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Anziehend. Stylisten arbeiten bei Modenschauen, Filmdrehs und Fotoshootings.

© picture alliance / dpa

Weiterbildung: Kleidsamer Beruf

Stylisten zupfen nicht nur an Klamotten herum. Im Idealfall sind sie die kreativen Köpfe hinter Modefotos. Meist sind sie Quereinsteiger.

Ein Werbedreh für einen Kosmetikhersteller veränderte alles: Andrea Horn erinnert sich noch gut an den Moment, als plötzlich die Stylistin kam und all diese weißen Kleidern aus ihren Säcken holte. Sie war tief beeindruckt und merkte, wie sehr sie all jene Menschen beneidete, die sich beruflich hauptsächlich mit Mode beschäftigen. Sie selbst war nach ihrem Kommunikationsdesignstudium in Hamburg für die ausführende Werbeagentur in der Planung tätig. Heute dreht sich auch in Andrea Horns Berufsleben alles um Mode: Sie ist inzwischen freiberufliche Stylistin in Berlin. Erst letztes Wochenende war die 33-Jährige bei einem Fotoshooting vor dem Heizkraftwerk Köpenick für ein Männermagazin aus Hong Kong dabei: Zwei Models musste sie zurechtmachen – bei drei Grad Außentemperatur. Das ganze Studio, Anziehen, Ausziehen und wieder Anziehen, Haare-Machen aus einem einzigen PKW heraus. Diesmal war Andrea Horn die Frau mit den Säcken voll Kleidung, die zusehen muss, dass sie den Überblick behält.

Einen Look kreieren

Stylisten übernehmen sehr unterschiedliche Aufgaben, die aber sehr nah zusammen hängen: Bei Fotoshootings für Mode- und Lifestyle-Magazine kreieren sie in enger Zusammenarbeit mit den Fotografen den Look, bei Film- und Fernsehproduktionen oder für Werbung finden sie die passenden Jacken, Taschen und Hosen für eine spezifische fiktive Figur oder eine symbolhafte Rolle. Und auch Einzelpersonen helfen sie in persönlicher Beratung für bestimmte Anlässe oder generell, zum Beispiel für den Beruf, bei der Auswahl und der Komposition von Kleidung und Accessoires. Eine klassische Ausbildung gibt es nicht, die meisten Stylisten sind Quereinsteiger. Es gibt aber eine dreimonatige Weiterbildung, praktisch beim beruflichen Einstieg als Stylist hilft.

Malen mit Kleidung

Als „Malen mit Kleidung“ beschreibt Andrea Horn ihre Arbeit: Wenn sie einen neuen Auftrag für ein Modeprojekt bekommt, hat im Ideallfall freie Hand und kann alle Kleidungsstücke bei Designern selbst auszusuchen. Neulich bekam sie etwa für ein Online-Magazin das Thema einer Bildstrecke: „Irisierende Materialien/Hologrammen und Pastellfarben“. Dann überlegt sie: Welche Textur eines Kleidungsstücks passt? Soll sie ein gelbes Element in ein ansonsten dunkles Bild setzen? Für die Komposition von Modefotos überlegt sie sich gemeinsam mit den Fotografen oft eigene kleine Geschichten. Sie definieren vorab die Stimmung, die auf dem Foto zu sehen sein soll. Das ganze Umfeld muss ein Stylist bei der Konzeption und Planung bedenken. Wird in einem Studio fotografiert oder sitzt das Model auf einem Baum? In der dreimonatigen Weiterbildung der Akademie Mode & Design in Berlin, mit der Andrea Horn Ende 2013 ihren Einstieg gemacht hat, liegt deswegen ein Schwerpunkt auf der Konzeption und Umsetzung von eigenen Projekten. Die Teilnehmer planen Fotoshootings von der ersten Idee am Storyboard bis zur digitalen Nachbearbeitung der Aufnahmen. Das heißt, es geht auch um das Projektmanagement: Wie hoch ist das Budget? Wer ist Fotografin, wer macht Haare und Make-Up? Zwei bis drei Projekte setzen die Teilnehmer um. Die Fotos können sie später für ihre Portfolios verwenden. Dazu kommen Vorträge zu Fotografie, Modegeschichte, Gestaltungslehre, Form-, Farb- und Materialkunde.

Ein Netzwerk aus Fotografen, Designern, Visagisten

Andrea Horn hat ihre Probeprojekte sehr ernst genommen und so gleich ein Netzwerk für ihr jetzige freiberufliche Tätigkeit geknüpft: sie lernte Fotografen, Visagisten und Designer kennen, mit denen sie gerne zusammen arbeitet. Sie hat auch einen Überblick bekommen, welche PR-Agenturen mit ihren unterschiedlichen Ausrichtungen und Stilen es in der Stadt gibt. Wer die Fashion Week nur aus den Nachrichten kennt, auf den wirkt die Modestadt Berlin vielleicht groß und unübersichtlich. Die Szene sei aber gut überschaubar, sagt Horn, und alle Stylisten, die sie kennt, hätten gut zu tun.

Während es für Modeprojekte möglichst innovativ und extravagant sein soll – die Fotos sollen ja Blicke auf sich ziehen – ähnelt die Arbeit eines Stylisten für Film- und Fernsehproduktionen eher der Rollenarbeit eines Schauspielers oder einer kleinen Sozialstudie: Wie sieht die richtige Kleidung für eine bestimmte Figur in einer bestimmten Geschichte aus? Was macht sie glaubwürdig? Bei einem Werbespot richtet sich das Styling stark nach den Wünschen des Kunden und häufig dessen Vorstellung von Normalität. „Nicht auffallen“, heißt dabei meist das Motto. Horn überlegt sich dann zum Beispiel das Outfit für den Archetyp „Mutter“: Sie trägt eher eine größere Tasche, bequeme Schuhe und keine weiße Hose, weil die garantiert Flecken bekäme. Horn hat selbst zwei kleine Kinder.

Fotoshooting im Heizkraftwerk

Die Teams rund um einen Stylisten sind häufig sehr jung, wie bei dem Fotoshooting vor dem Heizkraftwerk Köpenick: Models um die 16 Jahre, Fotografen Anfang 20. Für Stylisten spiele das Alter aber eine weniger starke Rolle, meint Horn. Wenn man sich international umsieht, seien die großen Stylisten bis in die Rente tätig und oft gerade wegen ihres „trainierten Auges“ und ihres großen Netzwerks gut im Geschäft. Man müsse aber immer auch „dran bleiben“. Zur Arbeit von Stylisten gehört deswegen regelmäßige Recherche: Horn besucht immer wieder Berliner Designer in ihren Ateliers um die aktuellen Kollektionen zu kennen und zu wissen, was sie als nächstes vorbereiten. Von ihnen holt sie sich für die Fotoshootings dann die einzelnen Stücke als Leihgabe. Besuche auf Modemessen, Lesen von Blogs und Magazinen oder Design-Büchern gehört ebenfalls selbstverständlich dazu. In der Weiterbildung nehmen Dozenten die Teilnehmer auch mal in einen Kostümfundus mit oder in Agenturen. Man lernt, welche Namen und Berliner Adressen man kennen muss.

Manche arbeiten nebenberuflich als Stylistin

Ihre Vorkenntnisse durch Studium und Arbeit haben ihr beim Einstieg als Stylistin sicherlich geholfen, meint Andrea Horn. So kannte sie etwa schon die Abläufe auf einem Set und war fit in Bildbearbeitung. Zwingende Voraussetzung sei das aber nicht. Eine andere Absolventin der Akademie Mode & Design kam direkt aus einem Bürojob zur Weiterbildung Stylistin und hat sich mit vielen Ideen auf Kindermode spezialisiert. Nun macht sie nebenberuflich Projekte als Stylistin und baut sich ihren Kundenstamm auf.

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