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Wirtschaft: Was ist die sogenannte Beschäftigungsschwelle?

Um bis zu zwei Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr zulegen. Doch entlastet die freundliche Konjunktur nicht den Arbeitsmarkt - eher ist sogar das Gegenteil der Fall, wie empirische Untersuchungen ergeben.

Um bis zu zwei Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr zulegen. Doch entlastet die freundliche Konjunktur nicht den Arbeitsmarkt - eher ist sogar das Gegenteil der Fall, wie empirische Untersuchungen ergeben. Demnach ist nicht jeder Aufschwung mit einer Zunahme der Arbeitsplätze verbunden. Erst ein kräftiges Plus der Wirtschaftskraft erhöht die Zahl der Stellen. Ab welcher Quote die Arbeitslosigkeit tatsächlich fällt, das drückt die so genannte Beschäftigungsschwelle aus. Sie lag beispielsweise, so hat Horst Siebert von der Universität Kiel ausgerechnet, in der Deutschland von 1970 bis 1996 bei rund 1,8 Prozent. Siebert hat auch errechnet, um wie viel die Zahl der Arbeitsplätze sich erhöht, wenn der Aufschwung sich oberhalb der Beschäftigungsschwelle stabilisiert. Jeder zusätzliche Prozentpunkt eines Aufschwungs oberhalb der wichtigen Schwelle hat demzufolge nur etwa 0,5 Prozent mehr Arbeitsplätze erbracht. "Wirtschaftswachstum ist nicht Beschäftigungswachstum", warnt der Professor.

Kein Wunder, dass das Bruttoinlandsprodukt über Jahrzehnte deutlich gewachsen ist, ohne dass die Beschäftigung mitgekommen wäre. Umgekehrt gilt das Phänomen leider nicht: Sobald die Unternehmen unter einer Rezession litten, bauten sie Arbeitsplätze ab - und ließen die Arbeitslosigkeit ansteigen. So war es 1975 nach der ersten Ölkrise, 1982 in der zweiten Ölkrise und 1993 nach dem Ende des Vereinigungsbooms. Wirtschaftswachstum ist also gut für den Arbeitsmarkt - ohne eine wachsende Wirtschaft gibt es keine neuen Arbeitsplätze. Freilich genügt Wachstum alleine nicht. Immerhin ist es nicht überall so wie in Deutschland. Man kann also etwas für eine niedrigere Beschäftigungsschwelle tun. Laut einer OECD-Studie lohnen sich Reformen hin zu einem flexibleren Arbeitsmarkt: So brachte jedes Prozent Aufschwung von 1990 bis 1997 durchschnittlich in Deutschland ein Minus an Erwerbstätigen, in den USA hingegen 0,5 Prozent mehr, in den Niederlanden sogar 0,7 Prozent mehr Beschäftigung.

jhw

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