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Wirtschaft: Vorbild Adlershof

Der Staat profitiert von der gezielten Ansiedlung von Wirtschaft und Wissenschaft. Das belegt eine Studie des DIW

Einst bestand Adlershof aus Kleinbauern und Tagelöhnern, später stand der Name für einen Gutshof, der 1754 gegründet wurde. Heute verbindet sich mit Adlershof am Südostrand Berlins die Erkenntnis, dass die gezielte, koordinierte Ansiedlung von Technologiebetrieben und Forschungseinrichtungen der Gesellschaft Gewinn bringt. Es braucht allerdings Geduld. Das belegen Zahlen, die in Adlershof an diesem Montag vorgelegt werden.

Die öffentliche Hand hat demnach von 1991 bis 2010 rund 1,3 Milliarden Euro in die „Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ (Wista) investiert, davon den Löwenanteil in den ersten 15 Jahren. In den vergangenen fünf Jahren sind die staatlichen Investitionen auf durchschnittlich 30,4 Millionen Euro pro Jahr abgesunken. Die öffentliche Hand – inklusive der Humboldt-Universität – bringt inzwischen weniger als ein Drittel der gesamten Investitionen auf, der Rest kommt von Unternehmen.

Auf der Haben-Seite stehen allein in den vergangenen sechs Jahren Steuereinnahmen von knapp 1,8 Milliarden Euro, rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin in einer Studie vor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Im vorigen Jahr allein waren es 344 Millionen Euro, die über Lohn-, Mehrwert- und Körperschaftsteuer an den Staat zurückflossen. Die Forscher haben dabei alle direkten und indirekten Effekte berücksichtigt, also auch die zusätzliche Konsumnachfrage, die in Adlershof erwirtschaftete Einkommen auslösen. Dem Land Berlin allein brachte Adlershof in 2010 ein Steueraufkommen von gut 180 Millionen Euro, elf Prozent mehr als im Vorjahr. Das DIW kommt für 2010 auf eine Bruttowertschöpfung von insgesamt 1,75 Milliarden Euro, wobei gut eine Milliarde Euro direkt erwirtschaftet wurde. Die durchschnittliche jährliche Steigerung beträgt demnach derzeit gut sieben Prozent, womit Adlershof fast chinesische Zuwachsraten bietet. Im Schnitt fünf Prozent Wachstum pro Jahr peilt Adlershof für die nächste Zeit an.

Die Beschäftigung wächst demnach derzeit jährlich um vier Prozent. Rund 14 000 Arbeitsplätze bietet Adlershof direkt, doch insgesamt leben ziemlich exakt doppelt so viele Menschen von diesem Technologiepark, hat das DIW ausgerechnet. Die Zahl ist nach dem Krisenjahr 2009 nur leicht gestiegen, aber im Vergleich zu 2005 um nahezu ein Viertel.

Einen großen Sprung machte Adlershof, als sich der Solarmodulhersteller Solon im Jahr 2008 ansiedelte. Die Bruttowertschöpfung stieg damals sprunghaft um mehr als ein Viertel. Da aber 2009 für Solon wie für viele Industriebetriebe kein gutes Jahr war, sank die Bruttowertschöpfung prompt um 11,5 Prozent. Die gute Nachricht ist, dass auch Adlershof die Rezession überwunden hat und bei Wertschöpfung und Steueraufkommen laut DIW wieder auf dem Niveau von 2008 liegt. Und Solon hat demnach 2010 seinen Umsatz um fast die Hälfte auf 525 Millionen Euro gesteigert – das Unternehmen selbst legt seinen Geschäftsbericht erst Ende März vor.

Dass die Brachflächen rund um die ehemaligen Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR so einen Boom erleben würden, hätte vor 20 Jahren niemand gedacht. Hardy Schmitz, Chef der Betreibergesellschaft, sieht das Konzept als Vorbild für andere „Zukunftsorte“ in Berlin, etwa in Tegel. „Es braucht Zeit und eine klare unternehmerische Strategie rund um Ankerinvestitionen“, sagt er – und nennt eine Einschränkung: „Die Konstruktion muss unabhängig von der Wechselhaftigkeit der Politik sein.“

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