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Wirtschaft: Wege aus der Abseits-Falle

Schon auf der letzten Ila hatte der französische Verkehrsminister im Rahmen der Airbus-Ministerkonferenz durchblicken lassen: die Privatisierung von Airbus Industrie und der Aufbau eines umfassenden Europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns unter dem Arbeitstitel European Aerospace and Defence Company (EADC) werde nicht an den Franzosen scheitern.Die in diesen Tagen angekündigte Teilprivatisierung des französischen Staatsunternehmens Aérospatiale zeigt - Jean-Claude Gayssot hat nicht zuviel versprochen.

Schon auf der letzten Ila hatte der französische Verkehrsminister im Rahmen der Airbus-Ministerkonferenz durchblicken lassen: die Privatisierung von Airbus Industrie und der Aufbau eines umfassenden Europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns unter dem Arbeitstitel European Aerospace and Defence Company (EADC) werde nicht an den Franzosen scheitern.Die in diesen Tagen angekündigte Teilprivatisierung des französischen Staatsunternehmens Aérospatiale zeigt - Jean-Claude Gayssot hat nicht zuviel versprochen.Im gemeinsamen Bemühen, der unliebsamen US-Dominanz dauerhaft Paroli bieten zu können, sind die Europäer jedenfalls einen kleinen Schritt weitergekommen.Bis vor kurzem schließlich war noch völlig ungewiß, ob Frankreich den Weg für eine Privatisierung so ohne weiteres freimachen würde.Das aber bleibt Voraussetzung für die geplante Umstrukturierung von Airbus Industrie - dem Herzstück der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie.Ein Plan ohne Alternative.

Die Fusion von Boeing und McDonnell Douglas vor zwei Jahren hat den Europäern die Augen geöffnet.Als sich Boeing, Hauptkonkurrent von Airbus, mit dem fest im Militärgeschäft verankerten Konkurrenten verband, wurde auch den Politikern klar: Ohne entsprechenden Verbund von ziviler und - öffentlich geförderter - militärischer Luftfahrtindustrie würde Europa mit dem Herausforderer Amerika nicht mithalten können.Nur, schon die Größenverhältnisse (vgl.Graphik oben) lassen keine anderen Schlüsse zu.Wollen die Europäer ihren Einfluß nicht verlieren, müssen sie handeln.Immerhin gilt die strategische Industrie mit ihrem enormen Forschungs- und Entwicklungspotential als einziger Hochtechnologie-Zweig, mit dem Europa einen Außenhandelsüberschuß erzielt.Grund genug, die unübersichliche Gemengelage in der Branche, das vielfältige Nebeneinander von Firmen - teils privat, teils staatlich - endlich zu beenden und die Kräfte zu bündeln.Nur so trägt man am Ende auch dem wachsenden Bedarf an Kapital und Know-How Rechnung, nur so läßt sich eine rentable Marktpräsenz realisieren.

Das aber heißt auch: der erklärte Wille der vier Airbus-Teilhaber - der deutschen Daimler Benz Aerospace AG (Dasa), der französischen Aérospatiale, von British Aerospace und der spanischen Casa - aus der losen Interessengemeinschaft Airbus eine private, börsennotierte Aktiengesellschaft zu formen, die ungeachtet nationalstaatlicher Egoismen endlich wie ein richtiges Unternehmen arbeiten kann, und auch neuen Gesellschaftern, wie der italienischen Alenia oder der schwedischen Saab, offensteht, kann nur ein erster Schritt sein.

Vor allem darf die derzeit außerordentlich gute Auftragslage von Airbus nicht zu falschen Schlußfolgerungen führen.Guten Zeiten sind noch immer schlechte gefolgt.Vorsorge tut also Not.Außerdem: so rosig wie im zivilen Flugzeugbau sieht es in Europas Wehrtechnik bekanntlich längst nicht aus.Erst unlängst gab Yves Michot, Chef von Aérospatiale und Präsident des Verbandes der europäischen Luftfahrtindustrie, eine treffende Zustandsbeschreibung.Das Entscheidende dabei ist zweifellos, daß die US-amerikanische Industrie mit rund 60 Prozent ungleich mehr von staatlichen Aufträgen profitiert als die Firmen in Europa, die nur noch etwa ein Viertel ihres Auftragsbestandes der öffentlichen Hand zu verdanken haben.Tendenz fallend.

Für die Deutschen und Briten ist die Privatisierung kein Problem.In beiden Ländern hat sich Vater Staat schon vor Jahren aus der Produktion zurückgezogen; sowohl zivile wie militärische Luft- und Raumfahrt werden hier in privater Regie betrieben.Selbst für die Spanier, wo der Staat noch das Sagen hat, ist der Wechsel keine unüberwindbare Hürde.Anders liegt der Fall in Frankreich.Hier gehört staatliche Kontrolle sozusagen zur Tradition.Das erklärt auch, daß in Frankreich, anders als etwa in Deutschland oder Großbritannien, der Luftfahrtindustrie bislang Umstrukturierungen und mithin auch Entlassungen im großen Stil erspart geblieben sind.Verständlich, daß Paris sich, abgesehen von diversen ordnungspolitischen Bedenken, nicht mit allzu großem Elan an eine konsequente Privatisierung heranwagt.

Trotzdem: Der einvernehmliche Wille der Politik, etwas gegen die Konzentration in den USA zu unternehmen, ist unübersehbar.Weitgehend einig ist man sich auch darin, sich - soweit möglich - auf die Regelung der Rahmenbedingungen, wie Besteuerung oder Fördermaßnahmen, zu beschränken.Der Aufbau des neuen Unternehmens soll hingegen völlig der Industrie überlassen werden.Und: Grünes Licht für den Start wurde auch schon gegeben.Anfang 1999 stellte Norbert Lammert, Bonner Koordinator für Raum- und Luftfahrt, in Aussicht, soll die Airbus AG antreten.

Daß sich mittlerweile auch die Franzosen bewegen und ihre Bereitschaft zur Neuordnung der Industrieaktivitäten erkennen lassen, bringt die Europäer einen großen Schritt weiter.Zu verdanken ist das wohl nicht zuletzt Manfred Bischoff.Unermüdlich hat der Dasa-Chef und Airbus-Aufsichtsratsvorsitzende in den vergangenen Jahren seine Gemeinde auf Privatisierungskurs eingeschworen.Gemeinsam mit seinem Kollegen, dem neuen Konzernlenker von Airbus, Noel Forgeard, der über einschlägige Erfahrungen in der französischen Verteidigungstechnik verfügt, steht Bischoff an der Spitze der Bewegung, die mit Akribie den Aufbau eines umfassenden Europa-Konzerns vor Augen hat.Schwierig ist das ganze Unterfangen vor allem deshalb, weil für die geplante EADC nach den Vorstellungen der Airbus-Doppelspitze natürlich auch keinerlei staatliche Kontrollen vorgesehen sind, die Regierungen aber bei der Rüstungsproduktion ihren Einfluß verständlicherweise im Ernstfall nicht so ohne weiteres aufgeben wollen.

Außerdem ist auch strittig, wie die Neuaufstellung in der Branche am Ende erfolgen soll.Die Deutschen favorisieren ein Modell, das die verschiedenen Produktionsbreiche - vom zivilen und militärischen Flugzeugbau über Satelliten, Hubschrauber und Lenkwaffen bis hin zur Raumfahrt - unter dem Dach einer Holding vereint.Die Briten hingegen wollen das Eurofighter-Konsortium, an dem die Franzosen nicht beteiligt sind, als Grundlage für den neuen Konzern.Die Franzosen wiederum befürworten die Airbus AG als Basis.

Weil aber keine Nebenkriegschauplätze von den unmittelbar anstehenden Arbeiten ablenken, Kontroversen über Entscheidungen von morgen nicht den Start des Gesamtprojektes gefährden sollen, wird regelmäßig Druck gemacht: Wenn sich Europa nicht bewege, gab Airbus-Vordenker Bischoff wiederholt zu Protokoll, werde man nach Alternativen Ausschau halten.Der Adressat ist klar - so klar wie die Absicht.Auch ohne die Franzosen im Schlepptau würde sich die Branche in bessere Position bringen - vielleicht durch eine Fusion von Dasa mit British Aerospace, wenn nötig aber auch mit einem amerikanischen Partner.Nach dem Scheitern der Fusion von Lookheed Martin mit Northrop Grumman sind viele Gedankenspiele möglich.Nicht zuletzt fühlt sich Dasa nach der Verbindung von Daimler mit Chrysler auf dem US-Markt mittlerweile ja auch in den Staaten durchaus heimisch.

Kein Wunder also, daß unmittelbar nach dem jüngsten Teilrückzug von Paris Gerüchte über eine deutsch-britische Fusion die Runde machten.Mehr als Gerüchte aber sind das nicht.Denn die Franzosen in der Abseits-Stellung - das wollen ernsthaft weder die Deutschen noch die Briten.Außerdem weiß jeder: innereuropäische Grabenkämpfe bringen Europas zivile und militärische Luftfahrtindustrie keinen Zentimeter weiter.

MARTINA OHM

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