufsichtsrat eingezogen und spielt dort in den nächsten Jahren eine maßgebliche Rolle. Einen ersten Hinweis darauf, ob er das kann, gibt es in Kürze: wenn der neue Personalchef vorgestellt wird. (mit Reuters)

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