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© dpa

VW: "Wir kämpfen weiter"

Angela Merkel besucht eine Betriebsversammlung bei VW – und lässt sich als Retterin des Autokonzerns feiern.

Wenn Gerhard Schröder VW in Wolfsburg besucht hat, damals, als er Ministerpräsident in Hannover und später Kanzler in Berlin war, „haben sie nicht so einen Wirbel gemacht“. Am Dienstagmorgen ist dagegen eine Menge los auf dem Werksgelände und der VWler staunt nicht schlecht. Auf seiner Sicherheitsweste, die ihn als Wegweiser für die vielen Besucher der Betriebsversammlung ausweist, steht „IG Metall – wir schützen“. „Der Schröder kam und war wieder weg – man hat gar nicht gemerkt, dass er da war.“

Am Dienstag war Angela Merkel da – und alle sollten bitteschön merken, dass die Kanzlerin eine VW-Betriebsversammlung besucht. Die Zeiten sind unruhig bei Europas größtem Autohersteller mit weltweit 364 000 Beschäftigten. Der Einstieg von Porsche bringt Belegschaften und Eigentümer gegeneinander auf, das VW-Gesetz wackelt, in der Familie Porsche/Piëch rumort es. Deshalb kommt Merkel mit großem Tross und Tamtam, Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) im Schlepptau und etliche Bundestagsabgeordnete. Über 15 000 VW-Beschäftigte erwarten sie in der großen Werkshalle, einigen schüttelt sie die Hand. Im Publikum werden Vfl-Wolfsburg-Trainer Felix Magath, Ex-Umweltminister Jürgen Trittin, Wolfsburgs Oberbürgermeister und „die Kirche“ begrüßt. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh empfängt die Kanzlerin: „Sie und wir“, spricht er Merkel an, „wir sind gemeinsam auf einem guten Weg“. Der Besuch bei VW zeige, dass „Ihnen die Belange von Arbeitnehmern nicht gleichgültig sind – trotz der Angriffe aus dem Süden und aus Brüssel“.

Auf der Bühne, neben dem vollzählig erschienenen Konzernvorstand spielt das VW-Blasorchester auf. An diesem Vormittag soll ein Fanfarenstoß gesendet werden, den man noch in Brüssel und Stuttgart hört: Bund und Land stehen zu VW und zum eben von der Bundesregierung renovierten VW-Gesetz. Es soll dem Land Niedersachsen auch in Zukunft einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke des VW-Standortes sichern. „Das ist nach sorgfältiger Prüfung die Auffassung der gesamten Bundesregierung“, sagt Merkel.

Ob die Brüsseler Wettbewerbshüter die vom Europäischen Gerichtshof erzwungene Neufassung des Gesetzes auch akzeptieren, ist freilich ungewiss. Merkel gibt sich deshalb kämpferisch. Der Markt müsse gestaltet werden und dürfe nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden, das zeige die aktuelle Finanzkrise. „Das VW-Gesetz ist ein solches Element der Gestaltung“, sagt die Kanzlerin. Die Möglichkeit des Landes Niedersachsen, auch mit 20 Prozent seiner VW-Aktien (üblich sind im Aktiengesetz 25 Prozent) zukunftsweisende Entscheidungen bei VW zu beeinflussen oder per Sperrminorität zu verhindern, sei richtig. „Dafür werden wir bei der EU-Kommission mit aller Kraft und Klarheit kämpfen“, ruft die Kanzlerin. „VW ist ein tolles Stück Deutschland“, fügt sie hinzu. Die Halle dankt es der Kanzlerin.

Noch lauter fällt der Beifall aus, als Ministerpräsident Wulff die Sonderstellung des Landes verteidigt und den Vergleich mit Daimler-Chrysler zieht. Die deutsch-amerikanische Autofusion sei gescheitert und habe die Aktionäre 50 Milliarden Euro gekostet. „Jürgen Schrempp hat eine Menge Geld versenkt“, sagt Wulff. „Wir werden andere daran hindern, dass sie bei VW Geld versenken.“ Er begrüße das Engagement von Porsche, aber eine gute Partnerschaft könne nur funktionieren, wenn jeder den anderen respektiere. „Nicht einer allein soll bei VW das Sagen haben. Das galt damals, und das gilt auch heute“, sagt er. Der Erfolg von VW sei nicht trotz, sondern gerade wegen der Beteiligung des Landes zustande gekommen. „Allein Gewinn und Rendite, das kann es nicht sein“, sagt der CDU-Politiker. Wulff, der 2009 wiedergewählt werden will, legt sich ins Zeug. VW habe gute Chancen, der „größte Autozulieferer der Welt“ zu werden – was im Publikum mit Gelächter kommentiert wird. Guter Wahlkampf? „Wir freuen uns über alles, was für VW gut ist – egal, von wem es kommt“, sagt ein Zuhörer im Blaumann.

Dass der „Zulieferer“ VW gerade ein wichtiges Produkt unters Volk bringen will – den neuen Golf – bleibt an diesem Morgen nicht unerwähnt. Ein frisch vom Band hereingerolltes silbergraues Modell wird präsentiert. Man ergötzt sich am „satten und wertigen“ Klang des Türenschlagens, das so gar nicht „japanisch“ klingt. Die Kanzlerin bedauert bei der Sitzprobe, „dass man ihn noch nicht fahren konnte“. Aber der Golf VI sehe – Glückwunsch! – „ganz okay“ aus. Immerhin bekennt sie sich als Golf-Fahrerin seit der deutschen Einheit. Betriebsratschef Osterloh schenkt der Kanzlerin einen Rucksack mit nützlichen Dingen, „damit Sie den Kampf in Brüssel gewinnen“. Merkel packt Thermoskanne und Tasse aus. Nein, in den internen Streit bei VW könne sie sich natürlich nicht einmischen, sagt sie. Aber so viel sei doch erlaubt: „Baden-Württemberger können alles, außer Hochdeutsch“, ruft sie den Wolfsburgern zu, „Sie können Hochdeutsch noch dazu.“ In der Halle bricht Jubel aus. „Wir kämpfen weiter“, verabschiedet sich eine strahlende Merkel. Und das klingt fast wie bei Schröder.

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