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Wirtschaft: Vorbild Österreich

Wer schwer arbeitet, darf ab 2007 früher in Rente gehen – in der SPD würden das einige gern übernehmen

Berlin – Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) schaut in diesen Tagen neidisch nach Österreich: Wer körperlich schwer gearbeitet hat, darf dort künftig früher in Rente gehen. Solche Ausnahmen schweben dem wahlkämpfenden Beck auch vor, wenn die Bundesregierung bis 2029 die Rente mit 67 einführt. Einen Dachdecker etwa könne man mit 67 Jahren nicht mehr auf dem Dach arbeiten lassen, mahnt Beck.

Österreich führt 2007 eine Sonderregelung für Schwerarbeiter ein. Wer lange unter extremen Bedingungen gearbeitet hat, soll früher und mit geringeren Abschlägen in Rente gehen dürfen. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass jemand 45 Jahre gearbeitet hat. Das trifft nur auf einen geringen Teil der Beschäftigten zu, knapp 10 000 Personen im Jahr. Insgesamt gehen in Österreich jährlich etwa 120 000 Menschen in Rente.

Die österreichische Sozialministerin Ursula Haubner definiert derzeit in einer Verordnung, was Schwerarbeit ist: etwa Schichtdienste, wenn sie auch nachts stattfinden, Arbeiten bei Hitze (etwa am Hochofen) und bei Kälte, sowie psychisch stark beanspruchende Arbeit (etwa Pflegearbeit im Hospiz). Begünstigt werden sollen außerdem pflegebedürftige Behinderte. Als Schwerarbeit zählen Tätigkeiten, bei denen besonders viele Kalorien verbraucht werden – bei Männern 2000 Arbeitskalorien am Tag, bei Frauen 1400. Dachdecker oder Fließbandarbeiter dürften damit auch in Österreich nicht unter die Ausnahmeregelung fallen. Der Ausnahmenkatalog führte zu heftigen Diskussionen. So klagen etwa die Mediziner, dass sie wegen ihrer langen Ausbildung nicht profitieren.

Voraussetzung für die neue Rente ist außerdem, dass ein Beschäftigter mindestens 15 Jahre mit Schwerarbeit verbracht hat. Wer 20 Jahre lang unter anstrengenden Bedingungen geschuftet hat, soll bereits mit 60 Jahren seine Pension erhalten, das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt derzeit in Österreich für Männer bei 65. Die belastende Tätigkeit darf nicht zu lange zurückliegen. Dies sei gerecht, argumentiert der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Ewald Wetscherek. So sei es unangemessen, wenn ein Pflegedirektor, der seine Karriere als Pfleger angefangen habe, deswegen früher in den Ruhestand gehen dürfe.

Angesichts der strengen Voraussetzungen werden wohl nicht allzu viele Beschäftigte von der Schwerarbeiter-Rente profitieren: nach Schätzungen der Pensionsversicherungsanstalt sind es jährlich 1500 Frauen und Männer. Die Gewerkschaften rechnen gehen sogar nur von rund 500 Personen im Jahr aus. Der Rentenexperte Johannes Ruda von der Österreichischen Sozialversicherung erwartet, dass vor allem Männer in den Genuss der Regelung kommen. „Frauen erreichen die Zahl der Versicherungsjahre in der Regel nicht“, sagt er.

Ob es in Deutschland eine Schwerarbeiterregelung nach österreichischem Vorbild geben wird, ist zweifelhaft. Bundesarbeitsminister und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) zeigte sich am Montag im SPD-Präsidium skeptisch, versprach jedoch, auch solche Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren zu prüfen. Dafür will sich die Bundesregierung an einer anderen Regelung ein Beispiel nehmen – der „Hacklerregelung“ (Arbeiter werden in Österreich auch als Hackler bezeichnet). Müntefering plant, dass auch in Zukunft Beschäftigte nach 45 Beitragsjahren mit 65 die volle Rente beziehen, unabhängig vom Beruf. Die „Hacklerregelung“, die es 2003 in Österreich zum Wort des Jahres schaffte, ist eine Rente für langjährig Versicherte. Männer können nach 45 Beitragsjahren bereits mit 60 statt mit 65 ihre Pension beziehen. Frauen können mit 55 Jahren in den Ruhestand gehen, wenn sie 40 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Diese Regelung gilt jedoch nur für Frauen, die vor 1955 geboren sind – bei Männern liegt die Grenze beim Jahrgang 1950. Denn auch Österreich hebt die Altersgrenzen für die so genannten „Hackler“ an – schrittweise bis zum Jahr 2028.

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