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Wirtschaft: Vom Ende der Sparschwein-Mentalität

Finanzminister Steinbrück stellt seinen Haushalt vor – mit anderen Vorsätzen als sein Vorgänger Eichel

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Um es vorweg zu sagen: Als Peer Steinbrück an diesem Dienstagmorgen um 10.54 Uhr das Rednerpult des Bundestages verließ, gab es so manchen in den Fraktionsbänken, der sich nicht erinnern konnte, in seiner Parlamentarierzeit einen solchen Auftakt zu den alljährlichen Haushaltsberatungen erlebt zu haben. 50 Minuten hatte der Finanzminister gebraucht, um den ersten Bundeshaushalt seiner Regierung einzubringen - und 46 davon saß Oppositionsführer Guido Westerwelle (FDP) stumm an seinem Platz. Ein breites gegenseitiges Grinsen ging schließlich durch die Reihen der Koalition, als sich Sozial- und Christdemokraten später beim gemeinsamen Beklatschen ihres Finanzministers zusahen. Das ist große Koalition: Ein SPD-Finanzminister bringt seinen ersten Bundeshaushalt ein, eine CDU-Bundeskanzlerin nickt ihm dabei wohlwollend zu.

Peer Steinbrück hatte dem hohen Haus freilich keine finanzpolitischen Neuigkeiten zu verkünden. Längst ist bekannt, dass die Regierung in diesem Jahr wieder mehr Geld ausgeben als einnehmen wird, beschlossen ist im Kabinett, dass beinahe doppelt so viele Schulden aufgenommen werden, wie es Bundesinvestitionen gibt. „Die Lage der öffentlichen Finanzen ist ernst“, nannte Steinbrück seine, die Sicht der Bundesregierung, auf die Realität. Mehr als 1,5 Billionen Euro hinterlasse der Staat den nächsten Generationen bereits jetzt an Schulden. Und aktuell seien allein beim Bund 50 von rund 260 Milliarden Euro nicht durch nachhaltige Einnahmen gedeckt. Sollte man daher nun umso verschärfter sparen?

Mitnichten, heißt die politische Botschaft des Peer Steinbrück, der an diesem Tag endgültig mit der Sparschwein-Mentalität seines Vorgängers Hans Eichel aufgeräumt hat. Wenn Rot-Grün eines lehre, sagte er, dann, „dass ein restriktiver Ausgabenkurs allein nicht ausreicht, um die Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen“. „Konsolidierung und gleichzeitig Wachstum ankurbeln“ – das soll das Steinbrücksche Erfolgsmodell sein. Eichels „Dreiklang“ folgt nun seine „doppelte Tonlage“. Weshalb der Finanzminister für sich in Anspruch nimmt, in jedem innenpolitischen Fachbereich, ob Bildung, Gesundheit, Arbeitsmarkt oder Rente, mitzureden. Denn nur dort, meint Steinbrück, könne Politik die Reformweichen für die Zukunft so stellen, dass mehr private Arbeit, weniger staatliche Alimentation und am Ende gesunde Staatsfinanzen herauskommen.

„Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat“, begründete Steinbrück diesen Kurs genauso wie die geplante Mehrwertsteuererhöhung 2007. Und ergänzte: „Aber keinen Staat, der den Menschen mehr wegnimmt als er zurückgibt.“ Weshalb er – mit einem Seitenblick auf die FDP – auch allzu marktradikale Kräfte aufforderte, übertriebene Kürzungsforderungen einzustellen. Die Ausgaben des Bundes – „fast drei Viertel sind für Soziales, Personal und Zinsen festgemauert“ - will Steinbrück neu strukturieren, auch kürzen. Aber nicht radikal, denn „abrupte Einschnitte und brachiale Politikwechsel gefährden die soziale Stabilität“. Er trat auf als ein Finanzminister, der sich bemühte, der großen Koalition seine „Wege in die Realität“ fernab schwarzer und roter Ideologien vorzustellen.

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