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Wirtschaft: Von der Kuh zum Schuh

Das Geschäft mit Outdoor-Produkten wächst. Die Branche folgt dem Nachhaltigkeitswunsch der Kunden.

Friedrichshafen - Seit über 300 Jahren stellt Meindl Schuhe her. Altbacken ist das Familienunternehmen aus dem bayerischen Kirchanschöring deshalb keineswegs. Meindl greift einen Trend auf, der auch in der Outdoor-Branche immer wichtiger wird: Transparenz und Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette. „Schon seit Jahren fragen immer wieder Kunden nach, wo denn das Leder für die Schuhe herkomme“, berichtet Christian Baumgärtner von Meindl. „Nach dreijähriger Vorlaufzeit haben wir nun vier Bergschuhmodelle entwickelt, deren Leder sich bis auf die Almwiese zurückverfolgen lässt, auf der die Bio-Kuh gestanden ist.“ Der Identity-Schuh war geboren. „Jede Kuh ist durch ihre Ohrmarke eindeutig zu identifizieren. Diese Kennung verlor sich aber früher im Gerbprozess“, beschreibt Baumgärtner das Problem.

Auf Anregung von Meindl investierte die Ledergerberei rund eine halbe Million Euro, um sicherzustellen, dass die Herkunft der Häute auch nach dem Gerben noch nachprüfbar ist. „Jetzt entspricht das Leder Ökokriterien. Nicht nur durch die Bio-Almwiesen, auch hinsichtlich Gerbung, Transport und Schlachtung.“ 20 bis 30 Euro kostet ein solcher Schuh mehr als einer ohne den Ökostempel. Nicht wenig bei einem Ladenpreis von 169 bis 279 Euro.

„Der Einzelhandel muss so ein Produkt natürlich mit vielen Beratungen begleiten, aber wir sind guter Hoffnung, dass es ein Erfolg wird“, sagt Baumgärtner. Wer einen Bergschuh aus der Identity-Reihe kauft, findet fortan eine eingestanzte Nummer und einen QR-Code im Inneren des Schafts. Diese Nummer kann nun, ähnlich wie bei der Paketverfolgung der Post, auf der Meindl-Internetseite eingegeben werden und zeigt dem Kunden einen lückenlosen Herkunftsnachweis. „Wir wissen nicht, wohin unsere Schuhe gehen – aber wir wissen genau, woher sie kommen“, fasst Baumgärtner die Idee von Meindl zusammen.

Zehn Milliarden Euro hat der Einzelhandel mit Outdoor-Produkten im vergangenen Jahr umgesetzt. Schuhe nehmen ein Viertel des Marktes ein. Etwas mehr als die Hälfte des Marktvolumens entfällt auf Bekleidung. Bei Schlafsäcken sind es gerade fünf Prozent. Unsicherheiten in der Euro-Zone, weitreichende wirtschaftliche Turbulenzen und saisonuntypische Wetterverhältnisse haben jedoch massiven Einfluss auf die Umsatzzahlen. Dies gab David Udberg, Präsident der European Outdoor Group auf der Outdoor-Messe in Friedrichshafen bekannt. Mit mehr als neun Prozent Zuwachs im vergangenen Jahr zählte der deutsche Markt zu den Spitzenreitern in Europa. Auch in Dänemark, Russland und Schweden lassen Funktionsjacken, Schlafsäcke und Zelte die Kassen klingeln. Doch der Verbraucher hat nicht nur das Preisetikett im Blick. Nachhaltigkeit, Ökologie und Transparenz werden auf dem hart umkämpften Markt zu wichtigen Verkaufsargumenten neben Funktionalität, Leichtigkeit und Langlebigkeit der Produkte.

Keine künstliche Faser kann mit den Wärmeeigenschaften von Daunen mithalten. Den Flaumfedern von Gänsen und Enten haftet jedoch oft der schlechte Ruf von Tierquälerei an. Aufzucht, Haltung und Schlachtung der Tiere geraten immer wieder in die Kritik. Als weltweit erstes Unternehmen hat der britische Hersteller Mountain Equipment seine gesamte Daunen-Lieferkette zertifizieren lassen und sich strengen Regeln unterworfen. Mastquälung, Lebendrupf und Mauserrupf sollen damit ausgeschlossen sein. „Von der Idee bis zur Zertifizierung hat es fünf Jahre gedauert“, sagt Anke Schneider von Mountain Equipment Deutschland. „Wir mussten alle Zwischenstationen und -händler überzeugen, sich zertifizieren zu lassen. Nur so können wir die Reinheit der Daune garantieren.“ Die Kontrolle übernimmt ein unabhängiges Institut in der Schweiz. Gemeinsam mit dem „Daunen-Tüv“ und einer britischen Tierschutzorganisation soll der „Daunen-Kodex“ entsprechende EU-Vorschriften bei Weitem übertreffen. Mit Schlafsäcken, Daunenjacken und Funktionstextilien erwirtschaftete Mountain Equipment 2011 in Deutschland einen Umsatz von sieben Millionen Euro. „Unsere Produkte kosten zwischen 200 und 500 Euro. Dank des Daunen-Kodex können wir jedes Kilo Daunen zurückverfolgen bis auf die Farm, auf der das Tier aufgezogen wurde. Auch das werden viele Verbraucher zu schätzen wissen“, gibt sich Anke Schneider optimistisch. Ein Etikett mit einem Code zeigt den Weg vom Endprodukt zurück zum tierischen Federlieferanten.

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