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Unter Kontrolle. Die Firma B. Braun stellt in Berlin sterile Injektionslösungen her. Foto: ecopix

© ecopix Fotoagentur

Wirtschaft: Von Ampullen und Molekülen

Die Berliner Pharmabranche wächst. Auch kleinere Firmen erweitern ihre Produktion

Berlin - Kleine Ampullen aus Plastik mit durchsichtiger Flüssigkeit laufen auf dem Förderband vorbei, dann greift ein Roboterarm zu und steckt ein paar Ampullen in eine Pappschachtel. Ein zweiter Roboter legt den Beipackzettel dazu und schließt die Box. Das alles in wenigen Sekunden, schneller als ein Mensch es könnte. Auch das Etikett klebt die Maschine auf und umhüllt die Box mit Plastikfolie. Am Ende des Bands steht doch ein Mensch, er packt die vielen kleinen Boxen mit den Ampullen in eine große. Eine Million Plastikampullen pro Tag werden bei der Firma B. Braun Melsungen im Berliner Stadtteil Rudow hergestellt, mit sterilen Injektionslösungen befüllt und verpackt. In den Gefäßen stecken Kochsalzlösungen, Narkosemittel, Elektrolyte oder Antibiotika, die an Krankenhäuser oder Ärzte verkauft werden.

Seit 1978 ist das Unternehmen mit Hauptsitz in Melsungen bei Kassel in Berlin ansässig, seit 1980 sitzt B. Braun in Rudow. Das weltweit tätige Unternehmen mit 40 000 Mitarbeitern stattet Krankenhäuser aus – vom Pflaster und Tropf über Desinfektionsmittel und Skalpell bis hin zum Dialysegerät. In der Hauptstadt arbeiten für B. Braun 340 Mitarbeiter, davon 20 Auszubildende. Zudem betreut das Unternehmen Masterarbeiten und kooperiert mit dem Institut für Pharmakologie der Freien Universität Berlin.

Der Familienbetrieb ist eines von 23 Pharmaunternehmen in Berlin. Diese beschäftigen rund 9500 Menschen und erwirtschafteten im vergangenen Jahr rund zehn Prozent des Umsatzes im verarbeitenden Gewerbe. Und die Branche ist noch bedeutender für Berlin, als diese Zahlen vermuten lassen. Denn die großen Pharmakonzerne Pfizer und Sanofi-Aventis tauchen in der Statistik nicht auf, weil sie in Berlin nicht produzieren. Arbeitsplätze schaffen sie trotzdem.

So verlegte Pfizer vor zwei Jahren seine Zentrale und einen Teil der Medikamentenentwicklung mit mehr als 500 Mitarbeitern an den Potsdamer Platz, zum 1. Juli kommen durch das kürzlich von Pfizer übernommene US-Pharmaunternehmen Wyeth mit Sitz in Münster noch 200 Mitarbeiter dazu. Auch der französische Konzern Sanofi-Aventis hat seine Marketing- und Vertriebszentrale am Potsdamer Platz und beschäftigt dort 400 Mitarbeiter.

„Wir haben die gesamte Wertschöpfungskette in der Stadt“, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) bei einem Rundgang durch die Produktionsräume von B. Braun Melsungen. Trotz Finanzkrise sei die Pharmaindustrie in Berlin in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. 2009 lag ihr Umsatz bei 5,5 Milliarden Euro und damit rund sechs Prozent höher als im Vorjahr. Die Beschäftigtenzahlen gingen jedoch leicht zurück.

Die Stadt schmückt sich mit ihrem „Cluster Gesundheitswirtschaft“, fördert die Ansiedlung von Unternehmen, die Zusammenarbeit zwischen den Firmen und mit der Wissenschaft und hilft beim Zugang zu Fördermitteln. Berlin-Partner, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Hauptstadt, konnte 2009 13 Pharma- und Biotecunternehmen ansiedeln. Die kleineren Firmen und Start-ups sitzen in den zahlreichen Wissenschafts-und Technologieparks der Stadt, in Adlershof und Buch, in der Wuhlheide oder in Charlottenburg.

So auch das kleine Unternehmen Noxxon, das 1997 im Biotechnologiepark Charlottenburg von Wissenschaftlern der Freien Universität gegründet wurde. Sie hatten in ihrer Doktorarbeit zu sogenannten Spiegelmeren geforscht. Über diese Moleküle versuchen die Wissenschaftler bei Noxxon heute in einem speziellen Verfahren Substanzen gegen schwer therapierbare Krankheiten wie Krebs oder Folgeerkrankungen von Diabetes zu entwickeln. Mit 69 Mitarbeitern wird in den hochtechnischen Laboren geforscht, zwei Substanzen werden bereits am Menschen erprobt.

B. Braun Melsungen und Noxxon wollen ihr Geschäft in Berlin weiter ausbauen. B. Braun investiert 25 Millionen Euro in den Berliner Standort. Bis Ende 2011 werden zusätzliche Abfüll- und Verpackungsanlagen gebaut und 24 neue Arbeitsplätze entstehen. Noxxon bekam im Mai 2010 von seinen Investoren eine Finanzspritze von rund 33 Millionen Euro. „Nun reicht unsere Finanzierung bis 2012“, sagt der Gründer des Unternehmens, Sven Klussmann. Dann hofft man auf neues Risikokapital, denn bis zur Marktreife der Wirkstoffe können noch Jahre vergehen.

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