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Wirtschaft: Von Bayern in den Bible Belt

In South Carolina gelang BMW der Durchbruch auf dem US-Markt – jetzt plant Vorstandschef Panke die zweite Stufe der Internationalisierung

Von Alfons Fres e, Spartanburg

Jim Morris ist stolz. Einen ganz großen Deal hat der Wirtschaftsförderer von South Carolina eingefädelt, und jetzt, zehn Jahre später, feiert er den Geburtstag einer der größten Industrieanlagen weit und breit. Auch Helmut Panke ist zum Feiern gekommen. Panke war vor zehn Jahren bei BMW für Nordamerika zuständig, er hat damals mit Morris das Geschäft gemacht und nicht schlecht davon profitiert. Panke ist heute Vorstandsvorsitzender der BMW Group, die den Geburtstag ihrer Fabrik in Spartanburg unter den Slogan „Performance, Passion and Pride“ stellt.

Und mit dem Selbstbewusstsein, ein unerwartet erfolgreiches US-Investment getätigt zu haben, proklamiert der BMW-Chef seine Vision: „Ich stehe für die zweite Stufe der Internationalisierung.“ Der weltweite Absatz von BMW und Mini soll bis 2008 um 40 Prozent auf 1,4 Millionen Einheiten steigen. „Das Unternehmen wird neu definiert“, beschreibt Panke die Folgen der Expansion.

Die erste Stufe der Internationalisierung der Bayerischen Motorenwerke trägt den Namen Spartanburg. Bis Anfang der 90er Jahre waren die BMW-Aktivitäten überschaubar: In Bayern wurden Autos gebaut, in Berlin Motorräder. Großes Wachstum war mit dieser Struktur in der beginnenden Globalisierung nicht drin. Unter dem Motto „Die Produktion folgt dem Markt“ wurde also ein Standort in den USA erwogen. Nicht ohne Risiko, denn der Markt war schwach: Hatte BMW 1986 rund 100000 Pkw an die Amerikaner verkauft, so waren es 1991 nur noch 53000. Amerika steckte in der Rezession, und VW hatte gerade sein Werk in Pennsylvania dicht gemacht.

150000 Autos im Jahr

BMW ging den anderen Weg. Vor zehn Jahren wurde der Grundstein im Südosten der USA gelegt, rund zwei Milliarden Dollar sind inzwischen auf dem gut 400 Hektar großen Gelände investiert, 4400 Mitarbeiter bauen knapp 150000 Autos im Jahr. Und BMW verkauft in diesem Jahr rund 250000 Fahrzeuge in den USA – fast fünf Mal so viel wie vor elf Jahren. „Mit Spartanburg hat sich die BMW Group unumkehrbar für einen größeren Footprint auf den internationalen Automobilmärkten entschieden“, sagt Panke.

Aber warum South Carolina? Das Werk liegt an einer Autobahn und neben einem Flughafen. Der Seehafen Charleston ist nicht weit – wichtig für BMW, denn Motoren, Getriebe und Achsen für den Geländewagen X5 und die Roadster Z3 und Z4 stammen aus Europa. „Menschen plus Infrastruktur“ haben Panke zufolge den Ausschlag gegeben für den Standort. Über die Menschen hat sich Panke mit dem damaligen BMW-Produktionsvorstand Bernd Pischetsrieder selbst ein Bild gemacht. Die Manager inspizierten die Wohngebiete, um zu sehen, wie die potenziellen BMW-Schrauber leben. Und dass es im so genannten Bible Belt im Süden der USA sauber und aufgeräumt ist, hat die Entscheidung erleichtert. Und natürlich ging es um Geld: Insgesamt mehr als 150 Millionen Dollar staatlicher Hilfen haben die Standortwahl beschleunigt. Dazu gehörten Steuernachlässe, Freibeträge für Jobtraining und Infrastruktur. Die Ausbildung der Mitarbeiter, die zum überwiegenden Teil mit industrieller Fertigung keine Erfahrung hatten, übernahm zum Großteil der Staat.

Schließlich sind die Personalkosten berechenbar. Wirtschaftsförderer Morris wirbt für South Carolina mit dem Hinweis auf „geringe Gewerkschaftsaktivität“ und das dünne Arbeitsrecht. Das BMW-Werk ist eine gewerkschaftsfreie Zone. „Wenn die Mitarbeiter zufrieden sind, brauchen sie keine Gewerkschaft“, sagt Panke. BMW zahlt einen Einheitslohn von 16 Dollar die Stunde, nach zwei Jahren gibt es 22 Dollar. Hinzu kommt ein Company-Bonus von zwei Dollar, wenn das Geschäft gut läuft. Zuzüglich ein paar Dollar für Gesundheits- und Krankenvorsorge sowie Unfallversicherung kostet ein BMW-Mitarbeiter in South Carolina etwa 30 Dollar die Stunde. Schließlich arbeitet der Amerikaner deutlich länger als der Kollege in München: Die Jahresarbeitszeit in South Carolina liegt bei 1840 Stunden, in Deutschland sind es 1530. Das hängt zusammen mit der um fünf Stunden längeren Wochenarbeitszeit und dem kürzeren Urlaub: Amerikaner machen nur zehn Tage im Jahr Ferien.

Vom Baumwoll- zum Autostaat

Der frühere Baumwollstaat South Carolina lebte Jahrzehnte lang von der Textilindustrie, die sich Ende des 19. Jahrhunderts dort angesiedelt hatte. Doch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ging es bergab, die Zeit des Bekleidungssektors war zu Ende, die Ära des Fahrzeugbaus half dem Staat aus der Krise. In einer Studie über die Auswirkungen des BMW-Investments schreibt die University of South Carolina, „das BMW-Werk gilt als die bedeutungsvollste Investition, die jemals in South Carolina getätigt wurde“. Alles in allem habe BMW rund 16700 Jobs geschaffen. Jeder Arbeitsplatz im BMW-Werk bringt also fast drei zusätzliche Arbeitsplätze in anderen Bereichen der Wirtschaft, vor allem, weil inzwischen 130 Zulieferer angesiedelt sind und South Carolina zu einem Zentrum der Autoindustrie gemacht haben.

Das erleichtert auch BMW die Arbeit. Im Werk werden immer weniger deutsche Entwicklungshelfer gebraucht: 1995, als die Produktion des Roadster Z3 begann, mussten 400 Autobauer aus Deutschland helfen, damit in Spartanburg alles reibungslos lief. Vier Jahre später, bei der Montage des Geländewagen X5, halfen 200 Deutsche. Und nun, beim Produktionsanlauf des neuen Roadster Z4, sind es nur 100. Anfänglich taten sich die Amerikaner schwer, die ersten Roadster wurden Mitte der 90er Jahre nach Bremerhaven verschifft und von dort ins Regensburger Werk zur Nachbesserung gebracht. Häufigster Mangel: Das Dach war nicht dicht.

Aus den Anfangsschwierigkeiten haben die BMW-Strategen Lehren gezogen. Das neue Werk in Leipzig wird ab 2005 mit dem 3er-BMW ein Auto produzieren, mit dem es reichlich Produktionserfahrung gibt. Und die Werke in Bayern sind in der Nähe, um Hilfestellung zu leisten. Denn Leipzig spielt eine wichtige Rolle für die forcierte Expansionsstrategie des Münchener Konzerns, die vor zehn Jahren in Spartanburg begann.

Alfons Fres

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