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Wirtschaft: Vorwürfe gegen deutsche Vorstandschefs: Misserfolg ist kein Kündigungsgrund

In den Führungsetagen deutscher Aktiengesellschaften ist es ungemütlicher geworden. Seit aus den Deutschen ein Volk der Aktionäre geworden ist, müssen sich die Vorstände der Unternehmen Kritik von der breiten Öffentlichkeit gefallen lassen.

In den Führungsetagen deutscher Aktiengesellschaften ist es ungemütlicher geworden. Seit aus den Deutschen ein Volk der Aktionäre geworden ist, müssen sich die Vorstände der Unternehmen Kritik von der breiten Öffentlichkeit gefallen lassen. Enttäuschte Anteilseigner, die die Kurse ihrer Papiere und damit den Wert ihrer Depots in den Keller rauschen sehen, mucken auf. Wie viele Missgriffe kann sich ein Unternehmenslenker in Deutschland leisten, bis er seinen Posten räumen muss?

Kritische Fragen bescheiden die Manager gern mit ausweichenden Antworten. Ob er persönliche Konsequenzen aus dem Debakel bei Chrysler ziehen werde, wurde der Daimler-Chrysler Vorstandschef Jürgen Schrempp bei der Vorlage der Bilanz in der vergangenen Woche gefragt. "Ich wundere mich, dass Sie gerade mich das fragen", antwortete der Manager, der die Fusion der beiden Autokonzerne eingefädelt hatte. Eine Antwort, die wiederum das Publikum verwunderte. "Ein Sanierungsaufwand von drei Milliarden Euro bei Chrysler in diesem Jahr - und bei Daimler-Chrysler will man immer noch nicht zugeben, dass die Fusion eine Fehlentscheidung war", stellt der Würzburger Wirtschaftsprofessor und Kleinaktionärsschützer Ekkehard Wenger fest.

Ähnlich wie Schremmp muss sich auch Telekom-Chef Ron Sommer derzeit gegen die wütende Kritik seiner Aktionäre wehren. "Sommer hat es zu verantworten, dass für die neue Mobilfunktechnik UMTS riesige Beträge ausgegeben wurden", sagt Wenger. "Er hat in der Auktion falsch gepokert." Seit die UMTS-Euphorie verflogen ist, hat die T-Aktie zum Sturzflug angesetzt. Dass die Börsenwerte anderer europäischer Telekommunikationsunternehmen ähnliche Verluste hinnehmen mussten, nutzt Sommer dabei nichts. "Die UMTS-Geschichte ist ein Grund, alle Telekom-Vorstände rauszuwerfen", sagt Wenger.

Fristlose Abberufungen sind selten

Dass ein Vorstandsvorsitzender direkt gechasst wird, ist in Deutschland eine Seltenheit. "Wenn ein Manager keinen unternehmerischen Erfolg hat, dann ist das unschön. Vertragswidrig ist das nicht", sagt Rüdiger von Rosen vom Deutschen Aktieninstitut. Daher ist es auch nicht möglich, einen glücklosen Vorstand einfach zu entlassen. Bevor das passiert, muss es wirklich ganz schlimm kommen. Fristlos abberufen wurde der ehemalige Chef der Metallgesellschaft, Heinz Schimmelbusch, im Dezember 1993. Mit hochspekulativen Ölgeschäften hatte er das Unternehmen in eine existenzbedrohende Krise geführt.

Gewöhnlich verlassen die Vorstände das Unternehmen jedoch im beiderseitigen Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat. So können die Manager wenigstens nach außen ihr Gesicht wahren. Im Februar 1999 legte Bernd Pischetsrieder wegen der Rover-Krise sein Amt als BMW-Chef nieder, nachdem er Managementfehler eingeräumt hatte. Heinz Binder schied im Dezember 1999 aus dem Vorstand des Baukonzerns Philipp Holzmann aus. Der Aufsichtsrat dankte "ihm für die in sehr schwieriger Zeit geleistete Arbeit", wie es in einer Mitteilung des Unternehmens hieß. Bernhard Walter, Ex-Vorstandssprecher der Dresdner Bank, zog aus der gescheiterten Fusion seines Instituts mit der Deutschen Bank die Konsequenz und trat im April 2000 zurück. Sein Vorstandskollege bei der Deutschen Bank, Rolf Breuer, ist immer noch im Amt. Dabei hatte er zuvor ebenso wie Walter versucht, die Aktionäre zu überzeugen, dass die Fusion für beide Bankhäuser eine glänzende Idee sei.

Die harmonische Beziehung zu ihren Kontrolleuren, den Aufsichtsräten, wird die deutschen Konzernlenker nicht mehr lange schützen, denn sie müssen sich im globalen Wettbewerb beweisen. Kein Unternehmenschef war bisher gezwungen, seine Strategie so auf den Prüfstand stellen zu lassen wie Klaus Esser. Der ehemalige Mannesmann-Chef versuchte unter Einsatz einer bis dato beispiellosen Werbekampagne den feindlichen Übernahmeversuch des britischen Mobilfunkkonzerns Vodafone abzuwehren - und scheiterte. Dabei konnten die Aktionäre Esser nicht einmal vorwerfen, er habe bei Mannesmann einen schlechten Job gemacht.

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