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Wirtschaft: Volkswirtschaft in Asien: Japans Arbeitnehmer entdecken ihren Marktwert

Trotz hoher Arbeitslosigkeit braucht sich Ken Yoshida um seinen Job keine Sorgen zu machen. Anfang des Jahres wechselte der 31-Jährige Japaner von der Personalabteilung des Handelskonzerns Mitsubishi zu Lawson, einem Betreiber von Nachbarschaftsmärkten, wo er als Computerexperte zum Projektleiter wurde.

Trotz hoher Arbeitslosigkeit braucht sich Ken Yoshida um seinen Job keine Sorgen zu machen. Anfang des Jahres wechselte der 31-Jährige Japaner von der Personalabteilung des Handelskonzerns Mitsubishi zu Lawson, einem Betreiber von Nachbarschaftsmärkten, wo er als Computerexperte zum Projektleiter wurde. Noch vor kurzem war ein freiwilliges Ausscheiden bei einem Großkonzern wie Mitsubishi nahezu undenkbar. Doch Yoshida weiß um seinen Marktwert: Was Japans Wirtschaft jetzt brauche, seien Spezialisten. Doch genau daran herrscht angesichts der rapiden Überalterung der Gesellschaft akuter Mangel. Experten warnen vor weit reichenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen.

Lange Zeit zählten das Prinzip der lebenslangen Anstellung und das auf Seniorität beruhende Entlohnungs- und Beförderungssystem zu Japans Erfolgsrezepten. Die Zugehörigkeit zu einem Großbetrieb war jungen Mitarbeitern wichtiger als die jeweilige Tätigkeit am Arbeitsplatz. Die meisten Japaner antworteten auf die Frage nach ihrem Beruf denn auch nicht, sie seien Schlosser oder Chemiker, sondern arbeiteten "bei Toyota" oder Mitsubishi. Die Ausbildung war auf die Firma zugeschnitten. Wer zu den wenigen gehörte, die eine angesehene Firma verließen, musste häufig anderswo bei Null anfangen.

Doch die Zeiten haben sich im Zuge der Krise dramatisch geändert. Für viele Arbeitslose, die ihr Leben lang bei einer Firma gearbeitet haben und kaum über Spezialkenntnisse verfügen, ist es heute schwieriger denn je, eine neue Stelle zu finden. "Von jetzt an kommt man mit dem Namen der Firma nicht mehr weiter", weiß Yoshida. Bislang zählten neun von zehn Japanern sich zum Mittelstand. Grund war das vergleichsweise niedrige Einkommensgefälle. Nachdem es in den 80er und selbst 90er Jahren unverändert geblieben sei, beginne es sich nun auszuweiten, sagt Jesper Koll, Chefökonom bei Merrill Lynch Japan.

Der Grund dafür sei der Mangel an Spezialisten, an "Super Salarymen" wie die Zeitschrift "Nikkei Business" die heiß begehrten Angestellten kürzlich nannte. Während sie Spitzeneinkommen erzielen, sinkt das der breiten Masse der Generalisten. Verschärft wird die Situation durch die Überalterung der Gesellschaft, die in Japan so schnell wie in keinem anderen Industriestaat verläuft. Besonders gravierend dabei ist die Prognose, dass auch die Erwerbsbevölkerung deutlich zurückgehen wird: von 87,2 Millionen im Jahre 1995 auf 57,1 Millionen im Jahre 2050 - mit erheblichen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Sozialversicherungssysteme. Hinzu kommt die fehlende Zuwanderung. Ausländer machen gerade gut ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Um jedoch die Erwerbsbevölkerung in ihrer jetzigen Größe zu erhalten, müsste Japan einer Studie der Vereinten Nationen zufolge bis 2050 rund 33,5 Millionen Einwanderer aufnehmen, das wären 609 000 pro Jahr.

Dringenden Handlungsbedarf sehen Ökonomen zudem in einer Reform des Erziehungssystems. Die angesehene Wirtschaftszeitung "Nihon Keizai Shimbun" startete kürzlich unter der Überschrift "Japan geht unter" eine Serie, in der eine Erneuerung des Bildungssystems gefordert wird, das mit den Veränderungen einer Industrie- zur leistungsorientierten Informationsgesellschaft nicht mehr mithalte. Der gute Name einer Universität sei keine Garantie mehr für ein stabiles Leben.

Lars Nicolaysen

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