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Weiterbildung: Auf und davon

Weiterbildung muss nicht immer zu Hause stattfinden. Ob in Asien, Europa oder den USA – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Kompetenzen zu erweitern.

„Wenn man in Japan mit den Kollegen abends ausgegangen ist, wird darüber am nächsten Tag bei der Arbeit nicht mehr geredet“, erzählt Stefano Vazzoler. Anfangs hat das den 31-jährigen Bremer Juristen irritiert: „Ich dachte erst, ich hätte etwas falsch gemacht. Wir hatten richtig fröhliche Abende, aber am nächsten Morgen sprach niemand darüber“, erinnert sich Vazzoler, der von Dezember 2009 bis Mai 2010 bei Sony in Tokio in der Lizenzabteilung ein Praktikum absolvierte. Schnell merkte er, dass die Trennung zwischen Beruf und Privatem in Japan strikter eingehalten wird als hierzulande – und dies der Stimmung beim nächsten gemeinsamen Abend keineswegs schadet.

Weiterbildungen im Ausland sind beliebt – und karrierefördernd. Ob Praktika, Traineeprogramme oder Sprachreise, es gibt viele Möglichkeiten, seine Kompetenzen im Ausland zu erweitern. Außerhalb Europas sind die USA und China besonders gefragt. „Die USA punktet zum Beispiel mit IT und Medizintechnik auf höchstem Niveau, in China sind speziell technische Praktika bei Niederlassungen deutscher Firmen begehrt“, sagt Christian Alscher von dem Bonner Unternehmen Inwent, das weltweit Personalentwicklung und Weiterbildung anbietet.

Wer in ein anderes Land gehe, sollte kulturelle Unterschiede kennen und die dortigen Umgangsformen und Verhaltensweisen einordnen können, um adäquat auf die Menschen im Gastgeberland zu reagieren. „Der Erfolg einer Weiterbildung im Ausland steht und fällt mit der Auseinandersetzung des Teilnehmers mit dem Land und dessen Kultur“, sagt Alscher. Deshalb sind Kurse, in denen die Teilnehmer entsprechende Kultur- und Sprachkenntnisse erwerben, ein fester Bestandteil der meisten Programme.

„Die Zeit hat mich fachlich und menschlich weiter gebracht“, sagt Vazzoler, der derzeit promoviert und zuvor als Research Assistant bei einem Bremer Patentanwalt arbeitete. „Bei Sony habe ich Fälle des Urheberrechtes bearbeitet und gute Einblicke bekommen, welche Anforderungen ein Unternehmen an Rechts- und Patentanwälte stellt.“ Die Weiterbildung in Fernost kam über das Heinz-Nixdorf-Programm zustande, das deutschen Nachwuchsführungskräften mit einem Stipendium sechsmonatige Berufspraktika in Unternehmen im Asien-Pazifik-Raum ermöglicht und die Kosten übernimmt. Es richtet sich – wie die meisten staatlich oder privat geförderten Programme – an junge Berufstätige und Hochschulabsolventen, die nicht älter als 30 Jahre sind, in wirtschaftlichen und technischen Berufen arbeiten und nach dem Praktikum in das Netzwerk des Programms eingebunden werden.

Auf dem Programm von Inwent stehen meist berufliche Qualifizierungen im Ausland. Auftraggeber und Kooperationspartner sind die Bundesregierung, Bundesländer, Stiftungen und Unternehmen. Die meisten Projekte verantwortet das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Interessenten bietet Inwent mit der Informations- und Beratungsstelle (IBS) eine Anlaufstelle für Weiterbildungen im Ausland. Hier werden Berufstätige, Azubis, Studierende und Schüler beraten und bei der Suche nach Ausbildungen, Jobs und Praktika unterstützt. Knapp 200 Angebote von über 70 Anbietern finden sich in einer Datenbank im Internet unter Inwent.org.

Die größte Nachfrage besteht laut Alscher im Bereich der Praxisqualifizierung. „Das Praktikum im Ausland stellt für die weitere berufliche Qualifizierung einen elementaren Baustein dar. Auch von Arbeitgeberseite wird dieser Trend unterstrichen“, so Alscher. Weitere Möglichkeiten der beruflichen Qualifizierung in einem anderen Land bieten Trainee-Programme, die in der Regel von den Firmen selbst durchgeführt werden.

Neben solchen staatlich und privat geförderten Maßnahmen gibt es das EU-Programm Leonardo Da Vinci. Das EU-Förderprogramm für die berufliche Aus- und Weiterbildung im Ausland ermöglicht in Kooperation mit Bildungseinrichtungen, Firmen, Berufsverbänden oder Kammern verschiedene Qualifizierungen. Förderanträge können nur von juristischen Personen eingereicht werden. In Berlin bietet der Verein „Arbeit und Leben“ Weiterbildungen im Rahmen dieses Programms an. „Wir betreuen mehrere Projekte, die meist ein vierwöchiges Praktikum im Ausland beinhalten“, sagt Heinrich Wilhelm Wörmann, der im Verein für Internationales zuständig ist.

Ein Beispiel ist das Projekt „Berufliche Orientierung und Kompetenz für Europa“, in dem vierzig Auszubildende aus Berlin und Brandenburg eine duale Lehre in den Bereichen Telekommunikation und Metallverarbeitung durchlaufen und sich dabei vier Wochen in Großbritannien fortbilden. Andere Projekte führen Arbeitnehmer aus der Gastronomie oder dem Fremdsprachenbereich für sechsmonatige Praktika ins europäische Ausland. Für die Praktika gibt es eine Zertifizierung der Qualifikation mit dem international anerkannten Europass.

Wer sich betrieblich weiterbilden will, hat mit dem Arbeitgeber die Voraussetzungen zu klären. „Knapp vierzig Prozent der Beschäftigten arbeiten in Firmen mit Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen“, sagt Mechthild Bayer, die Bereichsleiterin für Weiterbildungspolitik bei Verdi. Dort seien in der Regel das Recht auf Weiterbildung und der Rahmen für die Finanzierung, die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber, der Zeitraum und die Freistellung festgehalten. Verschiedene Kategorien von Weiterbildungen wie Umqualifizierungen oder Entwicklungsqualifizierungen für höhere Aufgaben verursachen je nach Branche und Bedarf unterschiedliche Kosten. Gibt es weder eine Betriebsvereinbarung noch einen Tarifvertrag, muss der Arbeitnehmer die Bedingungen mit dem Arbeitgeber aushandeln. Mitgliedern bietet Verdi kostenlose Rechtsberatung.

Vor dem Reiseantritt ist eine lange To-do-Liste abzuarbeiten. Alscher empfiehlt ein halbes Jahr Vorlauf für die Planung. Neben der Finanzierung gilt es, Fragen zu Visum, Krankenversicherung, Impfungen sowie arbeitsrechtliche Punkte zu klären und Hin- und Rückreise zu buchen. Bei der Suche einer Unterkunft helfen oft die Programmanbieter.

Lutz Steinbrück

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