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Nicht zu direkt. In der Zusammenarbeit mit Chinesen sollte man ein „Nein“ besser vermeiden. Besser kommt an, zu sagen: „Wir sehen, was wir tun können“. Foto: Imago

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Wirtschaft: Was passt?

Von der Dienstreise nach China bis zum Essen mit dem amerikanischen Kollegen zuhause: Im internationalen Business ist interkulturelle Kompetenz gefragt. Was Experten raten

Deutsche gelten als Perfektionisten. Bevor sie nicht mindestens einen Sprachkurs durchgearbeitet haben, wagen sie es nicht, sich in einer fremden Sprache zu versuchen – schon gar nicht bei geschäftlichen Terminen. Ein Fehler, findet Yuhong Li. Die Chinesin leitet an der Spandauer Volkshochschule den Kurs „Kulturknigge China“ und verteilt ein Blatt mit phonetisch übersetzten Höflichkeitsfloskeln. „Chinesen sind begeistert, wenn Sie sich die Mühe machen, einige Sätze ihrer Sprache zu lernen“, sagt sie. Das zeige Respekt, eine wichtige Grundeigenschaft, wenn man sich auf internationalem Parkett bewegt.

Die sieben Teilnehmer des Kurses machen sich Notizen. Zu ihnen zählt Sanna Rehfeld, gelernte Stadtplanerin, die heute als Feng Shui Beraterin arbeitet. Sie plant eine Studienfahrt nach China und hat bereits Bücher mit Verhaltenstipps gelesen. „Weiß ist die Farbe der Trauer. Daher sollte man keine Geschenke in weißes Papier verpacken“, erzählt sie. Auch von gelb sei abzuraten: Das sei die Farbe des Kaisers. Gut hingegen sei rot, ergänzt die Dozentin Li. „Auch Hochzeitskleider in China sind rot, diese Farbe soll Böses abhalten und steht für Erfolg.“ In der Gruppe sitzt auch ein Paar aus Hohenschönhausen, das zu einer Hochzeitsfeier in China eingeladen ist und jetzt fleißig mitschreibt.

Auch die Positionen, die Personen innehaben, spielen in China eine bedeutende Rolle. „Sie müssen den Angestellten klar machen: ‚Ich bin hier der Chef!', auch wenn das Deutschen unangenehm ist“, sagt Yuhong Li. Lade man seinen Fahrer zum Beispiel zu sich nach Hause ein, könne es gut sein, dass dieser den Gastgeber danach weniger respektiere.

HIERARCHIEN BEACHTEN

Hinsichtlich der Hierarchien gibt es interkulturell viele Fallstricke, weiß auch die Diplom-Psychologin Ute Clement. In ihrem Buch „Kon-Fusionen: Über den Umgang mit interkulturellen Business-Situationen“ schildert sie folgendes Beispiel: Einige deutsche Jungmanager arbeiten an einem Projekt in Mexiko. Mittags bestellen sie oft Pizza. Nach einiger Zeit macht ihr mexikanischer Vorgesetzter sie darauf aufmerksam, dass er es nicht gerne sieht, wenn im Büro gegessen wird.

Am nächsten Tag isst der Chef am Arbeitsplatz selbst eine Pizza. Die Deutschen sind verärgert. Der Chef reagiert konsterniert: Wie können seine Mitarbeiter davon ausgehen, dass die Regeln auch für ihn gelten? „Für Deutsche ist eine solche Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern schwer zu akzeptieren“, sagt Clement.

Auch viele chinesische Gebräuche sind Deutschen eher fremd, weiß Yuhong Li. „Im asiatischen Raum ist Alter eine Determinante von Status.“ Wenn eine deutsche Firma etwa einen Standort in China aufbaue, seien wichtige Funktionen mit älteren Mitarbeitern zu besetzen. Einem Mitarbeiter um die 30 Jahre würde nicht der Status zugebilligt, um mit den chinesischen Partnern auf Augenhöhe zu verhandeln – unabhängig von seiner Kompetenz.

KOMMUNIKATION: LIEBER INDIREKT

Ein „typisch deutscher“ Fehler sei es, im Ausland in gleicher Weise wie zuhause zu kommunizieren. Deutsche betrachten Small Talk und „nicht gleich zur Sache kommen“ oft als Zeitverschwendung. In anderen Kulturen sei die Kommunikation indirekter, belegen Heinz Commer und Johannes von Thadden in ihrem Buch „Managerknigge“ mit vielen Beispielen.

So sei es wunderbar, vor einem britischen Publikum eine Präsentation durchzuführen. Immer würden von den Zuhörern lobende Worte gefunden. Dann erst kommt unter Umständen eine Kritik. Deutsche hören dann oft nur den ersten Teil der Aussage und ihnen entgehe das zurückhaltend geäußerte negative Urteil.

In vielen Kulturen ist es aber üblich, Ablehnung vorsichtig zu kommunizieren. Während ein „Ja“ in Deutschland Zustimmung, ein „Nein“ Ablehnung bedeute, sei das in ihrem Heimatland komplizierter, sagt Dozentin Li. „In China niemals ‚nein' sagen, sondern ‚Wir sehen, was wir tun können'. Die Botschaft ist die gleiche“, rät sie daher.

Deutsche gehen davon aus, dass Gesagtes und Gemeintes übereinstimmen, jede Äußerung also verbindlich ist. Doch wenn ein Geschäftspartner bei einem Treffen in den USA sagt „Oh, let's have lunch together sometime“, heißt das nicht, dass man gleich im Terminkalender blättern sollte. Der Satz bedeutet: „Ich fand sie nett und könnte mir vorstellen, irgendwann einmal mit ihnen essen zu gehen“, warnt die Psychologin Clement vor Missverständnissen.

VIEL ZEIT MITBRINGEN

Für Geschäftsreisen in den Mittleren Osten, Nordafrika und asiatische Länder sollte man ein großzügiges Zeitbudget kalkulieren, empfehlen Knigge-Ratgeber.

„Gott ist mit den Geduldigen“ heiße ein weit verbreitetes Sprichwort, sagt Clement. Längere Wartezeiten dürfe man auf keinen Fall persönlich nehmen oder gar den Geschäftspartner deswegen tadeln. Wenn in Deutschland ein Meeting angesetzt ist, kann man davon ausgehen, dass alles wie vereinbart abläuft. In vielen anderen Kulturen dagegen muss man Termine fortlaufend bestätigen, um sicher zu stellen, dass sie auch stattfinden. Generell sollte man sich, bevor man ein Meeting festlegt, vergewissern, dass der Termin nicht mit den kulturellen Gepflogenheiten des Partners kollidiert. Ein interkultureller Kalender mit Gedenktagen und Ferien sei deshalb unersetzlich.

Die weltweiten kulturellen Feinheiten kann natürlich niemand verinnerlichen. Das ist aber kein Grund zu verzweifeln, denn in einem Punkt sind sich interkulturelle Benimmratgeber einig: Meist wird ein Patzer verziehen, wenn sich der Verursacher entschuldigt.

„Wer respektvoll mit seinen Mitmenschen umgeht, hat vielleicht nicht vollendete, aber schon gute Manieren“, ist der letzte Rat, den die Dozentin Li den Teilnehmern ihres Kurses mit auf den Weg gibt.

Annette Leyssner

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