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Wirtschaft: Wäsche waschen, wenn es stürmt

Die Regierung will den Stromverbrauch steuern

Berlin - Der Anspruch ist ambitioniert: „In Zukunft soll sich die Energienachfrage stärker an das Angebot anpassen.“ So steht es im Energiekonzept der Bundesregierung. Gemeint ist ein vermeintlich simpler Sachverhalt: Wenn es viel Strom gibt, zum Beispiel an stürmischen Tagen viel Windstrom, dann sollen die Verbraucher auch viel Strom verbrauchen. Und umgekehrt natürlich. Solche Zusammenhänge werden am besten über den Preis geregelt, etwa nach dem Vorbild des Tag- und Nachttarifs; in der Nacht ist der Strom günstiger als am Tag. Damit das künftig im viel größeren Maße passiert, müssen intelligente Stromnetze her, Stromspeicher und schlaue Stromzähler sowie schließlich viel stärker differenzierte Stromtarife.

Schon 2008 ist im Energiewirtschaftsgesetz vorgeschrieben worden, dass die Stromversorger bis zum 30. Dezember 2010 „lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife“ anzubieten haben, sofern dies „technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar“ ist. Und genau wegen dieser Einschränkung dürften kaum entsprechende Tarife angeboten werden. Voraussetzung für lastvariable Tarife sind neben intelligenten Stromzählern, die bisher kaum installiert sind, auch besondere Einkaufsbedingungen für Stromversorger auf dem Großhandelsmarkt. Sebastian Gölz vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) verweist auf einen Tariftest im Rahmen des Forschungsprojekts Intelliekon, wonach Kunden solche differenzierten Tarifangebote nur dann annehmen, wenn der Preisunterschied auch deutlich spürbar ist. Ohne solche Anreize lassen sich Verbraucher vom Stromversorger nicht „vorschreiben“, wann sie ihre Wäsche waschen.

Der Berliner Versorger Vattenfall hat in den vergangenen Monaten rund 10 000 Wohnungen im Märkischen Viertel und in Reinickendorf mit intelligenten Stromzählern ausgestattet. Rund ein Viertel davon haben sogar zusätzliche Geräte bekommen, die den Verbrauch „visualisieren“, wie Vattenfall-Sprecher Hannes Stefan Hönemann sagt. Der Stromverbrauch kann dann zum Beispiel auf dem Fernseher genau und in Echtzeit verfolgt werden. Am Ausschlag einer Kurve sieht dann der Hausmann auf dem Bildschirm, wie sich das Einschalten des Staubsaugers oder der Mikrowelle beim Stromverbrauch bemerkbar machen. Dadurch soll der Verbraucher seinen persönlichen Energieverbrauch besser überblicken und irgendwann auch steuern können – entsprechend der neuen Tarife.

Bis die kommen, werden noch viele Kilowattstunden zu allen möglichen Tageszeiten durch die Geräte fließen. Das Pilotprojekt von Vattenfall in Berlin wird im Sommer 2011 ausgewertet. Vielleicht hat bis dahin auch die Regierung ihre vagen Formulierung im Energiekonzept konkretisiert. Damit die lastvariablen Tarife „von den Stromabnehmern auch angenommen werden“, wie die Koalition hofft. Dagmar Dehmer/Alfons Frese

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