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Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank versetzte die Finanzmärkte in Unruhe.

© picture alliance / dpa

Währungskurse: Zürich lässt den Franken frei

Die Schweizerische Nationalbank hebt den Euro-Mindestkurs auf. Es ist eine drastische Reaktion auf die Politik der Europäischen Zentralbank.

Von Carla Neuhaus

Der Druck der Finanzmärkte auf die Schweiz war groß. Zuletzt zu groß. Dreieinhalb Jahre lang hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) in Zürich den Kurs des Franken gedrückt – aus Angst, dass die eigenen Exporte im Ausland zu teuer werden könnten und die Schweiz in die Rezession rutscht. Für den Währungstausch legte das Land deshalb einen Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro fest. Am Donnerstag hat die SNB diesen überraschend wieder aufgehoben.

Die Schweizer kapitulieren gegenüber dem Finanzmarkt

Die Schweizer kapitulieren damit gegenüber dem Finanzmarkt. Denn zuletzt fiel es ihnen immer schwerer, den Kurs ihrer Währung künstlich niedrig zu halten. Sie mussten dafür massiv in den Markt eingreifen – also im großen Stil Franken verkaufen und Euro kaufen. Doch das wurde für sie umso schwieriger und teurer, je schwächer der Euro zuletzt wieder wurde. Schlussendlich konnten oder wollten die Schweizer sich das nicht mehr leisten Dennoch kommt die Kapitulation der Schweiz überraschend. Noch Anfang Januar hatte SNB-Präsident Thomas Jordan den Mindestkurs als unverzichtbar bezeichnet. Entsprechend geschockt waren die Händler. Der Euro-Kurs brach ein: Er fiel zeitweise auf 1,1568 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit elf Jahren. Besonders stark gab der Euro im Verhältnis zur  Schweizer Währung nach: Ein Euro kostete zeitweise gerade einmal nur noch 0,85 Franken. Am Aktienmarkt in Zürich sackte der Leitindex SMI zeitweise um 14 Prozent ab – so stark wie nie. Die deutschen Händler jubelten dagegen – nach einem kurzen Abrutschen ins Minus. Der Leitindex Dax kletterte bis Börsenschluss um mehr als zwei Prozent auf über 10 000 Punkte.

In der Krise galt die Schweiz als sicherer Hafen

Die Schweizer Notenbanker hatten es in den vergangenen Jahren nicht leicht. In der Krise gilt das kleine Land als sicherer Hafen. Geht es der Euro-Zone schlecht, wollen Anleger ihr Erspartes sichern und legen es vermehrt in Schweizer Franken an. Seit Ausbruch der Finanzkrise wird diese Entwicklung der Schweiz jedoch zum Verhängnis. Denn je mehr Anleger Franken kaufen, desto stärker wird die Währung – und desto teurer werden Schweizer Produkte im Ausland. Mit dem Mindestkurs wollten die Notenbanker dem entgegenwirken.

Die EZB plant ein neues Anleihe-Kaufprogramm

Dass sie nun nachgeben und den Mindestkurs wieder aufheben, ist vermutlich auch eine Reaktion auf die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn sie plant gerade ein neues Anleihe-Kaufprogramm, um die Wirtschaft in der Euro-Zone zu stärken und einer Deflation vorzubeugen. Verkünden könnten die Notenbanker die Maßnahme bereits kommende Woche. Doch greift die EZB tatsächlich zu diesem Mittel, dürfte das den Euro-Kurs weiter nach unten drücken. Spätestens dann hätten es sich die Schweizer kaum noch leisten können, ihre eigene Währung im Verhältnis zum Euro künstlich niedrig zu halten. So erklärte Thomas Jordan, Präsident der Schweizer Nationalbank, am Donnerstag auch: „Die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume haben sich in letzter Zeit markant verstärkt und dürften sich noch weiter akzentuieren.“ Die Nationalbank sei deshalb „zum Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und die Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt sind.“

Beobachter sind überrascht über die radikale Vorgehensweise

Beobachter sind überrascht, dass die Notenbank gleich so radikal vorgegangen ist – statt den Mindestkurs langsam zu lockern. „Das ist zwar die sauberste Option für die SNB – alle Verbindungen zur Geldpolitik der EZB können nun gekappt werden“, hieß es in einer Analyse der US-Investmentbank JP Morgan. „Aber es ist auch die Option mit dem größten Risiko, den Euro-Franken-Kurs unter den fairen Wert zu drücken, den wir bei etwa 1,10 Franken sehen.“ Ein Analyst der NordLB sprach von einer Panikreaktion der Schweizerischen Nationalbank.

Die Schweizer Wirtschaft wird die Entkopplung belasten

Die Schweizer Wirtschaft wird die Maßnahme in jedem Fall belasten. „Diese Politik könnte sich als enorm teurer Fehler erweisen“, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Denn der Franken wird langfristig gegenüber dem Euro aufwerten.“ Schweizer Exporte dürften damit noch deutlich teurer werden als heute. Auch könnten Touristen etwa aus Deutschland das Land meiden, wenn sie für den Urlaub dort mehr zahlen müssen. Nick Hayek, Chef des Schweizer Uhrenkonzerns Swatch, sprach von einem „Tsunami“ – „sowohl für die Exportindustrie wie auch für den Tourismus und schlussendlich für die ganze Schweiz“.

Geschäfte und Firmen der Grenzregionen in Süddeutschland, Österreich, Frankreich und Italien profitieren dagegen. Bei ihnen dürften künftig noch mehr Schweizer als bisher einkaufen.

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