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Wirtschaft: Warten auf den Aufschwung

Noch ist die von Rot-Grün ersehnte Konjunkturbelebung nicht in Sicht

Die Zeit der großen Hoffnungen ist vorbei. „Für dieses Jahr ist der Aufschwung abgehakt. Da kommt nichts mehr.“ Joachim Scheide, Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), hat sich den Optimismus abgewöhnt. Nicht ohne Grund: Im vergangenen Winter hatten die Konjunkturforscher ein freundlicheres Wirtschaftsklima und einen ansehnlichen Aufschwung für diesen Sommer vorhergesagt. Nun, kurz vor dem nächsten Wintereinbruch, ist die Stimmung in den Unternehmen noch immer frostig – und ein Wachstumsschub weit und breit nicht zu spüren. „Es ist schon wieder etwas dazwischengekommen“, befindet IfW-Mann Scheide. „Wir müssen warten.“

Schuld an der misslichen Lage sind die Turbulenzen an den Weltbörsen und die Krise in den USA. Schlechte Nachrichten für die Bundesregierung. Denn sie benötigt nichts dringender als ein kräftigeres Bruttoinlandsprodukt (BIP) – sonst frisst sich der Steuer- und Sozialstaat mangels Einnahmen selbst auf. Der Grund: Prosperiert die Wirtschaft nicht, zahlen Bürger und Firmen immer weniger Steuern. So fehlen Bund, Ländern und Gemeinden fünf Milliarden Euro, wenn das Wachstum um einen Prozentpunkt schlechter ausfällt als angenommen. Zugleich treibt die Konjunkturflaute die Arbeitslosigkeit in die Höhe – das wiederum belastet die Kassen von Kommunen und Sozialversicherungen. Chefökonomen führender Banken vermuten, dass in diesem Winter die Zahl der Arbeitslosen auf 4,7 Millionen ansteigen könnte. Steigende Lohnnebenkosten führen zu neuem Stellenabbau – ein Teufelskreis.

Jobs entstehen hier zu Lande erst, wenn das Wirtschaftswachstum über 2,5 Prozent liegt. Zuvor versuchen die Unternehmen um jeden Preis, Neueinstellungen zu vermeiden, denn sie fürchten die Regulierungen und Fallstricke im Arbeitsrecht. Deshalb ging die Arbeitslosigkeit im Jahr 2000 auch nur auf 3,7 Millionen Menschen zurück, obwohl das BIP um 2,9 Prozent zunahm, doppelt so viel wie im Durchschnitt der Neunzigerjahre.

Ob Deutschland bald wieder eine ähnliche Dynamik erreicht, ist ungewiss. Um 1,8 Prozent soll das BIP im kommenden Jahr wachsen, hoffen die Konjunkturforscher nun. Wenn nichts dazwischenkommt. Denn ein möglicher Krieg im Irak, ein explodierender Ölpreis, weitere Börsenturbulenzen oder Steuererhöhungen könnten erneut alle Hoffnungen zunichte machen. Und zugleich die Befürchtungen von IfW-Ökonom Scheide bestätigen. „Wenn die Regierung die nötigen Reformen scheut, wird unsere Wirtschaft über Jahre nicht stärker als ein Prozent wachsen“, orakelt er. „Dabei wären zwei bis drei Prozent möglich – sogar ohne einen starken Boom der Weltwirtschaft.“ brö

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