zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Volle Fahrt voraus

Riesenschiffe sind gefragt wie nie. Davon profitieren die Werften – auch in Deutschland

Ulsan/Berlin - Aus der Luft betrachtet sieht Hyundai Heavy Industries aus wie eine gigantische Playmobil-Landschaft. Eine lang gestreckte Halle steht neben der anderen, dazwischen drängen sich die Schiffe. Doch erst wer sich mitten in das Gewusel, den ohrenbetäubenden Lärm und die Stahlkolosse begibt, begreift das ganze Ausmaß der größten Schiffswerft der Welt. In schier endlosen Lagerhallen finden Schiffe Platz, die mehr als 300 Meter lang und manchmal 60 Meter hoch sind. Die Dockkräne überragen alles, selbst die vielgeschossigen Wohnblöcke nahebei, in denen ein Großteil der rund 40 000 Mitarbeiter wohnt.

Gerade angemessen scheint die Werft jedoch wiederum für die Kolosse der Meere, die von der südkoreanischen Hafenstadt Ulsan aus in alle Welt ausgeliefert werden – allein 82 noch in diesem Jahr. Riesige Frachter und gewaltige Supertanker entstehen auf dem 3000 Hektar großen Gelände im Akkord. Manchmal dauert es nur acht Monate, eines der Riesencontainerschiffe herzustellen – allerdings müssen Reedereien lange vorab bestellen: Die Werft im Südosten Südkoreas ist auf die nächsten Jahre hinaus ausgebucht.

Die Schiffe entstehen in neun Trockendocks. Zum Vergleich: Die ostdeutsche Peene-Werft hat nur eines – und auch nur etwas mehr als 800 Mitarbeiter. Dass sich der Schwerindustrieriese Hyundai zum Weltmarktführer entwickeln konnte, verdankt er zu einem großen Teil den massiven Subventionen, mit denen die Regierung Südkorea in wenigen Jahren zur Schiffbaunation Nummer eins gepuscht hat. Bis zu den 80er Jahren hatten die Europäer noch an der Weltspitze gelegen, dann wurden sie von den Japanern abgelöst. Inzwischen haben die Südkoreaner einen Weltmarktanteil von knapp 40 Prozent. Die Deutschen kommen mit etwas mehr als zwei Prozent an vierter Stelle. Doch bald schon werden wohl auch die Koreaner ihre Führungsposition abgeben müssen: an die Chinesen, die sich zum Ziel gesetzt haben, auch in diesem Industriezweig an die Spitze zu stürmen – selbstverständlich ebenfalls mit enormen staatlichen Subventionen. Schon haben sie Platz zwei eingenommen und Japan hinter sich gelassen.

Die deutschen beziehungsweise europäischen Werften wissen, dass sie mit der asiatischen Konkurrenz gerade bei den großen Containerschiffen nicht mithalten können. So ist eine Art Zweiteilung entstanden: Die europäischen, meist mittelständischen Werften bauen vor allem technisch anspruchsvolle und somit wesentlich teurere Einzelstücke oder kleine Serien: Kreuzfahrtschiffe und Fähren, Spezial- und Marineschiffe, Luxusjachten sowie kleinere Frachtschiffe. Die Massenproduktion der Tank- und Super-Containerschiffe mit knapp 100 000 Tonnen findet in Asien statt.

Von den vollen Auftragsbüchern der Asiaten profitieren aber auch die deutschen Schiffsschmieden. Was in Asien nicht geschafft wird, fällt für hiesige Werften ab. Auch sie sind bis 2009, manche sogar noch ein, zwei Jahre länger ausgelastet. So hat die Peene-Werft in Wolgast nach Angaben der IG Metall Küste Neuaufträge für 13 Containerschiffe, das bedeutet Arbeit für die nächsten vier Jahre. Die Papenburger Meyerwerft ist mit Bestellungen für Kreuzfahrtschiffe und Gastanker die nächsten 46 Monate ausgelastet. Und auch die HDW-Gaarden GmbH mit Hauptsitz in Hamburg hat nach eigenen Angaben eine Perspektive für die nächsten zwei Jahre.

Alle profitieren von einem Auftragsboom, der seit 2003 anhält. 2005 wurde besonders viel bestellt, weltweit in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr gingen die Bestellungen in Deutschland etwas zurück. Das liegt aber vor allem daran, dass die Auftragsbücher so gut gefüllt sind – und sich damit die Wartezeit teilweise auf mehr als vier Jahre verlängert. Doch auch 2006 übertrafen die Bestellungen die laufende Produktion. Der aktuelle Auftragsbestand deutscher Werften beläuft sich nach Informationen des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) auf insgesamt 13 Milliarden Euro.

Nach Jahren des Abbaus wächst daher auch die Zahl der Beschäftigten wieder, vermeldet der VSM. Ende 2006 arbeiteten 23 500 Menschen direkt auf deutschen Werften, ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Drei Mal so viele Beschäftigte arbeiten bei Zulieferfirmen. Doch schon droht neues Ungemach: Denn die Branche leidet zunehmend unter einem Fachkräftemangel. Der Studiengang Schiffbau- und Meerestechnik wird bundesweit nur noch an sechs Fachhochschul- und Universitätsstandorten angeboten. Zudem liege die Erfolgsquote der Studenten bei gerade einmal 40 Prozent, sagt VSM-Geschäftsführer Ralf Sören Marquardt: „Die anderen brechen vorher ab.“ Dabei würden sie dringend gebraucht, denn auf deutschen Werften sind rund ein Viertel der Beschäftigten speziell ausgebildete Schiffbauingenieure. Die Nachfrage nach ihnen sei doppelt so hoch wie das Angebot, sagt Marquardt. In einem Pilotprojekt von Arbeitgebern und IG Metall wird nun seit März ein Beschäftigungspool aufgebaut. Darüber sollen Beschäftigte von einer Werft an die andere ausgeliehen werden. Die Idee: Die Auslastungsschwankungen der Werften sollen damit abgefedert werden. Der Test ist auf anderthalb Jahre angelegt. Diskutiert wird derzeit noch, ob die Mitarbeiter dabei auch zusätzlich qualifiziert werden, eventuell unterstützt durch EU-Mittel.

Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Durch die Globalisierung steigt der Bedarf an Seetransporten und Energie, angeheizt durch die Boomnation China. Der Konkurrenzkampf wird weiter zunehmen, die Preise weiter fallen. Das wissen auch die Deutschen. „Wir können nicht im Wettbewerb über Preise bestehen, sondern nur über innovative Technologie“, sagt VSM-Geschäftsführer Marquardt. Im Moment gebe es keine Probleme, die Bücher zu füllen. Doch wegen der höheren Kosten für Rohstoffe wachse fast nur der Umsatz. „Ein großer Teil des Gewinns wird durch die Preissteigerungen aufgefressen.“

Juliane Schäuble

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false