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Nicht genug für alle. Weltweit hungern Schätzungen zufolge 925 Millionen Menschen. Die extremen Preissteigerungen bei Agrarrohstoffen wie Weizen, Mais oder Soja verschärfen die Armut und sorgten zuletzt 2008 für Unruhen und Konflikte. Foto: dapd

© Annette Zoepf

Wirtschaft: Weizen im Blick

Die G 20 beschließen einen Aktionsplan gegen schwankende Lebensmittelpreise. Experten ist das zu wenig

Berlin – Nicolas Sarkozy hatte den Spekulanten an den Terminmärkten für Agrarrohstoffe den Kampf angesagt. „Ein unregulierter Markt ist kein Markt mehr, sondern eine Lotterie, in der die zynischsten Teilnehmer die besten Chancen haben, anstatt dass Arbeit, Investition und die Schaffung von Werten belohnt würden“, sagte der französische Staatspräsident bei der Eröffnung der G-20-AgrarKonferenz in Paris am vergangenen Mittwoch. Nun haben die Landwirtschaftsminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer einen Aktionsplan verabschiedet, um die immer stärker werdenden Preisschwankungen bei Agrarrohstoffen wie Weizen, Mais oder Soja zu begrenzen. Denn die rasant gestiegenen Nahrungsmittelpreise verschärfen Armut und Hunger.

Mit Sarkozys Regulierungsvorstellungen hat das Regelwerk, das im November den Staats- und Regierungschefs auf dem G-20-Gipfel in Cannes vorgestellt werden soll, aber kaum etwas gemein. Die Regulierung des Handels mit sogenannten Agrar-Derivaten an den Warenterminbörsen wird zwar ausdrücklich empfohlen. Allerdings überlassen die Agrarminister die Ausgestaltung den Finanzministern der G 20. Stattdessen konzentrieren sie sich mit ihrem Aktionsplan auf die physischen Märkte, auf denen künftig mehr Transparenz herrschen soll. „Wir müssen den Blindflug beenden“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Donnerstag in Paris.

Dafür einigten sich die Minister unter anderem auf die Schaffung des Agrarmarktinformationssystems (AMIS). Die Datenbank soll einen Überblick über die vier wichtigsten Agrarrohstoffe Weizen, Mais, Reis und Soja in den G-20-Ländern geben. Beobachtet werden soll, wie hoch die Lagerbestände, die Produktion oder der Verbrauch sind. Allen anderen Staaten und den großen Rohstoffhändlern bleibt es aber selbst überlassen, ob sie ihre Daten zur Verfügung stellen. Gegen AMIS hatten sich insbesondere Indien und China gewehrt, weil sie ihre Lagerbestände nicht offenlegen wollten.

Der Aktionsplan sieht auch vor, die landwirtschaftliche Produktivität und die Produktionsmengen – besonders in Entwicklungsländern – zu steigern, etwa durch mehr private und öffentliche Investitionen sowie verstärkte Forschung im Agrarbereich. Denn neben den Preisschwankungen sorgen auch die wachsende Weltbevölkerung und die steigende Nachfrage aus den Schwellenländern für Probleme. „Um eine Weltbevölkerung zu ernähren, die 2050 mehr als neun Milliarden zählt, muss die landwirtschaftliche Produktion bis dahin um 70 Prozent steigen“, heißt es in der Erklärung. Außerdem ist eine engere Zusammenarbeit in Krisenzeiten vorgesehen. Zeitgleich hat die Weltbank ein neues Finanzinstrument geschaffen, um Bauern zu helfen, sich besser gegen Preisschwankungen abzusichern. Dafür werden zunächst vier Milliarden Dollar bereitgestellt.

Das Thema Biosprit klammerten die Agrarminister ebenfalls weitgehend aus. Und das, obwohl die G 20 ein Gutachten in Auftrag gegeben hatten, das unter anderem die Auswirkungen der Biosprit-Produktion auf die Nahrungsmittelpreise untersucht. Die Organisationen, darunter Weltbank, WTO und die Welternährungsorganisation FAO, empfehlen darin den Staaten, die Biosprit-Subventionen abzuschaffen. In dem aktuellen Aktionsplan wird nur darauf hingewiesen, dass dieser Bereich weiter beobachtet werden muss. Große Produzentenländer wie die USA, aber auch Deutschland sperren sich dagegen, die Herstellung einzuschränken.

„Wir legen die Grundlagen der neuen weltweiten Landwirtschaft“, sagte der französische Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire nach der Einigung in Paris. EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos äußerte sich dagegen eher zurückhaltend. Er sprach von einem „guten Schritt vorwärts“, der aber nach seinem Geschmack und dem der Kommission hätte größer ausfallen können.

Entwicklungsorganisationen kritisierten das Papier teils scharf. „Trotz besseren Wissens setzen die Agrarminister weiter auf fehlgeschlagene Politiken und einseitige Produktionssteigerungen, anstatt die Ursachen für die enormen Preissteigerungen von Nahrungsmitteln zu bekämpfen“, sagte Marita Wiggerthale von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Dazu zählten der Klimawandel, die Biosprit-Politik, Spekulation und Exportbeschränkungen. „Gemessen an den Möglichkeiten ist der Aktionsplan ein schwaches Papier“, sagte Wiggerthale. „Was die Landwirtschaftsminister hier beschlossen haben, wird das Leben eines Kleinbauern in Afrika nicht verbessern“, kommentiert auch der Deutschlandchef der Hilfsorganisation One, Tobias Kahler. Die Kernfrage der Regulierung werde nur delegiert.

Der Deutsche Bauernverband forderte die G-20-Finanzminister auf, für mehr Transparenz an den Terminmärkten zu sorgen. Ministerin Aigner schlägt dafür zum Beispiel Preislimits und Registrierungen vor. „Es muss für alle Seiten erkennbar sein, welche Gruppen sich auf dem Rohstoff-Finanzmarkt betätigen und wer Waren kauft“, sagte sie.

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