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Wirtschaft: Was der Fall Schrempp lehrt

EDITORIALS DaimlerChryslerChef Jürgen Schrempp musste vergangene Woche vor einem US-Gericht aussagen, warum sein Unternehmen sich weigert, für eine flapsige Bemerkung von vor drei Jahren zwei Milliarden Dollar zu zahlen. Auf diese Schadenersatzsumme hat der US-Investor Kirk Kerkorian die Firma verklagt: mit der Begründung, er sei „getäuscht“ worden.

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DaimlerChryslerChef Jürgen Schrempp musste vergangene Woche vor einem US-Gericht aussagen, warum sein Unternehmen sich weigert, für eine flapsige Bemerkung von vor drei Jahren zwei Milliarden Dollar zu zahlen. Auf diese Schadenersatzsumme hat der US-Investor Kirk Kerkorian die Firma verklagt: mit der Begründung, er sei „getäuscht“ worden. Er habe, ohne es zu wissen, für eine Übernahme Chryslers durch den deutschen Autobauer gestimmt, weil sie ihm als „Fusion unter Gleichen“ verkauft worden sei. Das US-Gericht muss entscheiden, ob Kerkorian daraus ein Anspruch auf Schadenersatz erwächst.

Interessanter indes ist die Frage, wie dieser Rechtsstreit überhaupt vor Gericht kommen konnte. Die Antwort mag darin zu finden sein, dass feindliche Übernahmen in den USA heutzutage kaum noch vorkommen. Denn seit den Sechzigerjahren sind Behörden, Richter und Gesetzgeber bemüht, Aktionären die Möglichkeit zu versagen, an einen „Angreifer“ zu verkaufen. Der US-Ökonom Henry Manne hat herausgefunden, dass heute weniger die Eigentümer eines Unternehmens von einer feindlichen Übernahme profitieren, sondern vor allem das Management. So werden Spitzenführungskräfte dafür honoriert, eine Fusion zu befürworten. Das ist im Grunde das Motiv für die Klage Kerkorians.

Die EU hat nun die Gelegenheit, den USA auf diesem Schauplatz eine Nasenlänge voraus zu sein. Denn Europa verhandelt derzeit eine Übernahme-Richtlinie, die grenzüberschreitende Fusionen innerhalb der EU erleichtern soll. Zumindest einige Versionen der erwogenen Regulierungen würden das Recht des Managements, sich auf Kosten von Aktionären zu schützen, einschränken. Letzten Monat zeigte sich EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein jedoch frustriert darüber, dass es Deutschland wieder einmal gelungen sei, die Übernahme-Richtlinie zu verwässern. Vielleicht sollten die Deutschen mal über den Atlantik blicken und überlegen, wie DaimlerChryslers Vorstandschef dorthin gekommen ist. In Europa einen funktionierenden Übernahme-Markt zu schaffen, ist kein Programm für Investoren und Manager, sich schnell zu bereichern. Es ist ein Weg, ehrliches Management und wettbewerbsfähige Unternehmen zu bewahren.

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