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Düstere Aussichten. Besonders die befristet Beschäftigten sorgen sich um ihren Arbeitsplatz beim Warenhauskonzern.

© dpa

Warenhäuser: Karstadt fehlt das Profil

Die Verbraucher sind trotz Euro-Krise in Kauflaune. Nur zu Karstadt gehen sie nicht. Das hat Gründe - eine Analyse.

Eine junge Mutter sucht in einer Berliner Karstadt-Filiale nach T-Shirts, ein älterer Mann probiert unter den kritischen Blicken seiner Frau eine Hose an. Für die Kunden ist es ein ganz normaler Tag im Warenhaus. Doch die junge Verkäuferin, die gerade eine Sporthose auf einen Bügel zurückhängt, ist unruhig. Am Montagabend hat sie erfahren, dass Karstadt bis 2014 deutschlandweit rund 2000 Stellen abbauen will. „Ich verstehe das nicht“, sagt sie. „Es sollte doch aufwärts gehen, wir sollten bald wieder unser volles Gehalt bekommen“. Im September endet der Gehaltsverzicht der Mitarbeiter, durch den das angeschlagene Unternehmen seit 2009 insgesamt 50 Millionen Euro jährlich sparen konnte.

Wo genau die Stellen wegfallen, ist noch offen, aber es sollen Ältere früher in Rente gehen und Verträge nicht verlängert werden. Deshalb fürchtet die junge Verkäuferin in Berlin um ihren Job: „Mein Vertrag ist befristet“, sagt sie.

In einer anderen Berliner Filiale sind die Mitarbeiter wütend. „Wir Mitarbeiter müssen es wieder ausbaden“, schimpft ein Verkäufer aus der Herrenabteilung über das Management. „Wir haben immer nur eingesteckt. Und auf unser Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet“, klagt er, während er Pullover zusammenlegt.

Noch vor einem Jahr hatte Karstadt- Chef Andrew Jennings den rund 25 000 Mitarbeitern des Essener Unternehmens versichert: „Das Auslaufen des Gehaltsverzichts und der Mietnachlässe haben wir im unseren Planungen berücksichtigt.“ Damals stellte Jennings das Sanierungskonzept „Karstadt 2015“ vor, das den angeschlagenen Warenhauskonzern wieder in die schwarzen Zahlen führen sollte. Neben der Modernisierung der Häuser wollte Jennings das Sortiment ausmisten, stärker auf Mode setzen und auf Service.

Gerade vor diesem Hintergrund kritisiert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Sparmaßnahmen. „Mehr Umsatz mit weniger Service, das geht nicht“, sagte Sprecher Jan Jurczyk am Dienstag. „Das ist das absolut falsche Signal an die Beschäftigten und die Kunden.“ Schon seit 2009 leisteten die Mitarbeiter ihren Beitrag zur Sanierung, durch den Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. „Durch die Stellenstreichungen zahlen nun wieder die Beschäftigten“, klagt Jurczyk. Deshalb fordert Verdi Investor Nicolas Berggruen auf, mehr Geld in den Konzern zu stecken. „Berggruen investiert nicht genug“, sagt der Verdi-Sprecher.

Seit der Milliardär 2010 bei Karstadt eingestiegen ist, sind 160 Millionen Euro in den Umbau des Konzerns geflossen, bis Ende 2015 sollen es 400 Millionen sein. 24 der 86 regulären Warenhäuser wurden modernisiert, für weitere 36 ist der Umbau geplant. Im Zuge der Umstellung der Sortimente – weg von Elektronik hin zu mehr Mode und Lifestyle-Produkten – soll es bei Karstadt bald 50 neue Marken geben, und die Eigenmarken sollen gestärkt werden.

Nach Ansicht von Experten reicht das nicht, um Karstadt dauerhaft zu stabilisieren. „Karstadt fehlt das Profil, der Kunde weiß nicht, warum er gerade dort einkaufen soll“, sagt Peter Kenning, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Zeppelin- Universität in Friedrichshafen. Früher habe das Unternehmen den Leitsatz „Alles unter einem Dach“ gehabt. „Das trägt in Zeiten von starken Online-Shops und spezielleren Kundenbedürfnissen nicht mehr“, glaubt Kenning. Zudem gebe es zwar einen Bedarf an Service, die Kunden seien aber selten bereit, dafür auch höhere Preise zu zahlen. „Viele lassen sich im Laden beraten und kaufen im Internet“, sagt der Marketingexperte.

Dass Karstadt sich stärker auf Mode konzentriert, sieht Kenning kritisch. „Die Konkurrenz in diesem Bereich ist enorm.“ Ketten wie H & M oder Zara könnten schneller auf Trends reagieren als Karstadt, und im Luxussegment sowie bei den Billiganbietern sei der Markt bereits abgesteckt. „Auch der Druck aus dem Netz durch Anbieter wie Zalando wächst“, sagt Kenning. Bis 2020 sollen rund 20 Prozent der Umsätze des internetfähigen Handels ins Netz wandern, heute sind es Schätzungen zufolge elf Prozent. Zwar sei es richtig, dass das Unternehmen auf Eigenmarken setze. „Aber die Karstadt-Marken sind kaum bekannt, und für eine Marketingoffensive hat der Konzern derzeit kein Geld.“

Nach Kennings Ansicht muss der Konzern deutlich kleiner werden, um überleben zu können. „Die Zahl der Häuser und Mitarbeiter muss weiter sinken.“ Der Experte rechnet in den kommenden Jahren mit einem weiteren Personalabbau. Die Zukunft von Karstadt sieht Kenning in den spezialisierten Bereichen, im Luxussegment, zu dem auch das KaDeWe in Berlin gehört, sowie den Sporthäusern. „Die normalen Filialen werden es schwer haben.“

Die Euro-Krise, die Konzernchef Jennings am Dienstag bei einer Rede vor Mitarbeitern in Essen als Grund für den Sparkurs nannte, sieht Kenning bisher nicht als Problem. „Im Handel ist die Entwicklung derzeit noch eher positiv“. Das bestätigt auch Verdi. „Die Krise halten wir für eine Ausrede“, sagt Sprecher Jurczyk. Auch die Berliner Mitarbeiter sehen das so. „Es kommen genauso viele Kunden wie vorher auch. Vor allem am Sonnabend, wenn die Touristen da sind, ist viel los“, sagt eine Verkäuferin.

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