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Wirtschaft: Washington hüllt sich noch in Schweigen

Die Amerikaner machen die Zukunft des Euros vom politischen Überleben Helmut Kohls abhängig / Doch Zweifel an der StabilitätVON ROBERT VON RIMSCHA, WASHINGTONDen Bürger auf der Straße bewegt er nicht.Den Bürger, der Tourist in der alten Welt war, dagegen schon.

Die Amerikaner machen die Zukunft des Euros vom politischen Überleben Helmut Kohls abhängig / Doch Zweifel an der StabilitätVON ROBERT VON RIMSCHA, WASHINGTON

Den Bürger auf der Straße bewegt er nicht.Den Bürger, der Tourist in der alten Welt war, dagegen schon."Pro hundert Kilometer eine neue Währung - das ist doch wahnsinnig.Nach jedem Europa-Trip habe ich Berge voller seltsamer Münzen", räsonniert Dennis Muldoon, ein Ingenieur bei Hewlett Packard.Er ist für den Euro, aus ganz praktischen Gründen. Joe Kulenovic ist auch für den Euro.Kulenovic arbeitet für die Weltbank."Bei uns ist der Euro kein großes Thema.Wir berechnen ohnedies alles auf Dollar-Basis", sagt der gebürtige Kroate.Wenn er für den Euro ist, dann aus symbolischen Gründen.Europa, so findet er, solle zusammenwachsen. Das politische Washington tat sich lange schwer mit der geplanten Einheitswährung.Erst hielt man den Euro für einen schlechten Witz, ein Hirngespinst, mit dem Helmut Kohl davon ablenken wollte, daß Deutschland nach der Vereinigung stärker war als zuvor.Chancen gab man dem ehrgeizigen Projekt kaum.Das hat sich geändert.Offiziell schweigt die Regierung noch immer; der zuständige Vizeminister im Außenministerium, Alan Larson, will jede Einmischung vermeiden und sagt lediglich, man sei stets für europäische Integration, habe aber zum Euro keine dezidierte Meinung. Skepsis zeigt allerdings die Geschäftswelt.Marino Marcich ist der Direktor für internationale Investitionen beim Nationalen Verband der Produzierenden Industrie, der mit 14 000 Mitglieds-Unternehmen rund 85 Prozent der US-Industrie vertritt."Ich glaube weiter, daß der Euro kommt, aber entweder werden die Kriterien verwässert oder er kommt später", sagt er.Er hält die Frage nach dem Euro für "größtenteils theoretisch".Seine Mitglieds-Unternehmen seien an konkreten Investitionsbedingungen mehr interessiert als an "netten Ideen".Eine für Mai geplante Konferenz über den Euro hat der Verband auf unbestimmte Zeit verschoben. Auch der Kongreß plant im Sommer den Beginn von Experten-Anhörungen zum Thema, wie aus dem Unterausschuß für internationale Finanzen zu hören ist.Dabei soll unter anderem geklärt werden, ob der Dollar durch den Euro Konkurrenz als Leitwährung bekommen könnte.Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.Bundeswirtschaftsminister Rexrodt meinte nach seinen Gesprächen vor einem Monat in Washington: "Die Dominanz des Dollars als Reservewährung ist mittelfristig in Frage gestellt." Doch auch der FDP-Politiker erhielt wenig konkrete Kommentare über die möglichen Auswirkungen der Euro-Einführung.Die Zeitungen sind offener.Thomas Friedman nannte den Euro in der "New York Times" "ein gewagtes Würfelspiel" und meinte, es sei noch zu früh, über seine Stärke oder Schwäche zu entscheiden.Kräftigere Worte fand im selben Blatt Jacob Heilbrunn."Europa läßt sich auf Falschgeld ein", schrieb der Kommentator, und sagte voraus, statt der nötigen "Thatcherisierung" Europas werde es einen schwachen Euro und daher noch mehr Nachfrage nach dem Dollar geben. Unter Ökonomen in den USA ist dies eine Dauerdebatte: Der Euro wird zwar nicht länger als Witz gesehen.Doch die Kernfrage bleibt, wie von der "Times" formuliert: "Lenkt der Euro davon ab, daß Europa grundlegende wirtschaftliche Strukturreformen braucht?" Der Druck der Euro-Kriterien wird in den USA weithin als dringend notwendiger Impuls für längst überfällige Reformschritte gesehen - aber gleichzeitig auch als Sündenbock, falls sich Austerität bei den eigenen Wählern nicht mehr verkaufen läßt. Amerika macht das Schicksal des Euro indes noch von einem anderen politischen Schicksal abhängig: dem Helmut Kohls.Ohne Kohl würde es für den Euro wesentlich schwieriger, spekuliert die "New York Times" offen.Die Sorge gilt allgemein einem Kontinent, der seine Währungen zusammenlegt, ehe er dasselbe mit seiner Wirtschaft tut.Vielen amerikanischen Kommentatoren fällt auf, daß gerade Kohls Deutschland den Euro und die Einigung gemäß der Maastricht-Verträge bislang recht obrigkeitsstaatlich exekutiert."Haltet eine Volksabstimmung ab, wagt doch mal Demokratie!", rief jüngst Robert Gerald Livingston, Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Instituts in Washington.Mit Erstaunen registrieren viele Beobachter von jenseits des Atlantiks, daß keine deutsche Partei Kritik an Maastricht und dem Euro übt, obwohl beide umstritten sind. Einige US-Unternehmen sind den Europäern dagegen schon voraus.Microsoft etwa verwendet für die unternehmensinterne Abrechung bereits seit längerem den Ecu - der dann allerdings, wenn es um die Berechnung der Umsatzrendite der einzelnen Länder-Filialen geht, in "real money", die reale Landeswährung, umgerechnet wird.Andere große US-Firmen beginnen erst, von ihren europäischen Ablegern Planskizzen zum Umgang mit dem Euro einzufordern.Die Generallinie dabei faßt Stephen Canner vom "US Council for International Business" zusammen: "Die Geschäftswelt ist für den Euro.Die Kosten für alle Transaktionen über den Atlantik gehen zurück." Eine britische Sonntagszeitung, die jüngst einen Artikel über Amerikas Wahrnehmung des Euro schreiben wollte, stellte das Projekt wieder ein: Es waren keine klaren Aussagen zu bekommen, was die Regierung in Washington erwartet und wie das Erwartete bewertet wird.Die US-Presse ist offener.Das "ehrgeizigste europäische Projekt seit der bolschewistischen Revolution" werde in jedem Fall US-Spekulanten ausreichend Gelegenheit geben, reich zu werden.

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