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Wirtschaft: Vom „Schutzwall“ zur Party-Deko

Volker Pawlowski verkauft Mauerteile – in Tüten zu 90 Cent oder neu besprüht von jungen Künstlern

Es ist gerade Hochsaison für Mauerteile – egal ob Bröckchen oder ganze, tonnenschwere Segmente. Volker Pawlowski ist daher nicht zu sprechen. Der ehemalige Bauarbeiter, der zum größten Anbieter der Berliner Mauer wurde, ist im Stress. In seiner Firma „Pawlowski Souvenirs & Postkarten“ müssen noch genug Mauerandenken produziert werden, um der großen Nachfrage in diesem Jubiläumssommer gerecht zu werden.

Dabei kann Pawlowski die anhaltende Faszination, die von der Mauer ausgeht, nicht wirklich nachvollziehen. Er selbst ist im Westen Berlins im Märkischen Viertel aufgewachsen. Die Mauer war für ihn immer präsent, interessiert hat sie ihn nie. Erst als sie fiel und er beobachtete, wie sich „Mauerspechte“ mit Hammer und Meißel an ihr zu schaffen machten und fliegende Händler Stücke der „Berlin Wall“ gewinnbringend an Touristen verkauften, kam ihm die zündende Idee. Pawlowski stieg ins Mauergeschäft ein – und ist heute nach eigenen Angaben der wichtigste Anbieter und Lieferant für Mauerstücke. Rund 90 Prozent aller in Berlin verkauften Teile stammen aus seinem Betrieb.

Besonders stolz ist er auf die Version „Mauer als Postkarte“, die er sich unter dem Namen „Clipcard“ patentieren ließ. In einer kleinen Plastikdose ist ein buntes Stückchen Mauer in die Karte eingelassen. Beliebte Bildmotive dazu sind das Brandenburger Tor und natürlich Fotos der Mauer selbst, vor allem von der Kunst auf der Westseite.

Doch Pawlowski hat neben kleinen Bruchstücken, die er zum Teil schon für 90 Cent pro Tüte verkauft, auch ganze Segmente im Angebot. Die 3,60 Meter hohen, 1,20 Meter breiten und fast drei Tonnen schweren L-förmigen Stützwandelemente des Typs UL 12.41 lässt er von jungen Künstlern besprühen und vermietet sie für Partys oder Filmproduktionen. Und er verkauft sie natürlich auch; Preise gibt es auf Anfrage.

Die Neugestaltung sei nötig, weil die Mauer an vielen Stellen immer wieder besprüht und bemalt worden sei und die alte Farbe abblättere. So ein unansehnliches Stück möchte seiner Meinung nach heute keiner haben. Auch wenn die Kunst also nicht „original“ ist: Der Beton ist es und das allein zählt, findet der Mauerhändler und liefert zu seinen Stücken ein Echtheitszertifikat dazu. Schließlich habe er einen Ruf zu verlieren, sagte Pawlowski einst in einem Interview.

Seine Mauerteile hat er nach der Wende von Recyclinghöfen im Berliner Umland bekommen. Er sei einfach hingefahren und habe gefragt, ob er die Segmente kaufen könne. Damals habe sich keiner für sie interessiert, und so konnte er eine ganze Menge davon erwerben – genug, um den Bedarf der nächsten 100 Jahre zu decken. Was er damals nicht gleich an Ort und Stelle mit einem Presslufthammer für den Verkauf zerkleinert hat, lagert heute auf einem Grundstück in Bernau und wird mal klein gehauen, mal im Ganzen verkauft.

Pawlowski ist nicht der Einzige, der Mauerteile für den Verkauf eingelagert hat. 1990 erwarb eine LPG im vorpommerschen Breesen 600 der insgesamt 45 000 Winkelstützelemente von den DDR-Grenztruppen als günstiges Baumaterial. Sie sollten zu Silos verbaut werden – wofür die UL 12.41 übrigens einst entwickelt, dann aber zum Mauerbau zweckentfremdet wurden. Nach einigen Jahren erkannten die Landwirte, dass der alte DDR-Beton als Souvenir der Teilung mehr wert war als in ihren Silos. Über die Deutsche Grundstücksauktionen AG boten sie rund hundert Mauerteile zum Verkauf an. Allein die Versteigerung der ersten vier Elemente brachte der ehemaligen Produktionsgenossenschaft nach Angaben des Auktionshauses 7800 Euro ein. Im Laufe von 13 Jahren habe sie so die Ausgaben für die Mauerstücke mehr als ausgeglichen.

Bis heute lagern auf ihrem Grundstück in Breesen Teile des einstigen antifaschistischen Schutzwalls. Einige, die 20 Jahre lang verkehrt herum in einem Futtersilo lagen, sind jetzt für den Verkauf herausgeputzt wurden. Die Nachfrage bleibt allerdings aus. „Der Markt ist gesättigt“, sagt Hans-Peter Plettner, langjähriger Vorstand der Deutschen Grundstücksauktionen AG. Wurden kurz nach der Wende Mauersegmente für bis zu 12 000 Euro nach Italien, Frankreich, in die USA oder an den Vatikan verkauft (siehe Kasten), seien solche Preise längst nicht mehr zu erzielen. Auf der jüngsten Mauerauktion im Mai waren in Berlin zwei Segmente im Angebot; nur eines fand zum Mindestpreis von 2000 Euro einen Käufer. Für Volker Pawlowski ist der Mauer-Boom dagegen noch lange nicht vorbei. Insbesondere Anfragen aus Übersee ließen auch heute kaum nach. (mit dpa)

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