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Wirtschaft: „Vom Bergsteigen kann man Management lernen“

Der Herausgeber der „New York Times“, Arthur Sulzberger, über Reisen an die Antarktis, Unternehmensführung und Thomas Middelhoff

Herr Sulzberger, Sie sind vor wenigen Tagen aus der Antarktis zurückgekehrt, wo Sie ein Seminar für Unternehmensführung mitgemacht haben. Was hat Bergsteigen mit Management zu tun?

Am Berg wie im Büro muss man feste Wertmaßstäbe haben und sich danach richten. Noch wichtiger: Man muss sie richtig kommunizieren, um ein Team und eine große Organisation mit Erfolg führen zu können. Man lernt beim Bergsteigen viel über sich und über die Gruppe, mit der man zusammen ist. Man kann Führung nicht im Schulunterricht lernen. Und wenn sie gebraucht wird, dann ist es bereits zu spät, sie zu lernen. Was immer an schlimmen Dingen passieren kann – durch das Bergsteigen hat man bereits das Verständnis, die Fähigkeiten und hoffentlich das Team, um ihnen begegnen zu können

Sind Sie auch vor den Aufregungen der letzten Zeit – Skandal um erfundene Reportagen, Anzeigeneinbruch, Terroranschlag – geflüchtet?

2003 war ein sehr schwieriges Jahr für die „New York Times“. Uns ging es finanziell nicht gut. Dazu kamen die Probleme in unserer Redaktion. Fünf Tage nicht an die Arbeit denken zu müssen, den Kopf frei machen und einen neuen Sinn für das Mögliche zu bekommen, ist wie ein Geschenk. Ich habe fast alle Bücher über die Antarktis gelesen. Scott, Amudsen oder Shackelton – es war die Chance, das zu erleben woran ich mich intellektuell viele Jahre erfreut habe. Aber ich war ja, wie gesagt, nicht allein: Fünf Tage wanderte ich mit Wharton-Professor Michael Useem und einigen Studenten über die King George Insel. Uns begleiteten vier chilenische Bergsteiger und Antarktis-Experten.

Professor Useem leitet an der Elite-Universtität Wharton in Philadelphia einen der berühmtesten Lehrstühle in den USA für Unternehmensführung. Er ist bekannt für Seminare an ungewöhnlichen Orten wie in Hochlagen vom Mount Everest, oder in der Antarktis. Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?

Michael lud mich und meinen Sohn ein. Ich habe großen Respekt vor Michael. Sein Buch „Leadership Moment“ hat mich so beeindruckt, dass ich es in der „New York Times“ herumgereicht habe. Das Buch beschreibt Führungsprobleme und Entscheidungsfindungen. Es vergleicht Probleme von Bergsteigern mit denen von Unternehmen. Meine Kollegen und ich fanden die Beispiele passend.

Soll jeder Manager anfangen, Berge zu besteigen?

Natürlich nicht. Es gibt andere Wege, Führung zu lernen. Die physische Herausforderung ist wichtig, aber nicht entscheidend. Sich selbst zu kennen und zu wissen, wie man eine Gruppe zusammenbringt und zum Erfolg führt – darauf kommt es an. Dafür ist Bergsteigen eine gute Methapher, aber es gibt andere. Ich kenne viele großartige Top-Manager, die nicht gerne zelten gehen.

Welches Seminar haben Sie für die Studenten auf King George Island gehalten?

Am letzten Abend habe ich den Studenten ein Managementproblem der „New York Times“ präsentiert. Wir zelteten auf einer kleinen Halbinsel, auf der auch eine alte russischen Hütte stand. Es war ziemlich eng, die 25 Leute passten mit Müh und Not hinein. Dort behandelte ich den Fall des Unabombers. Der drohte 1995 mit dem Versenden von Briefbomben nicht eher aufzuhören, bis die „New York Times“ sein Traktat abdruckte. Ich ließ die Studenten entscheiden, was sie in der Situation gemacht hätten. Wir diskutierten ihre Ideen und danach sagte ich ihnen, was wir damals unternahmen und warum wir es taten. Das hat Spaß gemacht und war hoffentlich für alle interessant.

Würden Sie Ihre Reise in die Antarktis als einen Erfolg bezeichnen?

Niemand in der Gruppe hatte zuvor etwas Ähnliches unternommen. Eine sehr ungewöhnliche Erfahrung. Vielleicht wären Schneeschuhe eine gute Sache gewesen. Es gab keine Verletzungen. Jeder, der aus dem Flugzeug kletterte, kletterte auch wieder hinein. Wissen sie wie wir das nennen? Erfolg!

Welche Pläne haben Sie im laufenden Jahr mit der „New York Times“-Company?

Da gibt es einige Eisen, die wir im Feuer haben: Das Wachstum der „International Herald Tribune“ ankurbeln und die Auflage von derzeit 250 000 Stück anheben. Die „New York Times“ in den ganzen USA zu verbreiten. Unser TV-Geschäft ausweiten, beispielsweise die Kooperation „Discovery Times“ mit der Fernsehstation Discovery.

Wandelt sich die „New York Times“ in ein Fernseh-Unternehmen?

Es dreht sich alles um unsere Journalisten. Unser Newsroom ist das Herz von allem: „New York Times“, „International Herald Tribune“, NYT.com oder „Discovery Times“. Der Vertriebsweg ist nicht so wichtig. Entscheidend ist die journalistische Qualität. Egal ob Fernsehen, Digital oder Druck: Wir müssen in allen Bereichen mitspielen.

Sie wollen also Synergien schaffen?

Nicht so sehr Synergien. Das Fundament bilden die Journalisten der „New York Times“, sie sollen nur mehr Zuschauer, Internetnutzer und Leser erreichen.

Vor einigen Monaten beriefen Sie Thomas Middelhoff, den ehemaligen Vorstandschef von Bertelsmann, in den Aufsichtsrat. Warum haben Sie ihn als den ersten Deutschen der Geschichte in das „Board of Directors“ eines amerikanischen Medienkonzerns geholt?

Weil er ein nachdenklicher Geschäftsmann mit Führungsqualität ist. Ich habe ihn zuerst in New York getroffen, als Bertelsmann seine Konzernzentrale nur einen Häuserblock von mir entfernt eröffnete. Mir gefiel, was er bei Bertelsmann erreichte. Schon damals bewunderte ich seine kraftvolle Vision.

Was für einen Gewinn bringt er Ihnen?

Wir brauchen im Aufsichtsrat mehr Mitglieder, die das Internet so gut verstehen und den internationalen Markt so gut kennen wie Middelhoff. Vor allem Europa und Asien sind wichtig – die Kontinente also, in denen die „International Herald Tribune“ tätig ist.

Ist mit der Berufung Middelhoff zukünftig stärker internationale Ausrichtung der „New York Times“-Company verbunden?

Genau so ist es.

Wann gehen Sie mit Thomas Middelhoff klettern?

Ich lasse Thomas in seinem Privatleben in Ruhe. Man sollte nicht Geschäft mit Vergnügen mischen.

Würden Sie wieder in die Antarktis fahren?

Es war eine großartige Erfahrungen. Aber wenn man sie gemacht hat, dann hat man sie gemacht. Ich hasse Wintercamping.

Das Interview führte Thomas Jahn.

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