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VW: Wolfsburger Affären

Der VW-Prozess geht weiter, jetzt gegen Ex-Betriebsratschef Volkert und Ex-Personalmanager Gebauer. Auf einen "Deal" wollen die beiden sich wohl nicht einlassen - sie plädieren auf Befangenheit und darauf, dass VW sich durch ihr Wirken Geld gespart habe.

"Gebauer, wo bleiben die Weiber?“ Diesen Ruf habe er mehr als einmal gehört, gab Klaus-Joachim Gebauer in einem Interview vor gut zwei Jahren zu Protokoll. Da war der Bestechungs- und Lustreisenskandal bei VW in Wolfsburg gerade aufgeflogen, die Öffentlichkeit gierte nach Details. Wer hatte die Dienste Gebauers in Anspruch genommen? Wer fuhr mit in den Puff? Wer zahlte, wer wurde bezahlt, wer billigte das „System VW“?

Bordellbesuche auf Kosten des Autokonzerns, Schmiergeld in Millionenhöhe an Arbeitnehmervertreter und Abgeordnete, Luxusreisen rund um den Globus – Gebauer, der frühere Personalmanager bei Europas größtem Autokonzern, konnte Geschichten in Hülle und Fülle liefern. Als windige Gestalt stand er auf der Bühne eines Schmierenstücks, das es so in der deutschen Wirtschaft noch nicht gegeben hatte.

Urteil drei Tage vor der Landtagswahl

Am kommenden Donnerstag wird vor dem Landgericht Braunschweig die juristische Aufarbeitung des Skandals fortgesetzt. Als Schlüsselfigur des Dramas sitzt Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert neben Gebauer auf der Anklagebank. Über Jahre hinweg hatte er aus den Händen des ehemaligen VW-Personalvorstands Peter Hartz "Sonderboni“ aus der Firmenkasse in Höhe von fast zwei Millionen Euro erhalten.

Neun Verhandlungstage wurden in Braunschweig angesetzt, 18 Zeugen sind geladen – darunter Hartz, der ehemalige Skoda-Personalchef Helmuth Schuster und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, der jede Verwicklung in den Skandal bestreitet. Am 24. Januar 2008 soll ein Urteil gesprochen werden, drei Tage vor der Landtagswahl in Niedersachsen.

Harte Strafen erwartet

Hartz, der Arbeitsmarktreformer der Schröder-Regierung, hatte in seinem Prozess im Januar dieses Jahres gestanden, den mächtigen Betriebsratschef Volkert mit heimlichen Boni "gekauft“ zu haben. Der erste Prozess der VW-Affäre ging nach einem umstrittenen Justiz-"Deal“ für Hartz glimpflich aus. Weil er ausführlich Auskunft gab, verurteilte ihn das Landgericht nur zu zwei Jahren Haft auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von rund 576.000 Euro.

Volkert und Gebauer müssen sich auf härtere Strafen einstellen. Volkert ist wegen Anstiftung zur Untreue in 48 Fällen angeklagt. Davon sieht die Staatsanwaltschaft in 25 Fällen auch eine Anstiftung zu einem Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Die Anklage wirft Volkert zudem vor, einen Agenturvertrag zwischen VW und seiner brasilianischen Geliebten Adriana Barros nur zum Schein veranlasst zu haben. Knapp 400.000 Euro sollen so an Barros gezahlt worden sein – ohne Gegenleistung. Weitere 290.000 Euro soll das Paar für Reisen, Einkäufe und andere "dienstferne Veranstaltungen“ erhalten haben. Volkert hatte im Herbst 2006 wegen Verdunkelungsgefahr drei Wochen lang in Untersuchungshaft gesessen.

Anwälte wollen keinen "Handel"

Gebauer, der auf Anweisung von Hartz für die Betreuung des Betriebsrats zuständig war, ist wegen Untreue in 40 Fällen angeklagt. Davon soll er in 19 Fällen ein Betriebsratsmitglied begünstigt haben. Der Schaden liegt laut Staatsanwaltschaft bei rund 1,26 Millionen Euro. Gebauer wird zudem Betrug vorgeworfen, den er mit Ex-Skoda-Manager Schuster begangen haben soll. Sie sollen der damaligen Lebensgefährtin Gebauers einen Job bei Skoda verschafft haben – ohne Gegenleistung.

Anders als bei Hartz, so wird erwartet, lassen sich die Anwälte von Volkert und Gebauer nicht auf einen "Handel“ mit der Justiz ein, der bei umfassenden Geständnissen eine milde Strafe erwarten ließe. Im Gegenteil: Volkerts Verteidiger hat vor dem Prozess die Zulassung eines Gutachtens beantragt, das zunächst klären sollte, ob die Dienste Volkerts dem VW-Konzern nicht einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft hätten. Das Gericht lehnte ab. Laut "Focus“ wollen die Anwälte nun im Verfahren argumentieren, VW habe in der 15-jährigen Amtszeit des Betriebsratschefs Millionen eingespart.

Befangener Schöffe?

Gebauers Anwalt, der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, meldete sich vor dem Prozess mit einem Befangenheitsantrag zu Wort. Er richtet sich gegen einen Schöffen, der bei VW arbeitet. Um Hildegard Wolff, Chefanklägerin des Hartz- Prozesses, die mit unbequemen Interviews aufgefallen war, aus der Schusslinie weiterer Befangenheitsanträge zu nehmen, werden zwei Kollegen die Anklage gegen Volkert und Gebauer vertreten.

Die Oberstaatsanwälte Ralf Tacke und Hans-Christian Koch werden am Donnerstag im großen Saal des Landgerichts die Anklageschrift verlesen. Nach Einschätzung aus Justizkreisen droht Volkert einem "Spiegel“-Bericht zufolge eine Gefängnisstrafe von mehr als drei Jahren. Zudem soll ihn eine Schadenersatzforderungen einer sogenannten Directors-and-Officers-Versicherung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro erwarten. Für Gebauer, so heißt es, könnte es auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten hinauslaufen.

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