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Wirtschaft: Von Tür zu Tür Ihr Geschäft ist es, Versicherungen zu verkaufen. Kein anderer Beruf ist so unbeliebt

wie dieser. Kein Wunder, dass der Branche jetzt der Nachwuchs ausgeht.

Beim Stichwort „Versicherungsvertreter“ fallen den meisten Deutschen unschöne Begriffe wie „Aufquatschen“, „Klinkenputzen“ und „Übers Ohr hauen“ ein.

Kein anderer Beruf ist so unbeliebt. Während Feuerwehrmänner, Ärzte und Polizisten meist ganz oben platziert sind im jährlichen Image-Ranking des Meinungsforschungsinstituts Forsa, landet der Versicherungsvertreter regelmäßig weit unten, im Herbst 2011 unter 30 Berufen gar auf dem letzten Platz. Doch ist das schlechte Image des Berufsfeldes gerechtfertigt? Sind unabhängige Versicherungsmakler, Vertreter von Versicherungen oder Versicherungsagenten, tatsächlich so wenig vertrauenswürdig? Der schlechte Ruf macht der Branche zu schaffen. Aber das ist nicht das Einzige.

„Sicherlich gab und gibt es in unserer Branche viele schwarze Schafe, die das Vertrauen in unseren Beruf beschädigt haben“, sagt Steffen Kluschke, Versicherungsmakler aus Berlin. Das läge auch daran, dass bis vor einigen Jahren noch jeder, der einige Wochenendseminare besucht hatte, Versicherungen verkaufen konnte. Doch eine EU-Richtlinie von 2007 soll den Ruf der Versicherungsverkäufer wieder verbessern, hofft Kluschke. Danach müssen sich Vermittler bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) registrieren lassen, ihre Kundenberatung dokumentieren und ihre Fachkunde nachweisen – durch das Vorlegen entsprechender Prüfungsabschlüsse oder den Nachweis jahrelanger Praxis. Bislang hat sich dadurch aber wenig geändert.

Dem Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) geht die EU-Richtlinie nicht weit genug. „Dadurch kann jemand, der vor 30 Jahren seinen Abschluss gemacht hat, die letzten 29 Jahre aber nicht in dem Bereich tätig war, sich einfach wieder registrieren lassen“, kritisiert Vorstandsmitglied Holger Mardtfeld. Um fragwürdigen Vermittlern die Arbeit zu erschweren, fordert er qualifikationsbegründete Zugangsbeschränkungen, den Nachweis ständiger Fortbildungen und eine fundierte Ausbildung (siehe Kasten).

Der Versicherungsvertreter, der ungefragt vor der Tür steht und überrumpelten Verbrauchern Policen verkauft, die sie gar nicht brauchen, hat es nach Meinung von Brancheninsidern aber zunehmend schwerer. „Langfristig erfolgreich ist man in dem Beruf nur, wenn man das Vertrauen seiner Kunden erwirbt und über Jahre hält“, sagt Steffen Kluschke. Es bringt seiner Meinung nach nichts, kurzfristig aus Profitgier auf den Gewinn durch eine höhere Provision zu schielen. „Die Kunden merken schnell, wenn sie jemand schlecht berät und wechseln dann zu einem anderen Makler“, sagt er.

Auch Andreas Bockwinkel kann es sich nicht leisten, seine Kunden schlecht zu beraten, sagt er. Der Versicherungsagent aus Berlin ist Geschäftsführer einer Agentur und arbeitet mit seinen elf Mitarbeitern für mehrere Versicherungsunternehmen. „Nur wenn wir sauber beraten und dem Kunden passende Angebote machen, werden wir weiterempfohlen. Darauf sind wir angewiesen“, erklärt er.

Dennoch: Das Imageproblem besteht – und führt dazu, dass die Branche massive Nachwuchssorgen hat. Mit Vorträgen an Schulen und auf Fachmessen versucht der VDVM dagegen anzugehen. Doch das ist nicht leicht: „Bei einem Vortrag von einem Solarunternehmen platzte der Saal aus allen Nähten. Als wir dran waren, verließen fast alle Zuhörer den Raum“, erzählt Mardtfeldt.

Nicht einmal mehr der gute Verdienst lockt neue Mitarbeiter. Freie Vermittler leben von der Provision, die sie bei Abschluss einer Versicherung erhalten. Wer für ein bestimmtes Versicherungsunternehmen tätig ist, bekommt ein Grundgehalt plus Provision pro Abschluss. Laut Bundesverband der Versicherungskaufleute in Bonn verdient ein Vermittler vor Abzug der Steuern im Schnitt 68 400 Euro im Jahr. Fast jeder dritte erwirtschaftet 25 000 bis 50 000 Euro vor Steuern, jeder fünfte 50 000 bis 75 000 Euro. Bis zu über 200 000 Euro im Jahr geht die Verdienstspirale dann noch nach oben. So viel verdienen vier Prozent der Vermittler.

Er selbst ist zufällig in der Branche gelandet, sagt Mardtfeldt vom VDVM. Nun möchte er andere von der Vielseitigkeit seines Berufes überzeugen. „Das spannende ist, dass man jeden Tag mit unterschiedlichen Menschen und Lebenssituationen zu tun hat“, erzählt der Versicherungsmakler. „Ich berate heute den KfZ-Zulieferer, morgen jemanden aus der Medizintechnik, übermorgen eine Pharmafirma.“ Dadurch erhalte man einen tiefen Einblick in unterschiedliche Themen und Wirtschaftsbereiche, aber auch in persönliche Schicksale. Ein guter Makler oder Vertreter muss deshalb bereit sein, sich intensiv mit seinem Gegenüber zu beschäftigen, sagt er. Soziale Kompetenz und Kommunikationsstärke seien neben kaufmännischen Stärken unabdingbare Voraussetzungen für den Beruf.

Ein Großteil der Arbeit besteht in der Betreuung und Beratung des Kundenstamms. Reicht der Versicherungsschutz auch nach dem Umzug? Wie schützt man die Familie optimal, wenn sich Nachwuchs ankündigt? Meistens finden solche Beratungen telefonisch oder im Büro des Vermittlers statt. Einige bieten Hausbesuche nach den Öffnungszeiten an.

Die Arbeit ist auch bestimmt davon, ob man als Vertreter für eine Versicherung arbeitet und nur deren Produkte verkauft und deren Interessen vertritt. Oder ob man als Agent mehrere Versicherer im Portfolio hat. Agenten vermitteln auch im Schadensfall zwischen Versicherung und Versichertem. Der Makler dagegen handelt im Auftrag des Versicherungsnehmers und sucht für ihn aus sämtlichen Angeboten am Markt das passende aus. Die Nachfrage der Verbraucher geht in Richtung Makler, der eine breite Palette anbieten kann, sagt Mardtfeld.

Auch das Internet macht den Vermittlern zunehmend Konkurrenz. Nach einer Studie des Bundesverbandes der IT-Wirtschaft Bitkom schließen immer mehr Verbraucher Versicherungen über das Internet ab. Im Jahr 2011 waren es zwei Millionen, doppelt so viel wie zwei Jahre zuvor.

Sorgen, dass sein Beruf deshalb irgendwann aussterben könnte, hat Agent Bockwinkel aber nicht. „Viele Menschen informieren sich vorab im Netz, schrecken aber vor dem Abschluss zurück.“ Das gelte gerade für beratungsintensive Produkte. Hier könnten er und seine Kollegen Orientierung geben. Und das ganz ohne Klinkenputzen.

Sina Krambeck

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