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Wirtschaft: Vor der Zerlegung

Noch gibt es Interessenten für Teile der früheren Siemens-Handysparte. Aber hohe Schulden schrecken ab

München - Die Abwicklung des insolventen Handyherstellers BenQ Mobile ist in vollem Gange. Nach Angaben aus Branchenkreisen hat Insolvenzverwalter Martin Prager einen Verwerter damit beauftragt, eine Aufstellung sämtlicher Vermögenswerte des Unternehmens zu machen. Diese sollen im Frühjahr bei einer Auktion verkauft werden, falls sich bis dahin kein Käufer für das Unternehmen findet. Mit den Erlösen der Werte, zu denen neben Produktionsanlagen auch fertig produzierte Handys und Patente gehören, sollen die Forderungen der Gläubiger befriedigt werden. Prager will die Gläubigerversammlung voraussichtlich am 15. März über den Verlauf des Insolvenzverfahrens informieren. In dem Ausschuss sitzen neben Lieferanten von BenQ auch Vertreter der IG Metall, der Bundesagentur für Arbeit und mehrerer Kreditversicherer.

„Die Vorbereitung des Verkaufs nimmt Monate in Anspruch“, sagte eine Sprecherin Pragers dem Tagesspiegel. Sie betonte aber, dass kein betriebsnotwendiges Vermögen verkauft werde, so lange es noch Interesse von Investoren für die Übernahme von BenQ Mobile gebe. Bisher seien lediglich Gegenstände veräußert worden, die zur Fortführung des Betriebes nicht benötigt würden. Über das Online-Auktionshaus Ebay hat Pragers Kanzlei bereits Dutzende gebrauchte Computer und Möbel angeboten.

Die Sprecherin Pragers sagte, es gebe „nach wie vor Gespräche mit mehreren Interessenten“. Michael Leppek von der IG Metall München beurteilt die Chancen, dass sich für BenQ noch ein Käufer findet, aber als „äußerst gering“. Die Produktion ruht seit einer Woche vollständig und viele hoch qualifizierte Fachkräfte sind schon zu anderen Unternehmen abgewandert. IG-Metall-Tarifexperte Oliver Burkhard, der im Gläubigerausschuss sitzt, sagte dem Tagesspiegel, selbst wenn es jetzt noch zu einer Lösung käme, könnten nur noch etwa 200 Arbeitsplätze gerettet werden. Bisher hatte die Hoffnung bestanden, bis zu 800 Jobs retten zu können. Doch inzwischen interessierten sich die anfragenden Firmen immer mehr nur noch für spezielle Teilbereiche des Unternehmens.

Die frühere Siemens-Handysparte mit rund 3000 Mitarbeitern war im September 2006 in die Pleite gerutscht, nachdem der neue Eigentümer, der taiwanische Konzern BenQ nur ein Jahr nach der Übernahme überraschend den Geldhahn zugedreht hatte. Aus einem 30-seitigen Insolvenzgutachten, das dem Gericht und den Gläubigern seit Ende Dezember vorliegt, geht hervor, dass BenQ Mobile Schulden in Höhe von 883 Millionen Euro angehäuft hat. Verkäufer Siemens muss sich neben der Schmiergeldaffäre und einem Rekordbußgeld der EU für Kartellverstöße nun auf neuen Ärger gefasst machen. Laut Gutachten macht der Insolvenzverwalter Nachforderungen in Höhe von 100 Millionen Euro gegen den Konzern geltend. Dies sei aber nur eine grobe Schätzung, sagte seine Sprecherin am Mittwoch.

Prager zweifelt offenbar daran, dass Siemens die Finanzverhältnisse seiner Handysparte beim Verkauf Mitte 2005 korrekt angegeben hat. Es seien noch eine Reihe von Bewertungs- und Finanzierungsfragen offen. Ein Konzernsprecher sagte, die Wirtschaftsprüfer von KPMG hätten bestätigt, dass die Transaktion mit BenQ korrekt abgelaufen sei. Der Gesamtbetriebsratschef von BenQ Mobile, Michael Leucker, hat daran Zweifel: „Siemens hat BenQ damals vermutlich nicht ganz reinen Wein eingeschenkt.“

Nicole Huss

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