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Wirtschaft: Warten auf den 30.November

Wenn Ron Sommer heute die Neunmonatszahlen und die Geschäftserwartungen der Telekom vorstellt, wird die für kommenden Montag vorgesehene Preisentscheidung der Regulierungsbehörde im Mittelpunkt stehen, genauso wie sie am Vorabend Thema bei der Vorstellung der Wettbewerbsbilanz des Verbandes der Telekom-Konkurrenten, VATM, war.Wieviel wird es kosten?

Wenn Ron Sommer heute die Neunmonatszahlen und die Geschäftserwartungen der Telekom vorstellt, wird die für kommenden Montag vorgesehene Preisentscheidung der Regulierungsbehörde im Mittelpunkt stehen, genauso wie sie am Vorabend Thema bei der Vorstellung der Wettbewerbsbilanz des Verbandes der Telekom-Konkurrenten, VATM, war.

Wieviel wird es kosten? 47,26 DM? 12 DM? 30 DM? Oder weiterhin 20,65 DM? Die Telekommunikationsbranche kennt seit Wochen nur ein einziges Thema: das "Entgelt für die entbündelte Teilnehmeranschlußleitung".Dieser Begriff aus dem Bürokratendeutsch der Telekommunikationsexperten meint den Preis, den die neu auf den Markt drängenden Telefongesellschaften der Deutschen Telekom zahlen müssen, wenn sie von ihr die letzte Meile Kupferdraht von der Ortsvermittlungsstelle zum Telefonkunden mieten wollen.

Über die Teilnehmeranschlußleitung (TAL) wollen die Wettbewerber Telefonkunden ganz an sich binden: Telefonanschluß plus Ortsgespräche, bisher noch das ausschließliche Monopol der Deutschen Telekom AG, wollen auch Mannesmann Arcor und Mobilcom oder auch Stadtnetzbetreiber wie die Kölner "Netcologne" und die Düsseldorfer "Isis" anbieten.Erst dann wird die Telekom die ganze Härte des freien Wettbewerbs spüren.

Denn noch leben ihre Konkurrenten zum überwiegenden Teil von Einzelverbindungen, sogenannten Call-by-call-Gesprächen.Eine feste Kundenbeziehung entsteht so nicht; die hat bisher alleien die Telekom.Die Höhe der Teilnehmeranschlußleitungs-Monatsmiete wird entscheiden, wie schnell der Wettbewerb in Gang kommt.

Nach dem Telekommunikationsgesetz muß die Telekom ihren Konkurrenten die "letzte Meile" überlassen, damit auch im Ortsnetz Wettbewerb entstehen kann.Als Preis dafür verlangen kann sie lediglich die "Kosten effizienter Leistungsbereitstellung"; jene Kosten also, die einem effizient arbeitenden Unternehmen des freien Marktes unter Wettbewerbsbedingungen entstünden, wenn es diese Infrastruktur für die Ineressenten vorhielte.

Dies soll die Konkurrenz schützen.Mit der umständlichen Konstruktion soll verhindern, daß die Telekom ihre in Monopolzeiten gewachsenen Ineffizienzen ihren Wettbewerbern in Rechnung stellen kann.

Die spannende und heiß umstrittene Frage lautet: Was kostet die effiziente Leistungsbereitstellung der TAL? Sind es 47,26 DM, wie die Telekom verlangt? Oder 12 DM, wie die Stadtnetzbetreiber ausgerechnet haben? Vorläufig hatte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RTP) die monatliche TAL-Miete auf 20,65 DM ohne Mehrwertsteuer festgelegt: etwas weniger als die Grundgebühr der Telekom- Endkunden, die ohne Mehrwertsteuer 21,39 DM beträgt.

Am kommenden Montag nun will RTP-Präsident Klaus-Dieter Scheurle den endgültigen Preis verkünden.Damit entscheidet er über mehr als einen Marktpreis, nämlich über die Pläne der neuen Anbieter, den Aktienkurs der Telekom.Und letztlich auch über den guten Ruf seiner Behörde: Denn jeder Pfennig über 20,65 DM wird als ein Einknicken gegenüber dem ehemaligen Monopolisten Telekom und ihren politischen Freunden bei den Sozialdemokraten gewertet werden.

Jeder Betrag unter 20,65 DM wird Scheurles europaweit gutes Image als Marktöffner und Deutschlands Ruf als Telecom-Valley stärken.Gleichzeitig würde Scheurle im zweiten Fall mit dem Vorwurf leben müssen, den T-Aktionären, deren aktientechnisches Wohlergehen dem neuen, parteilosen, Bundeswirtschaftsminister Werner Müller erklärtermaßen am Herzen liegt, geschadet zu haben.

In der Diskussion um den TAL-Preis verfolgt die Telekom eine riskante Strategie.Immer wieder hat Sommer seine Weigerung, Gewinnprognosen abzugeben, mit der ausstehenden TAL-Entscheidung begründet.Vermutlich soll dies auch dem Ziel dienen, den politischen Druck auf den Regulierer zu erhöhen.

Wenn Scheurle allerdings genausoviel Haltung beweist wie Bundeskartellamtspräsident Dieter Wolf ("Politischen Druck muß man aushalten können"), dann könnte Ron Sommers Strategie nach hinten losgehen.Falls die TAL-Miete unter 20,65 DM bleibt, müssen die Börsenanalysten ihre Gewinnschätzungen für die Telekom gerade wegen Sommers Argumentation zurücknehmen - zumal sich das Unternehmen bei der Bekanntgabe seiner vorläufigen Dreivierteljahreszahlen erstmals verletzlich durch den Wettbewerb gezeigt hat: Für das dritte Quartal des laufenden Jahres gab die Telekom den Marktanteilsverlust bei Ferngesprächen an billigere Anbieter mit einem Viertel an.

In den Verhandlungen bei der Regulierungsbehörde wiederum nutzt die Telekom ihre Chancen bislang zu wenig.Seit Monaten entwickelt die nach dem Gesetz unabhängige Beschlußkammer Kostenmodelle und diskutiert diese mit allen beteiligten Unternehmen; letztlich mit dem Ergebnis, daß es bei der Bestimmung des Preises, der am Ende herauskommt, darauf ankommt, was man anfangs als Kosten eingibt.Umstritten zwischen der Telekom und ihren Konkurrenten sind dabei so gut wie alle Eingangsgrößen: Seien es die Abschreibungszeiträume für die zur Verfügung gestellte Infrastruktur wie Rohre und Kabel oder die Höhe langfristiger Kapitalzinsen.

Während jedoch vor allem die Stadtnetzbetreiber detaillierte Rechnungen vorlegen, erklärt die Telekom große Teile ihrer Kostenrechnungen zum Betriebsgeheimnis.Die Scheurle-Behörde wiederum kann nur nachgewiesene Kosten in das Prüfverfahren einbeziehen.Anders als bei früheren Entscheidungen liegen Erfahrungen aus dem Ausland nicht vor: Nirgendwo, auch nicht in den USA und Großbritannien, gibt es bisher einen regulierten Preis für die TAL.

Wenn Scheurle dem politischen Druck nicht nachgibt, kann die Entscheidung auf Basis der vorliegenden Rechnungen wohl kaum höher ausfallen als 20,65 DM.

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