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Von oben herab. Der Rechtspopulist Silvio Berlusconi will zum fünften Mal Italiens Ministerpräsidenten werden. Foto: dpa

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Wegen der Italien-Wahl: Europa fürchtet den Rückfall in die Schuldenkrise

In den Krisenstaaten Italien und Zypern gehen die Bürger diesen Sonntag zur Urne. Die Märkte fürchten ein Comeback des Populisten Silvio Berlusconi. Und auch in Frankreich und Spanien läuft es wieder schlechter. Der Euro-Kurs fällt.

Der Mann hat einen eigentümlichen Humor. „Ich habe heute Morgen in den Spiegel geschaut“, berichtete Silvio Berlusconi dieser Tage seinen Anhängern, „und gedacht: Spiegel sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.“ Seine Leute bejubeln solche Sprüche – bei seinen Gegnern aber rufen sie nur Stirnrunzeln hervor. Und die Angst, dass es wieder ein schlechtes Ende für Italien nehmen könnte, käme der einstige Ministerpräsident bei den Parlamentswahlen, die am heutigen Sonntag beginnen, wieder in die Nähe der Macht.

Die Finanzmärkte haben derlei Unbehagen bereits vorweggenommen: Viele wichtige europäische Aktienindizes gingen in den vergangenen Tagen auf eine steile Talfahrt, als nach Umfragen eine Rückkehr des „Cavaliere“ in den Bereich des Möglichen rückte. Nicht nur Italien könnte dann in schwieriges Fahrwasser geraten – der gesamten Euro-Zone droht der Rückfall in den Krisen-Modus. Denn die Währungsunion hat es derzeit mit einer Reihe von Unwägbarkeiten zu tun: Neben Italien bereiten auch Zypern, Spanien und Frankreich Anlegern immer größere Sorgen. Sie wiegen schwerer als Deutschlands wieder erlangte Stärke – zumal sich die Rezession in der Euro-Zone festgesetzt hat.

„Es wäre riskant zu sagen, wir haben die Krise schon hinter uns“, sagt Wolfgang Franz, Chef der fünf Wirtschaftsweisen. Die EU-Kommission musste ihre Konjunkturprognose für die Währungsunion am Freitag weiter senken. „ Die Risiken zeigen nach unten“, schreiben die Experten in ihrem Gutachten. Wenn die Bundesregierung Pech hat, platzt die Rückkehr der Krise in die heiße Phase des Bundestags-Wahlkampfs.

Dabei war es in den vergangenen Monaten zunehmend still geworden um den Euro und seine Sorgenkinder. Das lag an Mario Draghi, dem Chef der Europäischen Zentralbank (EZB): Er hatte im vergangenen Sommer erklärt, den Euro um jeden Preis verteidigen zu wollen. Die Spekulanten spürten, dass es keinen Sinn macht, gegen die Währung zu wetten. Folge: Die Zinsen auf die Staatsanleihen der Krisenländer gingen zurück, Aktienkurse stiegen, der Euro wurde stärker.

Doch es ist erst ein Jahr her, dass der Euro vor dem Auseinanderbrechen stand. Daran erinnert der Urnengang in Italien. „Die unsicheren politischen Perspektiven stellen einen Belastungsfaktor für die fragile italienische Konjunktur dar“, warnt Ann-Katrin Petersen von der Allianz. Steigende Risikoprämien auf italienische Staatsanleihen und sinkendes Vertrauen der Wirtschaft könnten die Folge sein. Angesichts des Hoffnungsschimmers – die Industrie produzierte zuletzt wieder mehr, der Export lief besser – wäre dies das Letzte, was das Land gebrauchen kann.

Die Lage in Zypern spitzt sich jeden Tag zu

Auf den Aktienmärkten werde es düster, wenn Berlusconi wieder an Einfluss gewinnt, glaubt Sven Krause. Der Berliner Geldmanager der LBB Invest war 2012 mit seinem Fonds Deutschland-Invest einer der erfolgreichsten deutschen Anleger. „Dann bekommen wir politische Börsen.“ Das würde bedeuten: Es gibt neue Kurskapriolen, Unsicherheit und Vermögensverluste. Ohnehin habe es eine „signifikante makroökonomische Bereinigung in den europäischen Peripherieländern“ nicht gegeben. „Der Absturz ist nur aufgehalten worden“, sagt Krause.

Doch auch ohne Berlusconi drohen Turbulenzen: „Selbst wenn das Schreckgespenst der Finanzmärkte eine Mehrheit verfehlen wird, wovon wir ausgehen, ist unklar, ob eine handlungsfähige Regierung gewählt wird, die den Reformkurs vorantreibt“, sagt Christian Apelt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

Mit jedem Tag virulenter wird zudem die Lage in Zypern. Der Inselstaat ist praktisch pleite und benötigt 17,5 Milliarden Euro – doch die Verhandlungen über Hilfen aus Europa sind zäh. Erst nach der Stichwahl um das Präsidentenamt am heutigen Sonntag rückt eine Entscheidung näher. EZB-Direktor Jörg Asmussen peilt nun ein Hilfspaket für Ende März an. Laut einer am Sonnabend veröffentlichen Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprechen sich aber 63 Prozent der Deutschen gegen Bürgschaften für Zypern aus. Für 60 Prozent der Befragten sind die Positionen der Parteien in dieser Frage demnach „wichtig“ oder „sehr wichtig“ bei der Wahlentscheidung.

Um ganz andere Dimensionen geht es im Fall Frankreichs. Um mickrige 0,1 Prozent wird die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas dieses Jahr wachsen, sagt die EU-Kommission voraus. Das Defizitziel von drei Prozent der Wirtschaftsleistung dürfte Paris sowohl dieses als auch nächstes Jahr verfehlen. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr, viele einst renommierte Unternehmen wie Peugeot-Citroen schreiben hohe Verluste. „Die französische Wirtschaft hat Probleme, sich auf den Weltmärkten zu behaupten“, urteilt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Reformen seien nötig, „so schnell wie möglich“, rät EU-Währungskommissar Olli Rehn. So haben Finanzmarkt-Experten bereits ein neues Krisen-Quartett ausgemacht – FISH, also Frankreich, Italien, Spanien und das rezessionsgeplagte, wenngleich kleine Holland. Noch vor einem Jahr war von den PIIGS die Rede – Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien.

Auch dort ist die Lage überwiegend hoffnungslos. 27 Prozent der Erwebrsfähigen sind arbeitslos, das Defizit schätzt die EU-Kommission auf 6,7 Prozent – geplant waren 4,5 Prozent. Das Land werde noch lange für Unsicherheit an den Märkten sorgen, befürchtet LBB-Fondsexperte Krause. „Es wird Jahre dauern, bis Spanien wieder wettbewerbsfähig wird – wenn überhaupt.“ Ministerpräsident Mariano Rajoy plagt sich überdies mit einem Korruptionsverdacht.

Nun droht auch noch der Zusammenbruch des Immobilienentwicklers Reyal Urbis – es wäre die zweitgrößte Insolvenz der spanischen Wirtschaftgeschichte. „Gleichzeitig belastet dies den Bankensektor, da die milliardenschweren Kredite von Spaniens Großbanken vergeben wurden“, warnt die Berliner Weberbank in ihrem Wochenausblick.

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