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Wirtschaft: Vor dem großen Bankenstreit

Zwischen privaten und öffentlichen Banken bahnt sich Zwist an – die ersten Sparkassen sollen an eine Privatbank verkauft werden

Frankfurt (Main) . Der deutschen Finanzbranche stehen dieses Jahr heftige Auseinandersetzungen bevor. Josef Ackermann, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, und seine Kollegen von Commerz-, Dresdner und Hypo-Vereinsbank müssen sich 2004 gegen die öffentlichen Banken wappnen: Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) wehrt sich immer heftiger gegen den Vorstoß der Privatbanken in das Kerngeschäft der öffentlichen Geldinstitute.

Urheber der Unstimmigkeiten ist Harald Lastovka. Der Christdemokrat ist Oberbürgermeister von Stralsund. Und er will „seine“ Sparkasse verkaufen. Wenn das Angebot stimmt, auch an eine private Großbank. Die Commerzbank und die schwedische SEB haben Interesse signalisiert. Der Bankenverband (BdB), Lobby der Großbanken, wittert nun Morgenluft. Lastovska hat auch schon einen Nachahmer gefunden: Das sächsische Finanzministerium signalisierte kurz vor Jahreswechsel, dass es Interesse daran habe, die Sachsen-Finanzgruppe – ein Zusammenschluss von sechs Sparkassen mit der sächsischen Landesbank – teilweise an Privatbanken zu verkaufen.

Mit diesen Verkäufen könnte erstmals die deutsche Drei-Säulen-Struktur – Privatbanken, Landesbanken und Sparkassen, Genossenschaftsbanken – der deutschen Kreditwirtschaft aufgebrochen werden. So könnten sich die Großbanken auch bei Sparkassen einkaufen und damit ihr Privatkundengeschäft verstärken, wo sie mit einem Marktanteil von zusammen gerade mal 20 Prozent eine eher untergeordnete Rolle spielen. Volksbanken und vor allem Sparkassen haben die Nase weit vorn.

Solche Versuche bringen DSGV-Präsident Dietrich Hoppenstedt auf die Palme. Ihm zufolge wollen die Großbanken ihren Wettbewerber nachhaltig schädigen und schwächen. Die Herren Ackermann und Co. wollten eigene Versäumnisse im Privatkundengeschäft nun auf Kosten der Sparkassen ausbügeln. Mehr noch: Glaubt man Hoppenstedt, werden Mittelstand und Bürger in strukturschwachen Regionen bei Dammbrüchen à la Stralsund endgültig von Krediten und Girokonten abgeschnitten. Denn die Großbanken hätten nur dort Interesse, wo sich Geld verdienen ließe, während die Sparkassen qua Gesetz dem Gemeinwohl verpflichtet seien und deshalb auch in der hintersten Ecke der Republik Kredite und Girokonten anböten, meint Hoppenstedt.

Beide Seiten hauen sich mittlerweile mehr oder weniger seriöse Argumente um die Ohren. Hoppenstedt vermutet gar rechtswidrige Absprachen der Großbanken, Bankenpräsident Rolf Breuer fürchtet seinerseits um das deutsche Geldgewerbe und deutsche Unternehmen, wenn „fremde Eroberer“ sich eine deutsche Großbank schnappen, nur weil der DSGV durch seine Sturheit die Konsolidierung im Inland verhindert.

Bei den Branchenbeobachtern ist man gespalten darüber, ob es eine rasche Konsolidierung in Deutschland geben muss oder nicht. Der Nürnberger Banken-Professor Wolfgang Gerke warnt vor überstürztem Handeln. Er attestiert Großbanken und Sparkassen zwar verständliches Handeln. „Im Filialgeschäft kommen Deutsche oder Commerzbank nicht allein voran. Betriebswirtschaftlich liegen sie aus eigener Sicht mit Übernahmen von Sparkassen völlig richtig.“ Andererseits versteht Gerke auch die Position des DSGV. „Wenn die Rosinen herausgekauft werden, bricht der ganze Sektor zusammen. Also hält man zusammen.“ Der Wissenschaftler sähe es lieber, wenn Stralsund nicht zum Vorreiter würde. Wettbewerb gäbe es im deutschen Bankenmarkt ohnehin genug. Ab 2005, mit dem Wegfall der Staatsgarantie, würde er eher noch zu- als abnehmen. Zudem befürchtet auch Gerke, dass die Privatbanken weniger Interesse an kleinen Firmen und Privatkunden in der Fläche haben. „Das dreistufige Bankenwesen sollten wir nicht aufgeben, es ist ein Vorzug des deutschen Bankenmarktes.“

Dagegen hält Dieter Hein, Bankenanalyst von Fairresearch, den Wandel für überfällig. „Wir haben archaische Strukturen. Wir brauchen die Liberalisierung“, sagt Hein. Die Probleme bei Banken, Landesbanken und Sparkassen führt er auch darauf zurück, dass der Banken-Markt nicht geöffnet ist. „Im Ausland ist man längst soweit und dort geht es den Banken gut.“ Den Sparkassen-Oberen hält er eine Vogel-Strauß-Mentalität vor. „Was spricht objektiv gegen die Möglichkeit, dass Sparkassen Privatbanken und dass Privatbanken Sparkassen kaufen können?“

Wo es 2004 oder danach hingeht, ist offen. Bevor Banker aktiv werden, müssen sich Juristen mit dem Fall Stralsund beschäftigten. Während der DGSV und Sigrid Keler, Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern, behaupten, das Sparkassengesetz lasse einen Verkauf nicht zu, sehen die Anwälte der Frankfurter Kanzlei Hengler Mueller, die die Stadt Stralsund beraten, keine juristischen Hürden. Beim Bankenverband ist man sich nicht sicher. Geschäftsführer Weber hält eine „Flexibilisierung“ der Gesetze für erforderlich. Am Ende wird sich vor allem die Politik in Bund und Land mit dem Thema befassen müssen. Dort redet man dem Wettbewerb schon länger das Wort.

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