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An der Spitze. 2014 führt Griechenland die EU-Geschäfte. Foto: AFP

© REUTERS

Wirtschaft: Warten auf die Troika

Finanzinspektoren sagen Reise nach Athen ab – der Streit mit der griechischen Regierung eskaliert.

Athen - Zitterpartie in Athen: Die Prüfer der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds haben ihre für diesen Montag geplante Rückkehr nach Griechenland abgesagt. Die Gegensätze seien so groß, dass eine Anreise der Delegationschefs keinen Sinn ergebe, hieß es in Troika-Kreisen. Damit verzögert sich auch die Freigabe weiterer Hilfskredite für Griechenland.

Der Streit konzentriert sich auf drei Punkte. Die Troika fordert, Massenentlassungen in der Privatwirtschaft zu erleichtern, die staatliche Rüstungsfirma EAS zu schließen und die seit 2008 ausgesetzten Zwangsversteigerungen von Wohnungen, deren Besitzer wegen der Krise ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen können, wieder zuzulassen. Fachleute befürchten, dass dann zehntausende Familien obdachlos werden könnten.

Anders als erhofft, wird es bis zur nächsten Sitzung der Euro-Finanzminister am 9. Dezember keine Einigung geben. Der griechische Finanzminister Giannis Stournaras muss sich auf ein ungemütliches Treffen einstellen. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem hatte bereits vor zehn Tagen gewarnt, viele Minister begännen die Geduld mit Griechenland zu verlieren.

In griechischen Regierungskreisen hofft man, die Verhandlungen bis zum Jahresende erfolgreich abschließen zu können, damit kein Schatten auf die am 1. Januar beginnende griechische EU- Ratspräsidentschaft fällt. Aber in der Regierungskoalition gibt es wachsende Widerstände. Für weitere Einschnitte findet sich wahrscheinlich im Parlament keine Mehrheit. Der konservative Ministerpräsident Antonis Samaras und sein sozialdemokratischer Vizepremier Evangelos Venizelos wollen an diesem Montag bei einem Krisentreffen über die Lage des Landes beraten.

Unterdessen gibt es auf beiden Seiten zunehmende Frustration. Während die Troika der Regierung vorwirft, sie sei mit längst überfälligen Reformen im Rückstand, wächst in der griechischen Öffentlichkeit die Wut auf die Inspekteure der Gläubiger. Die Realeinkommen sind seit Beginn des Sparprogramms um 38 Prozent gesunken, die Arbeitslosenquote beträgt fast 28 Prozent. Ende vergangener Woche stufte Moody’s als letzte der drei großen Rating-Agenturen die Bonität des Landes herauf: Im kommenden Jahr werde die griechische Wirtschaft die Rezession überwinden, erwarten die Experten. Für Empörung unter den Griechen sorgte am Wochenende die einem Troika-Mitarbeiter zugeschriebene Äußerung, wenn die Regierung eine soziale Politik betreiben wolle, solle sie lieber Obdachlosenunterkünfte für die Opfer der Zwangsversteigerungen bauen.

Ministerpräsident Samaras wird am Mittwoch in Brüssel erwartet. Anlass des Besuchs bei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso war eigentlich die griechische Ratspräsidentschaft. Aber das Troika-Thema dürfte breiten Raum einnehmen. Beobachter in Athen sehen den Dezember bereits als Schicksalsmonat, der über Sturz oder Fortbestand der Regierungskoalition entscheiden könnte. Samaras ist nicht nur mit der Troika konfrontiert, sondern auch mit massiven Streiks an Universitäten und im staatlichen Gesundheitswesen. Gerd Höhler

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