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Wirtschaft: Warten auf den großen Zampano

Ein Jahr nach dem Vulkan-Konkurs: Sterben auf Raten / Neue Hoffnung wegen Übernahmeinteressenten / Thyssen dementiertVON ECKARD STENGEL, BREMEN Eine Kneipp-Kur mit kalten und warmen Wassergüssen ist gar nichts im Vergleich zu dem Wechselbad, das die Beschäftigten des zusammengebrochenen Bremer Vulkan-Konzerns seit Monaten ertragen müssen.Am Dienstag dementierte die Thyssen Industrie AG Berichte über ein angebliches Interesse an einer Vulkan-Übernahme.

Ein Jahr nach dem Vulkan-Konkurs: Sterben auf Raten / Neue Hoffnung wegen Übernahmeinteressenten / Thyssen dementiertVON ECKARD STENGEL, BREMEN

Eine Kneipp-Kur mit kalten und warmen Wassergüssen ist gar nichts im Vergleich zu dem Wechselbad, das die Beschäftigten des zusammengebrochenen Bremer Vulkan-Konzerns seit Monaten ertragen müssen.Am Dienstag dementierte die Thyssen Industrie AG Berichte über ein angebliches Interesse an einer Vulkan-Übernahme.Genau ein Jahr ist nun vergangen, daß sich die Hoffnung zerschlug, die verlustreiche Firmengruppe sei durch ein Vergleichsverfahren zu retten: Am 1.Mai 1996 ging der Verbund in den Anschlußkonkurs.Dennoch wurde zunächst teilweise weiterproduziert, und einige der früheren Tochterfirmen versuchen inzwischen, außerhalb des Pleitekonzerns zu überleben. Auch die 2000 Beschäftigten der Vulkan-Stammwerft in Bremen-Vegesack hofften eine Weile, mit Gehaltsverzicht und Produktivitätssteigerungen den Untergang abwenden zu können.Doch im Dezember kam die Todesbotschaft: Der Traditionsbetrieb von 1893 soll nur noch zwei Frachter fertigbauen und im kommenden Sommer endgültig schließen.Nun aber keimt plötzlich wieder etwas Hoffnung.Denn ein potenter deutscher Industriekonzern interessiert sich dafür, die Dachgesellschaft "Bremer Vulkan Verbund AG" zu kaufen.Der Name des Investors ist derzeit das bestgehütete Geheimnis der Hansestadt.Thyssen scheint es jedenfalls nicht zu sein.Das wichtigstes Motiv einer Übernahme: Der Käufer könnte den in Bremen aufgelaufenen Milliardenverlust dazu nutzen, seine eigene Steuerschuld zu verringern.Das Finanzamt erlaubt solche Abzüge allerdings nur unter Bedingungen.Das Kaufobjekt muß ein "lebendes Unternehmen" sein und nicht nur ein "leerer Mantel".Zunächst müßte der Vulkan deshalb aus dem Konkurs herausgeführt werden.Dazu bietet sich das selten genutzte Instrument des "Zwangsvergleichs" an: Während vorrangige Gläubiger (wie etwa Banken, die Kredite mit Pfandrechten abgesichert haben) bevorzugt befriedigt würden, könnten die restlichen Forderungen mit einer Einheitsquote abgefunden werden. Bezahlt würden diese Abfindungen in dreistelliger Millionenhöhe von dem Käufer.Der Vulkan-Verbund würde dadurch entschuldet und könnte weiterleben.Die geplante Schließung der Stammwerft ließe sich dadurch allerdings nicht abwenden.Denn die Hansestadt hat sich gegenüber der EU verpflichtet, in Bremen-Vegesack den Handelsschiffbau einzustellen.Nur unter dieser Bedingung durfte der Senat im Dezember noch einmal eine Bürgschaft für den Vulkan übernehmen und damit das seinerzeit drohende sofortige Aus für die Schiffbauer hinauszögern und abfedern. Der mögliche Investor dürfte also nicht länger Frachter zusammenschweißen lassen, sondern würde die Vulkan-Holding vielleicht nur in ihrer Eigenschaft als Beteiligungsgesellschaft fortführen.Statt Werften würde sie dann andere Firmen unter ihre Fittiche nehmen.Ob dabei für Bremen neue Arbeitsplätze herausspringen, ist offen."Ich glaube nicht, daß da Manna vom Himmel fällt und der große Zampano für diverse neue Stellen sorgt", meint der Betriebsratschef der Vegesacker Werft, Wolfgang Dettmer.Schnelle Erfolge sind ohnehin nicht zu erwarten: Nach Ansicht von Finanzsenator Ulrich Nölle könnte sich das ganze Übernahmeverfahren zwei Jahre hinziehen.Ein wichtiges Wort mitzureden hätte dabei die Treuhand-Nachfolgerin BvS.Sie müßte bei einem Zwangsvergleich endgültig auf den Großteil jener 850 Mill.DM Subventionen verzichten, die für die Ost-Werften bestimmt waren, aber bei West-Töchtern versickert sind.Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Vulkan-Übernahme: Der Kaufinteressent müßte erst den Großteil der weit gestreuten Aktien erwerben.Anscheinend versucht er es: In den letzten Tagen wurden auffällig viele Vulkan-Aktien gehandelt.Der Kurs schnellte nach oben. Unterdessen rüsten die Gewerkschaften zum Tag der Arbeit.In Bremen-Vegesack startet der Maiumzug diesmal nicht vor dem Vulkan-Werfttor, sondern vor dem Arbeitsamt, dem künftigen Haupternährer der Schiffbauer.Immerhin wurde der Sturz in die Erwerbslosigkeit etwas abgepuffert: Wer nicht mehr für das Abarbeiten der letzten Aufträge gebraucht wurde, landete bei der eigens gegründeten Beschäftigungs- und Qualifizierungsfirma "mypegasus" und wurde dort auf "Kurzarbeit null" gesetzt - zunächst für ein Jahr, inzwischen noch weiter bis Ende September.Danach werden die 2000 Vegesacker Vulkanesen endgültig in die Arbeitslosigkeit entlassen. Etwas besser sieht die Perspektive für die Belegschaft der Lloyd- und der Schichau-Seebeck-Werft in Bremerhaven aus.Die beiden Betriebe mit einst insgesamt 2500 Mitarbeitern haben sich aus dem Vulkan-Verbund gelöst und machen mit weniger Personal jeweils im Alleingang weiter.Relativ gesichert scheint ferner die Zukunft der Ostsee-Werften, die ebenfalls den Konzern verlassen haben.Als Erfolg verbucht Konkursverwalter Wellensiek auch den Verkauf der Flender-Werft Lübeck und der Vulkan-Anteile an der Motorenfabrik New Sulzer Diesel.Noch nicht in trockenen Tüchern ist dagegen die Veräußerung von STN Atlas Elektronik an Rheinmetall: Das Bundeskartellamt zögert mit der Genehmigung.

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