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Wirtschaft: Wehret den Anfängen

Wer durch Vorgesetzt gemobbt wird, sollte rasch das Gespräch suchen.

Plötzlich grüßt die Chefin nicht mehr. Oder der Chef gibt einem nur noch Aufgaben, die sonst niemand übernehmen will. Was harmlos klingt, ist meist der Beginn von Mobbingt. Denn schnell entwickeln sich kleine Schikanen zu Psychoterror. Nach einer europaweiten Arbeitnehmer-Umfrage von Eurofound von 2010 wurden rund fünf Prozent der deutschen Angestellten im Jahr zuvor im Job gemobbt oder schikaniert. Oft gehen die Attacken vom Chef aus. Viele sind bei den ersten Vorfällen noch gelassen und versuchen, sie zu ignorieren. Dabei ist es oft besser, gleich in die Offensive zu gehen.

Auch bei Günther Kollenda war der Vorgesetzte der Initiator des Mobbings. Alles begann mit Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb des Betriebes. Die Geschäftsführung wollte Personal abbauen. Er selbst war damals Abteilungsleiter und bekam einen neuen Chef vor die Nase gesetzt, der ihn zum Mittäter in eigener Sache machen wollte. „Nachdem er sich die Lage im Betrieb eine Weile angesehen hatte, bestellte mich mein neuer Chef zu sich. Sein Anliegen: Ich sollte ihm helfen, Mitarbeiter aus dem Unternehmen zu ekeln“, erinnert sich Kollenda. Sogar eine Liste mit Namen von unliebsamen Kollegen bekam er in die Hand gedrückt. Mitarbeiter sollten ständig kritisiert und bei den kleinsten Fehlern abgemahnt werden.

Als Kollenda es ablehnte, seinem Boss beim Mobbing behilflich zu sein, geriet er selbst in die Schusslinie. „Ab diesem Moment war ich sein Feind. Er machte bei jeder Gelegenheit meine Arbeit schlecht und gab mir Aufgaben, für die ich gar nicht zuständig war.“ Zwei Jahre ging das so. Viel zu lange, meint Jürgen Hesse vom Büro für Berufsstrategie in Berlin. Haben Arbeitnehmer das Gefühl, bei Vorgesetzten seit mehr als drei Monaten auf der roten Liste zu stehen, sollten sie so schnell wie möglich handeln.

Oft machten Betroffene ihrem Ärger zuerst bei Kollegen Luft oder suchten sich Verbündete. Doch das lässt die Situation häufig nur weiter eskalieren. Hesse rät stattdessen, gleich nach den ersten Irritationen mit dem Vorgesetzten zu sprechen. Vorwürfe seien fehl am Platz. Fragen wie „Was haben Sie eigentlich gegen mich?“ sorgten nicht für einen erfolgreichen Gesprächsverlauf. Hesse empfiehlt eher leichte Demutsgesten. „Sagen Sie lieber, Sie hätten das Gefühl, in seiner Gunst gefallen zu sein. Fragen Sie nach dem Grund dafür.“ Diese Variante gebe dem Chef die Möglichkeit, zu sagen, was ihn stört. Zuerst das Gespräch zu suchen, empfiehlt auch Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Dabei sollten Arbeitnehmer nicht gleich sagen: ’Sie mobben mich!’“ Besser sei es, zurückhaltend zu formulieren wie: „Es gab in der letzten Zeit einige Situationen, die mich irritiert haben.“ Bringt ein Gespräch unter vier Augen keine Verbesserung, sollten sich Angestellte Hilfe bei kompetenten Ansprechpartnern suchen, rät Perreng. In großen Firmen sei der Betriebsrat die erste Adresse. Gibt es keinen, ist häufig eine Selbsthilfegruppe eine gute Idee. Wenn der Chef jemand aus dem mittlerem Management ist, können Arbeitnehmer auch zu seinem Vorgesetzten gehen.

Bringe auch das nichts, bleibt letztlich nur die Kündung oder der Gang vor Gericht, um Schadenersatz und Schmerzensgeld einzuklagen. „Allerdings sind die Ansprüche vor Gericht nur sehr schwer durchsetzbar“, sagt Perreng. Wer sich dafür entscheidet, muss die Schikanen im Detail darlegen können. Sie rät Mobbing-Opfern deshalb dazu, eine Art Tagebuch zu führen, in dem sie alle Vorwürfe notieren.

Spätestens jetzt sollten Arbeitnehmer sich außerdem rechtlichen Beistand holen. „Oft steht einem Arbeitnehmer eine Abfindung zu.“ Auch Günther Kollenda hat sich Hilfe gesucht – mehr oder weniger erfolgreich. Nachdem ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Chef und die Einschaltung des Betriebsrates nichts an der fristlosen Kündigung änderten, hat er sich vor Gericht eine hohe Abfindung erstritten. An seinen Erfahrungen hatte er aber noch lange zu knabbern. Er rät deshalb allen in so einer Situation, nicht länger als nötig in der Firma zu bleiben. Jeder, der schikaniert werde, leide körperlich und seelisch - oft auch noch Jahre danach. Das sei kein Job dieser Welt wert. dpa

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