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Urban Farming: Städter werden zu Bauern. Was einst als Schnapsidee galt, findet immer mehr Freunde.

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Welternährungsgipfel: Städter sollen sich selbst ernähren

Im Jahr 2050 werden drei Viertel der Menschen in Städten leben. Wie sollen alle satt werden? Die Agrarminister der Welt haben einen Plan.

Anfangs galten sie als Spinner, die Macher der Prinzessinnengärten, die mitten in Kreuzberg Obst und Gemüse anbauen. Oder die Erfinder der Tomatenfische, Forscher vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), die in Berlin versuchen, Fischhaltung und Pflanzenzucht mit einander zu verbinden. Mit dem Abwasser der Fische düngen sie Tomaten – beide entwickeln sich prächtig.
Das sind Beispiele, die auch den Bundesagrarminister beeindrucken. Das sei kein bloßer „Hype“, sagte Christian Schmidt (CSU) am Samstag in Berlin. „Wir müssen in der Lage sein, in Zukunft die Megacitys zu ernähren“. 2050 werden Schätzungen zufolge vier von fünf Menschen weltweit in Städten leben. Und zwar nicht irgendwelchen. Über 40 Megacitys wird es dann geben, mit jeweils mehr als 20 Millionen Einwohnern. Aber: Wie soll man die Menschen dort ernähren? Eine Frage, mit der sich am Samstag in Berlin 68 Agrarminister oder andere hochrangige Regierungsvertreter aus aller Welt auf dem Welternährungsgipfel, der traditionell zur Grünen Woche stattfindet, beschäftigt haben.

Alle sollen genug zu essen haben

„Wir sind entschlossen, die wachsende Weltbevölkerung mit ausreichender, sicherer, ausgewogener und bezahlbarer Nahrung zu versorgen“, versprechen die Minister in ihrer Abschlusserklärung. Alle Menschen sollen Zugang zu Lebensmitteln haben. Fragt sich nur, wie? „Die Versorgungsketten müssen verbessert werden“, meint Maria Helena Semedo, stellvertretende Generaldirektorin des Welternährungsprogramms FAO. Sie will die Landwirte näher zu den Städten bringen. Betriebe, die heute noch weit entfernt auf dem Land produzieren, sollen näher an die Metropolen heranrücken, damit der Transport leichter und schneller funktioniert. Zudem müsse die Lebensmittelversorgung bei der Stadtplanung mitberücksichtigt werden, fordert Semedo. Einen Teil ihrer Lebensmittel sollen die Städter selbst produzieren.

Schrebergärten sind nicht verstaubt, sagt der Minister

Eine Idee, die auch dem deutschen Agrarminister gefällt. Kartoffeläcker vor dem Reichstag wie nach dem Krieg müssten es zwar nicht sein, meint Schmidt, aber die Schrebergärten hätten durchaus ihren Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung geleistet. „Die Idee wirkt angestaubt, ist es aber nicht“, zeigt sich der CSU-Politiker als Freund der Datschen und Kleinschollen. Schmidt kann sich einiges vorstellen: neben Laubenkolonien und Tomatenfischen etwa Gewächshochhäuser und andere Innovationen fürs Farming in der Stadt. Was nach Fortschrittsromantik klingt, hat einen handfesten Hintergrund. Wenn die Ernährung der Menschen nicht gesichert ist, drohen Konflikte, warnt Schmidt, der vor dem Agrarministerium lange im Verteidigungsministerium war.

EU-Kommissar Hogan wirbt um Landwirte

Wenn Dreiviertel der Menschheit in den Städten lebt, muss man die schwindende Landbevölkerung umso besser behandeln, glaubt EU-Agrarkommissar Phil Hogan. Zwar ist die europäische Agrarindustrie heute Nettoexporteur von Lebensmitteln, aber das muss nicht so bleiben. „Die Landflucht beschleunigt sich, die Landwirte werden immer älter“, sagt der Ire. Doch wie begeistert man junge Leute für die Landwirtschaft? Hogan denkt an Steuervorteile, wenn junge Bauern Land von ihren Eltern bekommen oder sich mit anderen zusammenschließen, um Felder und Höfe zu leasen. Mit der Europäischen Investitionsbank ist Hogan zudem im Gespräch über günstige Kredite. Bereits heute sieht die europäische Agrarförderung darüber hinaus besondere Fördermittel für junge Bauern vor. Ob die Agrarsubventionen künftig noch stärker in diese Richtung fließen können oder – wie Agrarminister Schmidt es will – künftig auch verstärkt Qualität, Regionalität und die Versorgungssicherheit Kriterien für die Finanzhilfen sein sollen, ist aber unklar. Über die Agrartöpfe der Europäischen Union wird derzeit nicht gesprochen, das aktuelle System läuft bis zum Jahr 2020.

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