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Wirtschaft: Wall will weg aus Berlin

BVG-Aufsichtsrat verkauft Werbefirma VVR-Berek an französischen Konzern / Wall bietet 35 Millionen weniger und geht leer aus

Berlin - Mit großer Enttäuschung hat Hans Wall, Vorstandschef der Wall AG, auf den Verkauf der BVG-Tochter VVR-Berek an seinen französischen Konkurrenten Decaux reagiert. „Das ist ein Armutszeugnis für Berlin“, sagte Wall am Mittwoch kurz nach Bekanntgabe der Verkaufsentscheidung. Sein Unternehmen habe rund 35 Millionen Euro weniger als die Franzosen geboten, die schließlich für 103 Millionen Euro den Zuschlag bekamen. „Doch wenn allein der Preis zählt, dann hat man keine Ahnung von Wirtschaftspolitik“, sagte Wall dem Tagesspiegel. Er sprach von einem „Skandal“, der auch Konsequenzen für das Unternehmen habe. „Wir überlegen jetzt, ob wir unsere Firma und die Produktion nach Hamburg verlegen“, sagte der Firmengründer, der seit Ende der 80er Jahre mit so genannten Stadtmöbeln in Berlin erfolgreich ist. „Das unternehmerische Engagement in Berlin ist aus“, sagte Wall in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung des BVG-Aufsichtsrats unter Führung von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Sarrazin betonte am Abend, Wall sei „als Berliner Unternehmer von uns hoch geschätzt“. Das Vergabeverfahren sei „transparent, fair und objektiv gewesen“, und der Aufsichtsrat „hatte keine andere Wahl, als das Ergebnis dieses Verfahrens zu akzeptieren“. Im Hause von Wirtschaftssenator Harald Wolf hieß es auf Anfrage, der Senator stehe mit Wall im Kontakt und habe bereits am Mittwoch mit ihm telefoniert.

Die VVR-Berek ist tätig mit Plakatwerbung auf Litfaßsäulen, Großflächen, City-Light-Postern und Wartehallen sowie Werbung auf Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen. Im vergangenen Geschäftsjahr erreichte VVR-Berek einen Gewinn von 6,7 Millionen Euro bei 27 Millionen Euro Umsatz. In der Branche war für das Unternehmen ein Preis von etwa 50 Millionen Euro veranschlagt worden. Dass Decaux nun 103 Millionen zahlt, belegt nach Einschätzung von Branchenbeobachtern, wie wichtig den Franzosen der Einstieg auf den Berliner Markt ist. Gegen den Willen von Hans Wall hatte sich Decaux vor einigen Jahren mit 35 Prozent an der Wall AG beteiligt. Auch deshalb dürfte Wall bitter aufstoßen, dass die Franzosen ihm nun mit der VVR-Berek vor der Haustür Konkurrenz machen.

„Auf dem eigenen Heimatmarkt wird so eine Entscheidung getroffen“, zeigte sich Wall denn auch fassungslos. Die Berliner Politik habe einem „Großkonzern“ den Zuschlag gegeben, der „uns kaputtmachen“ wolle. Das sei ein „Skandal“, und „wenn das Herr Wolf und Herr Sarrazin nicht verstehen, dann Gute Nacht“, sagte Wall dem Tagesspiegel.

Detlef Stronk, CDU-Kandidat für das Amt des Wirtschaftssenators, mahnte Wall zur Besonnenheit. Er selbst sei 1987 als Wirtschaftsstaatssekretär an einer Ausschreibung beteiligt gewesen, die Wall damals gegen Decaux gewonnen und ihm damit den Berliner Markt geöffnet habe, sagte Stronk dieser Zeitung. Der CDU-Politiker forderte etwas „Dankbarkeit gegenüber der Stadt, der Herr Wall viel zu verdanken hat“.

Wall pokert womöglich mit einem Umzug nach Hamburg, um dort seine Chancen auf einen Großauftrag zu verbessern. Doch in Branchenkreisen werden die Chancen des Berliners als gering eingeschätzt: „Hamburg ist Decaux-Stadt, das lassen die sich niemals entgehen“, heißt es in Branchenkreisen über die Franzosen, die bereits stark an der Alster vertreten sind.

Nach eigenen Angaben ist Decaux das größte Stadtmöblierungsunternehmen der Welt. Im vergangenen Jahr kamen die Franzosen mit 7900 Mitarbeitern, davon 550 in Deutschland, auf einen Umsatz von 1,75 Milliarden Euro. Weltweit betreibt Decaux 715 00 Werbeflächen. Nach Angaben der BVG hat Decaux das „eindeutig beste Angebot“ abgegeben. Das Übernahmekonzept sehe unter anderem „erhebliche Investitionen“ sowie die Sicherung der gegenwärtig 83 Arbeitsplätze bis 2014 vor.

Die Wall AG erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit 125 Millionen Euro Umsatz einen Gewinn von 6,4 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2006 stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,9 Millionen auf 64,4 Millionen Euro. Besonders stark entwickelten sich die Erlöse in Russland, den USA, Holland und der Türkei. Wall ist in mehr als 60 Großstädten in sieben Ländern vertreten und beschäftigt rund 560 Mitarbeiter, davon 300 in Berlin-Brandenburg. Die so genannten Stadtmöbel entwickelt und produziert das Unternehmen in einem Werk im brandenburgischen Velten.

An Großprojekten hat Wall derzeit neben Hamburg auch Moskau in Arbeit. Da für die verschiedenen Städte zumeist eigene Produktlinien entwickelt werden, sind hohe Vorleistungen fällig. Deshalb gilt die Außenwerbung als sehr investitionsintensiver Bereich, in dem sich nur finanzstarke Firmen behaupten können.

Das Geschehen auf dem Markt hatte in den vergangenen Jahren das Kölner Unternehmen Ströer geprägt. Anfang 2004 übernahm Ströer, damals die Nummer zwei, mit der Deutsche Städte-Medien (DSM) die Nummer eins. Ströer zahlte mit 270 Millionen Euro einen „unglaublich hohen Preis“, wie die Branche noch heute raunt. Damit nicht genug, kaufte Ströer auch noch die Deutsche Eisenbahnreklame für 140 Millionen Euro und setzte sich größenmäßig deutlich von den Wettbewerbern ab.

Schiere Größe gilt bei den Außenwerbern als unverzichtbar, damit ein Kunde, wenn er denn eine flächendeckende Werbekampagne durchführen möchte, nicht mit Dutzenden von Firmen kooperieren muss.

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