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Wirtschaft: Vor dem G8-Gipfel: Die letzte Reise des Sherpa führt nach Japan - Klaus Gretschmann wechselt nach Brüssel

Klaus Gretschmann steht vor einer besonderen Reise. Denn wenn der "Sherpa" der Bundesregierung am Mittwoch abend mit dem Kanzler in die Bundeswehrmaschine steigt, die sie zum Weltwirtschaftsgipfel nach Okinawa bringt, wird er nicht nur seine bisher längste Reise zu einem G7-Treffen antreten.

Klaus Gretschmann steht vor einer besonderen Reise. Denn wenn der "Sherpa" der Bundesregierung am Mittwoch abend mit dem Kanzler in die Bundeswehrmaschine steigt, die sie zum Weltwirtschaftsgipfel nach Okinawa bringt, wird er nicht nur seine bisher längste Reise zu einem G7-Treffen antreten. Es dürfte auch seine letzte in der Funktion des "persönlichen Beauftragten des Bundeskanzlers zur Vorbereitung der Weltwirtschaftsgipfel" sein.

Denn noch im Juli wird die Bundesregierung seine Kandidatur für einen Posten im EU-Ratssekretariat in Brüssel einreichen. Mit dem Wechsel des Leiters der Abteilung Wirtschaftspolitik im Kanzleramt will Bundeskanzler Gerhard Schröder der gesunkenen deutschen Präsenz unter dem Brüsseler Spitzenpersonal entgegenwirken.

Da die übliche EU-interne Ausschreibung mittlerweile - und wie erwartet erfolglos - beendet ist, dürfte eine Entscheidung auf Ebene der Regierungschefs nun im September fallen. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass der 51-jährige Aachener Wirtschaftsprofessor Gretschmann gegen Ende des Jahres Chef einer neuen "Superdirektion" werden wird, in der die Bereiche Binnenmarkt, Zollunion, Industriepolitik, Telekommunikation, Informationsgesellschaft, Forschung und Energie sowie Verkehr zusammengefasst werden.

Da auch Schröder dem Europäischen Rat als Gegengewicht zur Kommission eine immer größere Bedeutung zumisst, könnte der Posten eine wichtige Schaltstelle im Gefüge europäischer Entscheidungsstrukturen werden.

Mittlerweile wird auch in Brüssel mit der Zustimmung der EU-Partner gerechnet. Dabei sah es zeitweilig so aus, als würde die Bundesregierung nach dem Debakel bei der Besetzung des Chefpostens beim Internationalen Währungsfonds eine zweite Niederlage bei dem Versuch erleiden, Deutsche in wichtige internationale Positionen zu hieven. Denn als nach einer Indiskretion im Frühjahr bekannt wurde, dass Gretschmanns Wechsel mit den Franzosen bereits abgesprochen war, regte sich in Brüssel zunächst Widerstand.

Die Neustrukturierung des Ratssekretariats war zwar geplant, aber noch nicht beschlossen. Allerdings war bereits beabsichtigt, dass nach dem altersbedingten Ausscheiden zweier Generaldirektoren (darunter ein Deutscher) Abteilungen zusammengelegt würden.

Noch ungeklärt ist die Frage, wer bei einem Wechsel Gretschmanns sein Nachfolger als Gipfel-Sherpa werden wird. Bisher werden Finanzstaatssekretär Caio Koch Weser die grössten Chancen eingeräumt. Dafür spricht, dass er einer der wenigen international versierten deutschen Führungsbeamten ist. Zudem wäre die Sherpa-Rolle eine Art Wiedergutmachung für seine vom Bundeskanzler forcierte und dann im diplomatischen Kreuzfeuer gescheiterte IWF-Kandidatur. Aber im Kanzleramt ist man sich offenbar noch nicht sicher, ob die Sherpa-Funktion wirklich ins Bundesfinanzministerium zurückgehen sollte.

Unter der alten Regierung war die Sherpa Rolle im Bundesfinanzministerium angesiedelt, erst Schröder holte sie nach der Bundestagswahl 1998 ins Kanzleramt. Er wollte damit die wichtige Vorbereitung der Weltwirtschaftsgipfel dem Einfluss des damaligen Finanzministers Oskar Lafontaine und dessen Staatssekretär Heiner Flassbeck entziehen. Als im Frühjahr dann die Idee eines Wechsels Gretschmanns nach Brüssel auftauchte, hatte es auch Überlegungen gegeben, eine Rückgabe der Sherpa-Rolle mit einem Neuzuschnitt von Finanz- und Wirtschaftsministerium zu verbinden. Denn bis heute leidet das Wirtschaftsministerium von Werner Müller (parteilos) darunter, dass Lafontaine dem Bundesfinanzministerium etwa die wichtige Europa-Abteilung einverleibte.

Für einen Verbleib der Sherpa-Rolle im Kanzleramt spricht, dass sich die Weltwirtschaftgipfel heute längst nicht mehr auf währungs- und finanzpolitische Fragen beschränken. Und offenbar gibt es im Kreis der G -7-Regierungen beziehungsweise G -8-Regierungen (Russland einbezogen) - wie schon bei der IWF-Kandidatur - weiter Vorbehalte gegen den früheren Weltbank-Manager Koch-Weser.

Andreas Rinke

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