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Wirtschaft: Vorübergehend nicht geschlossen

Bombardier-Aufsichtsrat vertagt Entscheidung über das Werk in Halle-Ammendorf – Belegschaft hofft wieder

Berlin (dro). Für die Belegschaft des BombardierWerks Ammendorf in Sachsen-Anhalt war es ein Sieg, wenn auch nur ein kleiner: Die Geschäftsleitung von Bombardier Transportation Deutschland hat ihren Plan, das Werk zum Herbst 2005 zu schließen, nicht durchsetzen können – vorerst zumindest. Der Aufsichtsrat des Unternehmens lehnte am Dienstag eine entsprechende Beschlussvorlage der Geschäftsführung ab. Stattdessen soll nun bis zum Juni weiter verhandelt und nach einer Lösung gesucht werden, sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und zuständige IG-Metall-Bezirksleiter Hasso Düvel nach der vierstündigen Aufsichtsratssitzung.

Um zehn Uhr morgens hatten sich die Mitglieder des Aufsichtsrates im Berliner Hilton-Hotel getroffen, um über die Zukunft der 750 Ammendorfer Waggonbauer zu beschließen. Und auch die waren in die Hauptstadt gekommen, mit IG Metall-Fahnen, Trillerpfeifen und einer Menge Wut im Gepäck. „Wir werden kämpfen, was anderes bleibt uns gar nicht übrig“, sagt Schlosser Günter Lessmann. Seit fast 30 Jahren arbeitet er in dem Werk bei Halle. Jetzt ist er 50 Jahre alt, und das Ende von Ammendorf wäre auch sein berufliches Ende. „Bei über vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland habe ich doch keine Chance, schon gar nicht in meinem Alter und erst Recht nicht in Sachsen-Anhalt“, sagt er. Dort liegt die Arbeitslosenquote bei rund 20 Prozent. So wie Lehmann geht es den meisten seiner Kollegen: Sie sind über 40, haben jahrzehntelang in Ammendorf gearbeitet, und jetzt droht ihnen die Arbeitslosigkeit bis zur Rente.

Jetzt, wo die Schließung vorläufig abgewendet ist, haben sie alle wieder ein wenig Mut gefasst. Aber einen wirklichen Grund zur Hoffnung gibt es dennoch nicht. „Wir haben zwar den Fuß auf die Bremse gekriegt, die beabsichtigte Schließung ist allerdings damit nicht vom Tisch“, sagte Düvel. Aber man habe Zeit gewonnen, um zumindest für einen Großteil der Beschäftigen eine tragbare Lösung zu finden.

Der Kanzler kommt nicht mehr

Der Aufsichtsrat hatte sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass unter Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter und externer Berater eine neue Beschlussvorlage ausgearbeitet werden soll, die Alternativen für die Mitarbeiter und die Nutzung des Werkgeländes aufführt. Düvel rechnet frühestens für Juni mit einem Ergebnis. Unterdessen sprach sich Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) dafür aus, den Waggonbau in Halle-Ammendorf so weit wie möglich zu erhalten. Es müsse alles getan werden, um den Beschäftigten und dem Standort beizustehen, sagte er nach der Entscheidung des Aufsichtsrates. Was dort passiere, sei eine unternehmerische Katastrophe.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Witt machte allerdings deutlich, dass der Konzern dennoch aller Voraussicht nach an seiner Absicht, Ammendorf zu schließen, festhalten werde. Allerdings werde nun weiter versucht, für die Mitarbeiter Arbeitsplätze in anderen Bombardier-Werken zu finden. Obwohl das Unternehmen deutschlandweit insgesamt rund 1500 Stellen abbauen will, seien so bisher 100 Arbeitsplätze für Mitarbeiter aus Ammendorf gesichert. Für die Belegschaft ist das ein schwacher Trost. Die meisten von ihnen sind in Halle und Umgebung groß geworden, haben dort Haus und Familie und wollen daher nicht weg.

Für die schlechte Auftragslage bei Bombardier in Deutschland machte Witt vor allem die Sparpolitik der Bundesregierung im Verkehrsbereich verantwortlich. Als vor zwei Jahren das Ammendorfer Werk schon einmal kurz vor dem Aus stand, war es Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der Bombardier Aufträge in Milliardenhöhe versprach. Die blieben aber aus.

Auch deshalb hofft auf Schröder von den protestierenden Ammendorfern keiner mehr. „Damals war Wahlkampf, nur deshalb hat der sich überhaupt für uns interessiert“, sagt Schlosser Günter Lessmann. „Jetzt müssen wir uns selber helfen“, sagt er.

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