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Vor Kopenhagen: Deutschland knausert mit Klima-Hilfsgeld

Sechs bis sieben Milliarden im Jahr soll Deutschland dem Süden im Kampf gegen den Klimawandel zahlen. Im Gegenzug wird die Entwicklungshilfe gekürzt.

Angela Merkel hat den Schwellen- und Entwicklungsländern ihre Hilfe im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen zugesichert. "Wir sind uns der besonderen Bedeutung und Verantwortung der Industrieländer bewusst", versicherte sie am Donnerstag im Parlament. Der Bundestag debattierte vor Kopenhagen über den Auftrag der Bundesregierung für den Klimagipfel. Deutschland sei bereit, ärmeren Staaten finanziell und technologisch zu helfen, versprach die Bundeskanzlerin.

Wie viel die Entwicklungsländer erhalten sollen und wer welchen Anteil zahlt – diese Frage gehört neben der Debatte über konkrete Emissionsminderungsziele zu den Knackpunkten des Kopenhagener Gipfels. Die Schwellenländer haben ihre Position bereits klar formuliert: Sie sind nur zu einer Einigung über eine künftige gemeinsame Klimapolitik bereit, falls die Industriestaaten aus ihrer Sicht hinreichende Hilfen zusagen. China, ein mächtiger Verhandlungspartner, fordert etwa einen globalen Klimafonds, in den die Reichen mindestens 0,5 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts einzahlen, zusätzlich zur üblichen Entwicklungshilfe. Im Jahr 2007 wären das etwas mehr als 122 Milliarden Euro gewesen.

Im Jahr 2020 müssen weltweit rund 100 Milliarden Euro jährlich fließen, damit die Armen sich an die Erderwärmung anpassen und zusätzlich Geld in den Klimaschutz stecken können, prognostiziert die Europäische Union. Die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam geht von einem etwas höheren Bedarf aus; manche Entwicklungsländer fordern noch mehr. Deutschland müsste diesen Rechnungen zufolge rund sechs bis sieben Milliarden Euro pro Jahr zahlen. Zum Vergleich: Der geplante niedrigere Mehrwertsteuersatz für Hotels schlägt mit etwa einer Milliarde zu Buche, die Steuersenkungen, die im Jahr 2011 in Kraft treten sollen, mit 20 Milliarden.

Doch anders als die umstrittenen Steuererleichterungen will die Regierung die Klima-Hilfen dem Haushalt nicht zusätzlich aufbürden. Der Bundestag folgte ihrem Antrag am Donnerstag. Die deutschen Verhandlungsführer sollten in Kopenhagen "sicherstellen, dass die Beiträge für die Finanzierung des internationalen Klimaschutzes und der Anpassungsmaßnahmen auf das Ziel angerechnet werden, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) zur Verfügung zu stellen", beschlossen die Parlamentarier. Das entspreche einer "fairen Lastenteilung" mit den Entwicklungsländern.

Übersetzt heißt das: Was Deutschland für den Klimaschutz im Süden zahlt, zieht es den Armen an anderer Stelle wieder ab. "Das darf nicht sein", kritisiert Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig den Beschluss. "Dann fehlt später in den armen Ländern das Geld für Grundbildung, Gesundheitsfürsorge und andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut." Dabei gehöre Deutschland zu den Hauptverursachern des Klimawandels. "Jetzt die Kosten der gewaltigen Klimaschäden in den Entwicklungsländern einfach von der Entwicklungshilfe abzuzweigen und nicht zusätzlich bereitzustellen, ist ein starkes Stück."

Kritik kam auch von der Naturschutzorganisation BUND. Die nötigen Milliarden könnten relativ leicht zusätzlich zur Entwicklungshilfe bereitgestellt werden, etwa indem man umweltschädliche Subventionen wie die Zuschüsse für Agrardiesel streiche, sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger.

Auch die anderen Industrieländer knausern jedoch mit Klimahilfen. "Die meisten wollen die Mittel aus bestehenden Budgets abzweigen, statt sie zusätzlich auszugeben", sagt Kowalzig. Nur Dänemark, die Niederlande und mit Einschränkungen auch Großbritannien und die Commonwealth-Staaten hätten bislang angekündigt, zusätzliche Töpfe zu schaffen. Zudem gibt es weiteren Streit darüber, wer die Mittel, so sie denn einmal fließen, verwalten soll. "Die Industrieländer möchten die Kontrolle über die Gelder behalten", sagt BUND-Klimaexpertin Antje von Brook. Die Entwicklungsländer wollten das nicht akzeptieren.

Quelle: ZEIT ONLINE

Alexandra Endres

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