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Wirtschaft: Vorteile auf Kosten der anderen

Die milliardenschwere Wirtschaftsförderung spielt Regionen gegeneinander aus – und führt am Ende zu weniger Wachstum

Berlin . Es sollte einer der Leuchttürme im Osten werden, doch das Transportluftschiff Cargolifter stellte sich als Investitionsflop heraus. Rund 40 Millionen Euro muss das Land Brandenburg an Subventionen abschreiben. Einziger Trost: Die Aktionäre haben sogar 300 Millionen Euro verloren. Nach der Pleite des börsennotierten Unternehmens vor einem Jahr steht nur noch die riesige, frei tragende Konstruktionshalle zur Disposition. Die neuen Investoren wollen darin einen Urwald entstehen lassen – Touristenrummel statt High-Tech-Fertigung.

Der Cargolifter ist ein Beispiel dafür, wie staatliche Wirtschaftsförderung fehlschlagen kann, weil Beamte die Wirtschaftlichkeit einer Investition kaum besser beurteilen können als die Investoren selbst.

In der Wirtschaftsförderung sind Bund, Länder, Gemeinden und die Europäische Union äußerst kreativ. Inzwischen gibt es hunderte von Förderprogrammen, so dass selbst Profis sich computergestützter Datenbanken bedienen müssen, um den Überblick zu bewahren. Beispiel Berlin: Der Förderkatalog des Landes weist 25 Programme zur Unterstützung von Investitionen und Betriebsmitteln aus, 18 Töpfe für Technologie, Forschung und Entwicklung, sieben Angebote für umweltorientierte Vorhaben und 22 Programme zum Thema Arbeitsmarkt. Die Finanzierung teilen sich alle Beteiligten, das meiste Geld stammt allerdings vom Bund und aus Brüssel.

Ausgegeben werden die Mittel vor allem von den Ländern und Gemeinden. Der Stadtstaat Berlin etwa hat im Jahr 2001 rund 176 Millionen Euro vergeben. Unter anderem auch über Miniprogramme: 500 000 Euro für die Kongressförderung oder 300 000 Euro für Firmensanierungen. Die meisten Angebote sind zugeschnitten auf kleine und mittelständische Unternehmen. Aber auch große Konzerne profitieren vom staatlichen Geldsegen. So sollte der Automobilhersteller BMW anfangs 419 Millionen Euro für sein neues Werk in Leipzig kassieren. Bei 1,2 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen wäre das immerhin ein Viertel gewesen. Doch die Wettbewerbshüter der Europäischen Union rechneten nach und meinten, allenfalls 363 Millionen Euro sind mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

BMW baut natürlich trotz der Kürzung, zumal das Land Sachsen zugesichert hat, für die großzügige Verkehrsanbindung des neuen Werkes zu sorgen. Wie viele Millionen zusätzlich auf diesem Wege BMW zugute kommen werden, ist unbekannt.

Doch wann investiert schon einmal ein Unternehmen solche Summen in Deutschland? Zumal damit 5000 neue Arbeitsplätze verbunden sind. Und zwar im strukturschwachen Ostdeutschland und nicht irgendwo im Ausland, wo die Personalkosten angeblich so niedrig sind. Da schöpfen Politiker und staatliche Behörden selbstverständlich alle Quellen aus, um Investoren zu locken. Letztlich geht es bei der Wirtschaftsförderung immer um Arbeitsplätze – die Schaffung von neuen Jobs und die Sicherung von bestehenden.

Einer der wichtigsten Töpfe ist dabei die „Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, kurz GA-Mittel genannt. Damit werden Investitionen der gewerblichen Wirtschaft und im Fremdenverkehr sowie der Ausbau wirtschaftsnaher Infrastruktur gefördert. Ein wenig Statistik: Zwischen 1999 und 2002 flossen aus dieser Quelle 32,5 Milliarden Euro in die Industrie, die damit insgesamt 165 Milliarden Euro investierte. Das, so resümiert das Wirtschaftsministerium, habe 1,2 Millionen Arbeitsplätze gesichert und 880 000 neue geschaffen. Für die Infrastruktur gab der Staat noch einmal 16,4 Milliarden Euro in diesem Zeitraum aus. Damit wurden aber nur 25 Milliarden Euro Investitionen angestoßen. Kurz: Der Staat finanzierte zum Großteil die notwendigen Straßen, Schienen und Versorgungsleitungen.

Auch die EU ist spendabel: 270 Milliarden Euro stehen an Fördermitteln für fünf Jahre bereit – natürlich für alle 15 Mitgliedsländer. Demnächst, so der Plan für die Zeit nach der Erweiterung der Gemeinschaft, werden sogar 350 Milliarden zu verteilen sein.

Wirtschaftsförderung bedeutet auch Arbeitsbeschaffung in der Verwaltung. So ist Brüssel nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) „bereits jetzt mit der Administration der rund 100 000 Projekte jährlich überfordert“. Bei den nationalen Verwaltungen geht es kaum besser. Der DIHK fordert deshalb dringend mehr Effizienz und einfachere Verwaltung. Für das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ist die Regionalpolitik der EU sogar schädlich, weil sie den Wettbewerb verzerrt. Vernichtend auch sein Urteil über die Wirtschaftsförderung nach deutschem Muster: Die praktizierte Regionalförderung bedeute letztlich, so das IfW, dass einige Regionen auf Kosten anderer profitierten. Die gesamte Volkswirtschaft erleide Wachstumseinbußen.

Subventionsland Deutschland – in dieser Serie berichtet der Tagesspiegel über die milliardenschweren finanziellen Wohltaten des Staates für Bürger und Wirtschaft. Morgen: Warum der Staat Liebhabern von Schnittblumen Steuergeschenke macht

Dieter Fockenbrock

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