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Wirtschaft: Warten auf den Aufschwung

Zu den Konjunkturaussichten bleiben die Forscher uneinigVON TOM WEINGÄRTNER, BONNDie Wiederbelebung der Konjunktur hat bislang weder zu neuen Einstellungen bei den Unternehmen noch zu höheren Einnahmen des Staates geführt.Im Gegenteil: die Zahl der Arbeitslosen steigt und das Steueraufkommen geht ­ nicht zuletzt als Folge der geringen Beschäftigung ­ zurück.

Zu den Konjunkturaussichten bleiben die Forscher uneinigVON TOM WEINGÄRTNER, BONN

Die Wiederbelebung der Konjunktur hat bislang weder zu neuen Einstellungen bei den Unternehmen noch zu höheren Einnahmen des Staates geführt.Im Gegenteil: die Zahl der Arbeitslosen steigt und das Steueraufkommen geht ­ nicht zuletzt als Folge der geringen Beschäftigung ­ zurück.Die deutsche Wirtschaft, so formuliert es Rolf Peffekoven, Mitglied im Sachverständigenrates, befindet sich in einem Teufelskreis aus Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit und Haushaltslöchern.Ob die Wirtschaft aus dieser Lage von selbst wieder herausfindet, ist unter den Konjunkturspezialisten umstritten.Noch nicht einmal über die Perspektiven der nächsten 18 Monate herrscht Einvernehmen.Die ungünstigere Prognose stellen tendenziell jene Institute, die das Hauptproblem in der Nachfrageschwäche sehen.Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) etwa geht in diesem Jahr nur von einem Wachstum von 2 Prozent aus.Im nächsten Jahr könnten es 2,5 Prozent werden, sagen die Berliner Forscher.Sie rechnen mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 12 Prozent.Ihre Kollegen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) stecken dagegen den Rahmen der Erwartungen nach oben: 2,6 Prozent im laufenden, 3 Prozent im kommenden Wirtschaftsjahr.Das IfW geht davon aus, daß der Exportboom anhält und der Aufschwung ­ wie in früheren Jahren ­ an Breite gewinnt.Günstig sind auch die Prognosen, die an die Stimmung in der Wirtschaft anknüpfen.Das Geschäftsklima, das vom Ifo-Institut durch Befragung der Manager getestet wird, verbessert sich laufend.Auch der Frühindikator des Handelsblattes tendiert nach oben. Tatsächlich sind die Voraussetzungen für einen Aufschwung so günstig wie lange nicht.Die Gewerkschaften haben nur bescheidene Lohnforderungen durchgesetzt, die schwache D-Mark verstärkt diesen Vorteil außerhalb der EU, die Unternehmen können auf zinsgünstige Kredite zurückgreifen.In der Vergangenheit sah der Konjunkturverlauf so aus: Nach der Bereinigung der Kostenstruktur stieg die Nachfrage nach deutschen Produkten im Ausland, das brachte die Investitionen in Gang und führte zu höheren Einkommen, die dann auch die Inlandsnachfrage wieder auf Touren brachten und zu weiteren Investitionen führten.Seit dem Anstieg der Exporte, der dieses Mal 1993 einsetzte, warten die Wissenschaftler aber vergeblich darauf, daß die Investitionskonjunktur in Gang kommt.Passiert ist bislang das Gegenteil: Die aus den öffentlichen Kassen vor allem im Osten finanzierten Bauinvestitionen befinden sich weiter auf Talfahrt.Die Produktion liegt um etwa drei Prozent über dem Niveau des Vorjahres, die nähert sich mit 85 Prozent zumindest im Westen der Grenze, die normalerweise Investitionen auslöst.Aber in der Investitionsgüterindustrie ist die Stimmung schlechter als in den anderen Branchen.Hinweise, daß sich die Unternehmen darauf einstellen, in Zukunft deutlich mehr zu produzieren, gibt es nicht. Warum die Investitionen dieses Mal den konjunkturellen Anschluß verpaßt haben, ist unklar.Möglich ist, daß sich der Investitionsboom später einstellt und die Konjunktur damit zu ihrem alten Muster zurückkehrt.In diesem Fall würde das Wachstumstempo deutlich hinter dem früherer Phasen zurückbleiben.Dafür spricht, daß die Wiedervereinigung zu einer künstlichen Verlängerung des vorhergehenden Zyklus und zu stärkeren Verwerfungen im Produktionsapparat geführt hat als normalerweise.Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß die Konsumschwäche das Wachstum noch auf Jahre hinaus belastet.Den privaten Haushalten steht immer weniger Kaufkraft zur Verfügung.Ihre Möglichkeit, weniger zu sparen und dadurch den Konsum zu stabilisieren, ist weitgehend ausgereizt.Der Staat trägt dazu durch höhere Steuern bei, er kann aber trotzdem immer weniger investieren, weil er mehr für die Bedienung seiner Schulden ausgeben muß.Die dadurch verursachte Konjunkturflaute wäre dann die späte Folge des Versuchs, das Wachstum in der Vergangenheit durch kreditfinanzierte Ausgaben zu beschleunigen.

TOM WEINGÄRTNER[BONN]

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