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Wirtschaft: VW weist den Weg

WOLFSBURG .Um vier Uhr in der Früh des 25.

WOLFSBURG .Um vier Uhr in der Früh des 25.November 1993 traten VW-Verhandlungsführer Jochen Schumm und IG Metall-Bezirkschef Jürgen Peters in einem Hotel in Hannover vor die Kameras.Was sie zu verkünden hatten, war eine kleine Sensation: Bei Volkswagen wird die Vier-Tage-Woche eingeführt, um 30 000 Jobs zu retten.

Vor fünf Jahren, im Januar 1994, trat der Vertrag in Kraft: 20 Prozent weniger Arbeit, 16 Prozent weniger Jahreseinkommen, dafür aber einen sicheren Job für alle 100 000 Beschäftigten in den sechs westdeutschen VW-Werken."Das war bei VW schon das Bündnis für Arbeit", sagt Hans-Jürgen Uhl, Geschäftsführer des Gesamtbetriebsrates."Vieles von dem, was wir bei VW geschaffen haben, spielt heute auf Bundesebene eine Rolle."

Beide Seiten haben damals Tabus gebrochen und das Feld für Beschäftigungssicherung auch in anderen Betrieben bereitet.Die IG Metall gab mit dem VW-Modell die Forderung nach vollem Lohnausgleich auf.VW durchbrach die Phalanx der Unternehmerverbände, die von Sicherung der Jobs durch Arbeitszeitverkürzung ebensowenig wissen wollten wie die damalige Bonner Koalition.

Bis zu 30 000 Stellen galten nach den Prognosen von VW und IG Metall binnen weniger Jahre als überflüssig.Auf einer Betriebsversammlung im Stammwerk Wolfsburg fanden die Arbeiter auf jedem dritten Stuhl ein Flugblatt: Dieser Arbeitsplatz ist gefährdet.Beklemmung machte sich breit.Entlassungen hatte es bei Volkswagen noch nie gegeben.Dennoch hatten viele Beschäftigte ihre Probleme mit dem neuen Tarifvertrag."Viele haben anfangs nicht verstanden, daß sie Einbußen hinnehmen sollen", sagt Uhl.Rund zehn Prozent büßte die IG Metall bei den folgenden Betriebsratswahlen ein.Heute hat die Gewerkschaft wieder die alte Zustimmung.

Nach zwei harten Jahren 1994/95 zog die Autokonjunktur wieder an.Zudem wirkte sich die offensive Modellpolitik unter VW-Chef Ferdinand Piëch aus.Seither wird bei VW in der Produktion entsprechend des Bedarfs deutlich länger als vier Tage oder 28,8 Stunden pro Woche gearbeitet.In der "atmenden Fabrik" (Piëch) rollen inzwischen an sechs Tagen die Woche Autos von den Bändern.Und dennoch gilt die Vier-Tage-Woche als Tarifbasis.Die Mehrarbeit wird wahlweise ausbezahlt, in Freizeit abgegolten oder auf dem VW-Zeitwertpapier für die spätere Altersteilzeit angerechnet.

Das VW-Modell hatte Pilotcharakter.In vielen hundert mittelständischen Betrieben wurden in schwieriger Lage ähnliche Beschäftigungspakte geschmiedet.BMW kennt inzwischen auch Arbeitszeitkonten.Der Chemiekonzern Bayer hat eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2000 gegeben und dafür Bonusprämien gestrichen.Bei Ford verzichtet die Belegschaft auf Lohnzuwächse und Zuschläge, um Investitionen in den deutschen Standort zu sichern.

ANDREAS MÖSER

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