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Die Abgeltungsteuer ist ein Auslaufmodell.

© picture alliance / dpa

Wann kippt die Abgeltungsteuer?: Ein Ende ist in Sicht

Mit dem internationalen Kontendatenaustausch entfällt die Rechtfertigung für die Abgeltungsteuer – die Frage ist nur noch, wann sie abgeschafft wird

Ihr Ende rückt näher. Die einst von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) eingeführte Abgeltungsteuer wird mittlerweile in allen Fraktionen des Bundestags zur Disposition gestellt. Die Frage ist nur: Wann wird die Pauschalsteuer auf Kapitalgewinne abgeschafft? Die erste große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Steuer unter dem Eindruck massiver Kapitalflucht und Steuerhinterziehung durch deutsche Vermögende im Ausland eingeführt. Sie sollte Anlagevermögen wieder nach Deutschland bringen durch den relativ niedrigen Steuersatz von 25 Prozent (gegenüber einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent bei der Einkommensteuer). Steinbrücks Begründung damals: Besser 25 Prozent auf x als 42 Prozent auf nix. Damit herrschte jedoch seit 2009 der Zustand, dass Einkommen aus Kapitalanlagen deutlich geringer besteuert wurden als jene aus Arbeit – zumindest bei Steuerzahlern, deren persönlicher Steuersatz höher lag als die 25 Prozent (plus Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer).

Nicht nur die Grünen-Bundestagsfraktion hält den Zustand daher für verfassungswidrig. Sie fordert das baldige Ende der Steuer – nicht nur wegen eines Konflikts mit dem Grundgesetz, sondern auch wegen der Einführung des automatischen Austauschs von Kontendaten über Grenzen hinweg. Mit den Stimmen aller Fraktionen hat der Bundestag am Donnerstag dem Gesetz zugestimmt, mit dem der Datenaustausch mit 74 Ländern geregelt wird. Es gilt ab 2016, der eigentliche Informationsfluss zwischen Banken und Behörden soll Mitte 2017 beginnen. Spätestens dann entfällt eines der Hauptargumente für die Abgeltungsteuer, denn dann weiß der deutsche Fiskus verlässlich, wer wie viel Geld mit Anlagen in diesen Ländern verdient – und kann hierauf Steuer erheben. Grüne und Linke fordern, die Abgeltungsteuer daher noch in dieser Wahlperiode auslaufen zu lassen.

Schäuble will warten bis nach 2017

Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht davon aus, dass die Abgeltungsteuer kippen wird. Aber er will bis nach der Bundestagswahl 2017 warten und dann „darüber nachdenken, ob wir die Steinbrück’sche Steuerreform bei der Kapitalertragsteuer, die ja mit der Unvollkommenheit der Erfassung von Kapitaleinkünften begründet war, zur Disposition stellen“. Der Grund: Die Union hat im Koalitionsvertrag verankert, dass es bis zur Wahl keine Steuererhöhungen geben soll. Für Vermögende bedeutete eine Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz eine höhere Steuerbelastung – während Gering- und Mittelverdiener in der Regel gar nicht oder kaum betroffen wären. Die grüne Steuerpolitikerin Lisa Paus wirft Schäuble vor, dass er davor zurückscheut, sich „Stress mit der eigenen Klientel“ einzuhandeln. Doch gibt es durchaus Probleme im Detail: So haben die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten gerade vor der Abschaffung der Abgeltungsteuer gewarnt, weil dann bestimmte Formen der Unternehmensfinanzierung benachteiligt würden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht ebenfalls zügigen Handlungsbedarf. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte dem Tagesspiegel: „Wenn es Bundesfinanzminister Schäuble ernst meint, kann er mit voller Unterstützung der Gewerkschaften rechnen.“ Aber nur laut zu denken, reiche nicht. Es sei erwiesen, dass mit der Abgeltungsteuer nichts gegen Steuerhinterziehung bewirkt worden sei und sie nur funktioniere, „wenn ausgerechnet die Banken die Rolle der Finanzämter übernehmen“. Es gebe keinen Grund, Dividenden gegenüber Löhnen und Gehältern besserzustellen.

"Auch im Inland Transparenz schaffen"

Thomas Eigenthaler, der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, hält die Abschaffung für geboten. „Die Geschäftsgrundlage für die anonyme Abgeltungsteuer ist weggefallen“, sagte er dem Tagesspiegel. Lange lasse sie sich wegen der internationalen Abkommen nicht mehr halten. „Wenn wir vom Ausland Transparenz verlangen, dann müssen wir diese auch im Inland schaffen.“ Er fordert, nicht nur die Pauschalsteuer zu kippen, sondern auch die automatische Datenlieferung an die Finanzämter einzuführen.

Aber was ersetzt die Abgeltungsteuer? Die wahrscheinlichste Lösung ist die Rückkehr zur Abschlagsteuer auf Kapitaleinkünfte mit endgültiger Abrechnung mit dem Finanzamt über die jährliche Steuererklärung. Und fiele dann der individuelle Freibetrag, der im Zuge der Einführung der Abgeltungsteuer gekürzt wurde, wieder höher aus?

Die Debatte darüber wird kommen, auch wegen der Notwendigkeit stärkerer Eigenvorsorge. Eigenthaler persönlich hält einen Freibetrag von 2000 Euro pro Person für gerechtfertigt (derzeit sind es 801 Euro). Der Fiskus hätte dann dank des in der Regel eingereichten Freistellungsauftrags weniger Aufwand mit Kleinanlegern, die ebenfalls weniger Papierkram erledigen müssten.

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