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Im Haifischbecken. Im Lernspiel "Sharkworld" sollen (angehende) Manager lernen, Geschäftsentscheidungen zu treffen

© dpa/Sven Hoppe

Weiterbildung: Aufs nächste Level

Lernspiele sind eine Revolution auf dem Weiterbildungsmarkt, haben sich aber noch nicht durchgesetzt. Wer sich bei den Computersimulationen mit anderen Spielern vernetzt, profitiert besonders.

Haifische sind ihr Geschäft. Genauer gesagt das größte Aquarium der Welt, um die Raubtiere unterzubringen. Mitten in Shanghai soll die „Sharkworld“ gebaut werden. Ingenieure, Sicherheitsleute, Finanzexperten hängen an dem Projekt. Außerdem drängelt die Chefetage. Schließlich muss der Zeitplan für die Eröffnung unbedingt eingehalten werden. Der Auftrag verspricht ein Vermögen und internationalen Ruhm. Doch ihn umzusetzen, wird zum Nervenkitzel.

„Sharkworld“ ist keine Zockerei zur Entspannung nach Feierabend, sondern ein so genanntes ernsthaftes Spiel – ein „serious game“. Mit der Simulation sollen angehende Manager lernen, Geschäftsentscheidungen zu fällen und auf spontane Wendungen bei der Projektplanung einzugehen. Das Spiel gehört zu den bekanntesten Angeboten beim spielerischen Lernen in der virtuellen Welt.

Der Spieler ist der Projektleiter. Er ist Anlaufstelle für alle Beteiligten der „Sharkworld“, führt Gespräche, schreibt Emails. In dem Moment, in dem alles glatt zu laufen scheint, kommt dann der unverhoffte Anruf. Baumaterial ist nicht lieferbar, die Finanzierung droht zu kippen, der Zeitplan muss komplett umgeworfen werden. Jetzt ist der Spieler am Zug. Punkte gibt es für jede Entscheidung, die zum nächsten Level führt. Belohnungen sollen die Spieler genauso zum Weitermachen anstacheln, wie der Vergleich mit dem Spielerkollegen.

Den Spieltrieb wecken

„Über die Spiele kann man die Kombination von Motivation und Spaß mit Lernen verbinden“, sagt Gernold Frank, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Die „Games“ wecken den Spieltrieb in den Lernenden. Der sorgt nicht nur dafür, dass sie die Aufgaben gerne erledigen, sondern auch - im besten Fall – viel Zeit freiwillig in den Lernstoff investieren. Hinzu kommt: Wer statt Fachliteratur zu wälzen, den Avatar durch die virtuelle Firma jagt, der kann sich das Erlernte besser merken.

Es gibt kaum ein Branchenwissen oder ein Thema das nicht über ein Spiel erlernt werden kann. Spezielle Softwareanwendungen, Marketingstrategien oder Zahlenspiele in der Unternehmensbilanz und Zocken am Rechner schließen sich nicht aus. Schwierig wird es dem Experten zufolge, wenn persönliches Verhalten trainiert werden soll. Zum Beispiel in der Hotellerie oder Gastronomie. Eine virtuelle Testsituation zwischen dem Verantwortlichen an der Rezeption und dem Gast, der sich beschwert, ist über ein virtuelles Spiel kaum überzeugend darzustellen. Hier ist noch die Realität gefragt und keine Figur, die über den Computer gesteuert wird. Spieleentwickler arbeiten bereits an virtuellen Trainingswelten oder Trainingslabs, darüber soll das Zusammenspiel zwischen Mensch und Computer ausgebaut werden.

Onlinespiele boomen

Die Spielebranche schätzt ihren jährlichen Umsatz auf bisher knapp zwei Milliarden Euro. Bis 2015 sollen es sogar rund 2,5 Milliarden Euro werden. Erfolgstreiber ist das Geschäft mit Bildungsmedien. Der Anteil der „serious games“ liegt bei rund fünf Prozent. Vor allem Online-Spiele und mobile Angebote boomen. Experten rechnen bis 2015 mit einem Umsatzanstieg in diesem Segment zwischen 12 und 14 Prozent.

Eine hohe Auflösung, gut erklärte Grafiken oder detailverliebte Räume kommen bei den Nutzern gut an. Doch die „Story“ ist viel wichtiger als technische Finessen sagen Experten. Je wirklichkeitsgetreuer die Geschichte hinter dem Spiel ist, desto besser bleibt der Lerninhalt hängen.

„In einem guten Spiel verhalten sich die Figuren wie in der Realität. Die Situation wird möglichst plausibel dargestellt“, sagt Michael Weber, Direktor des Instituts für Medieninformatik an der Universität Ulm. „Die Lerninhalte sind so eingebaut, dass der Anwender nicht merkt, dass er lernt.“ Mitarbeiter üben meist allein, bestimmen, wie viel Zeit sie einsetzen wollen und können. Dass die Spiele bei den Firmenchefs und den Mitarbeitern gut angekommen, wundert Weber nicht. „Das Engagement sich mit der Materie zu beschäftigen, ist enorm“, sagt er. Wer einmal angebissen hat, den lässt das Spiel nicht wieder los. Was die Spieler antreibt, ist das nächste Level, die Tür, die sich öffnet, wenn die richtige Entscheidung gefallen ist, der Anreiz, mehr Punkte zu holen, als der Kollege.

Kognitive und motorische Fähigkeiten werden trainiert

Abgesehen von den speziellen Inhalten trainieren die Videospiele kognitive und motorische Fähigkeiten. Wer zockt, kann sich leichter in neuen Umgebungen zurechtfinden und reagieren. Gestützt wird diese These von einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Für den Test wurden 48 Versuchspersonen ausgewählt. 23 davon mussten über acht Wochen hinweg mindestens 30 Minuten am Tag das Videospiel „Super Mario 64“ spielen. Die restlichen 25 Teilnehmer der Studie verzichteten auf Videospiele in diesem Zeitraum. Nach Abschluss der Testreihe stellten die Wissenschaftler fest, dass das Computerspiel die Struktur des Gehirns im positivem Sinne verändert hat.

In der Aus- und Weiterbildung sind die „ernsthaften Spiele“ noch nicht wirklich angekommen. „Den Satz „Lernen ist etwas ernsthaftes und darf nicht Spaß machen“ haben wir an vielen Stellen in der Vergangenheit übertrieben“, sagt Wissenschaftler Frank von der HTW Berlin. Noch immer dominiert der klassische Termin für ein Training, eine Schulung oder ein Seminar im Unternehmen. Der Chef schickt seine Mitarbeiter zur Weiterbildung. Ist der Kurs geschafft machen Vorgesetzte und Personal einen Haken hinter ihre Jahresvorgabe.

Lernen, wann man will

Experte Frank hält die „serious games“ für nichts weniger als eine Revolution. „Davon bin ich felsenfest überzeugt“, sagt er. „Über sie wird der passive Rezipient zum aktiven Individuum.“ In einfachen Worten bedeutet das: Das virtuelle Spiel, können die Mitarbeiter dnn spielen, wann und solange sie wollen. Sie entscheiden, nicht der Terminkalender des Trainers, den der Chef bestellt hat.

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