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Wirtschaft: Weltmarkt setzt Zulieferer unter Druck

Unternehmen folgen der Auto-Industrie bei der Expansion / Probleme bei der KapitalbeschaffungVON FRANK MATTHIAS DROST/ANDREA JOCHAM STUTTGART.Der Internationale Währungsfonds sieht die Sache eindeutig: Die Globalisierung wird künftig die treibende Kraft des weltweiten Wachstums sein.

Unternehmen folgen der Auto-Industrie bei der Expansion / Probleme bei der KapitalbeschaffungVON FRANK MATTHIAS DROST/ANDREA JOCHAM

STUTTGART.Der Internationale Währungsfonds sieht die Sache eindeutig: Die Globalisierung wird künftig die treibende Kraft des weltweiten Wachstums sein.Für die deutsche Automobilindustrie bedeutet das, verstärkt eigene Werke vor Ort aufzubauen: Nicht nur in den Schwellenländer Lateinamerikas und Asiens, sondern auch in gesättigten Märkten wie in Nordamerika will sich die deutsche Fahrzeugbranche neue Wachstumsfelder erschließen.Dieser neue Trend hat Konsequenzen für die hiesigen Zulieferer, die noch stark deutschland- und europaorientiert sind.Denn: "Bestimmte Projekte werden nur an Unternehmen vergeben, die alle wichtigen Standorte der Welt beliefern können", sagt Wolfgang Vogel, Vorstandsmitglied bei der ZF Friedrichshafen AG, Friedrichshafen."Um unsere Marktstellung abzusichern, müssen wir in allen Regionen der Welt präsent sein." Das bereitet der mittelständisch strukturierten Zuliefer-Branche Probleme, weil die Firmen erheblich investieren müssen - was nicht alle können. Der Bodenbelagshersteller DLW AG, Bietigheim-Bissingen, verkaufte im Frühjahr 1997 die Georg Näher GmbH sowie die spanische Tochter Emfisint Automotive S.A.an die kanadische Magna.Für eine globale Präsenz wären massive Investitionen in den Ausbau der Produktion von Nadelvlies und Teppichformteile notwendig gewesen.Große Unternehmen wie Bosch und ZF mit Finanz-Polstern gehören zu den Ausnahmen, aber auch sie benötigen auskömmliche Renditen, um die Expansion zu finanzieren.Dabei ist der von den Automobilherstellern ausgeübte Druck weiterhin erheblich.Kaum ein Zulieferer ist an der Börse notiert und kann sich so Kapital beschaffen.Eine Ausnahme ist der Kolbenhersteller Kolbenschmidt AG, Neckarsulm, der inzwischen beim neuen Großaktionär Rheinmetall AG in Düsseldorf untergeschlüpft ist.Dagegen sind viele Zulieferer noch in Familienbesitz, wie der Heizanlagenhersteller Eberspächer GmbH & Co.in Esslingen, der Stuttgarter Kühl- und Klimaanlagenbauer Behr GmbH & Co., der Filterhersteller Mann + Hummel Holding GmbH in Ludwigsburg.Man darf gespannt sein, ob der geplante Börsengang des Zündkerzenherstellers Beru AG, Ludwigsburg, Nachahmer findet. Die Chancen der Auslandsexpansion sind enorm, da die deutschen Hersteller stark auf ihre bewährten Zulieferer setzen.Zudem versuchen die Produzenten, ihre Fertigungstiefe jenseits der Grenzen gering zu halten, wie BMW beim neuen US-Werk für den Roadster Z3 in Spartanburg/South Carolina."Wir haben unsere Kunden in den USA davon überzeugen können, daß sie wesentliche Komponenten nicht wie im Inland selbst machen müssen", sagt ZF-Vorstandsmitglied Vogel.So liefert ZF für das Mercedes-Benz-Werk in Tuscaloosa/Alabama die kompletten Vorder- und Hinterachsen für das neue Fahrzeug.Ziel der ZF, die zu den weltweit zehn größten unabhängigen Automobilzulieferern gehört, ist es, den Umsatz bis 2003 von 7,5 Mrd.DM auf 12 Mrd.DM zu erhöhen.Auch andere zeigen sich ehrgeizig.Behr will bis zum Jahr 2000 den Erlös um 800 Mill.DM auf 3 Mrd.DM steigern, wobei die Hälfte des Zuwachses aus dem außereuropäischen Ausland kommen soll.Mann + Hummel will mittelfristig die 2-Mrd.-DM-Grenze überwinden und die Erlöse um rund 700 Mill.DM steigern.Der Zündungsprofi Beru will bis 2000 den Konzernumsatz auf knapp 700 Mill.DM verdoppeln. Entgegen vieler Erwartungen ist der Asien-Markt bei der Auslandsexpansion der Automobilbranche noch nicht entscheidend.Wichtiger sind derzeit Süd- und Nordamerika.In Südamerika mit Schwerpunkt Brasilien haben sich alle bedeutenden Hersteller wegen abgeschotteter Märkte schon früh niedergelassen.Derzeit nehmen VW, Daimler und die US-Produzenten zweistellige Milliardenbeträge in die Hand, um ihre bestehenden Kapazitäten auszuweiten.Zudem drängen neue Konkurrenten nach.Auch die deutschen Zulieferer, die wie ZF oder Kolbenschmidt schon lange im Land sind, setzen auf Südamerika.Mahle, der weltweit größte herstellerunabhängige Kolbenproduzent und seit Jahren mit einer Produktion vertreten, ist seit 1997 mehrheitlich am brasilianischen Automobilzulieferer Metal Leve S.A.in Sao Paulo, beteiligt.Zudem hat Mahle 11,4 Prozent am größten brasilianischen Teilehersteller Cofap in Sao Paulo erworben. Dagegen besteht ein Nachholbedarf in den USA.Allein kommen die Zulieferer wegen der "Inhousefertigung" der großen drei US-Hersteller nur schwer ins Geschäft.Doch nun profitieren viele von den Engagements deutscher Automobilfirmen wie BMW und Daimler-Benz - und hoffen auf zusätzliche Aufträge der US-Hersteller.So ist es Behr gelungen, mit einem Auftrag von General Motors ins US-Pkw-Geschäft einzusteigen.Bei Nutzfahrzeugen, wo die Europäer auf dem nordamerikanischen Markt gewichtig mitreden, liegt Behr bei der Motorkühlung und der Klimatisierung vorn.Der Filterspezialist Mann + Hummel will ein Produktionswerk in den USA errichten.Beru ist auf US-Einkaufstour.Man setzt weniger auf Marktwachstum als auf Verdrängung, wie etwa ZF.Die Firma hofft, den Umsatz im Nafta-Raum (USA, Kanada, Mexico) von 780 Mill.DM 1996 auf 1,5 Mrd.DM bis zum Jahr 2000 zu steigern und die lokale Produktion von 540 Mill.DM fast zu verdoppeln. Der Zulieferriese Bosch spielt wie immer eine Sonderrolle.Seit 1906 ist der Stuttgarter Konzern in den USA vertreten.Mit dem Erwerb des Bremsengeschäfts von Allied Signal ist dem Unternehmen 1996 ein Riesen-Deal gelungen.Der US-Markt ist für Bosch mit einem Umsatz von schätzungsweise mehr als 4 Mrd.DM der wichtigste Auslandsmarkt für das Zuliefergeschäft.So verkauft Bosch den großen amerikanischen Herstellern unter anderem die Antiblockiersysteme.Eine Ausnahmestellung besitzt Bosch auch in Asien.Lange schon sind die Stuttgarter in Japan über Lizenzen und Joint-ventures vertreten, hinzu kommen Gemeinschaftsunternehmen in China und in Korea.Firmenchef Hermann Scholl bezifferte die Umsätze aus den nicht konsolidierten Engagements 1994 bereits auf 2,4 Mrd.DM.Offiziell erzielte Bosch in Asien, Afrika und Australien 1996 laut Geschäftsbericht einen Gesamterlös von 3,2 Mrd.DM.Nur wenige Hersteller sind bereits in China aktiv, wie etwa Kolbenschmidt.Der Neckarsulmer Kolbenhersteller kam mit VW in die Volksrepublik.Seit Juli 1997 ist Kolbenschmidt zu 35 Prozent an dem Joint-venture Kolbenschmidt Shanghai Piston beteiligt, zuvor war in Lizenz gefertigt worden.Der Partner Shanghai Piston Works deckt die Hälfte des Pkw-Kolbenmarktes in China ab.Wie es bei Kolbenschmidt heißt, sind andere Hersteller, die in China Fuß fassen wollen, an einer Zusammenarbeit interessiert. Die deutschen Zulieferer haben noch andere Märkte im Visier: Behr wird künftig für ein neues Pkw-Modell des indischen Herstellers Telco die Klimatisierung und Kühlung liefern.Bis zum Jahr 2000 soll der Umsatz in Asien von derzeit 10 Mill.DM auf 100 Mill.DM steigen.Erst kürzlich hat Mahle das Gemeinschaftsunternehmen Escorts Mahle Ltd.in Neu Dehli gegründet, an dem die Stuttgarter zur Hälfte beteiligt sind.Bei den koreanischen Herstellern rechnen sich die deutschen Zulieferer hingegen wenig Chancen aus - wegen deren enger Beziehungen zu Japan.Für die Japaner selbst gilt durch die Kapitalverflechtung mit den Zulieferern eine "Quasi-Inhouse-Fertigung". Im Vergleich zur japanischen und US-amerikanischen Konkurrenz sind die deutschen Zulieferer nach Ansicht von Bosch-Chef Hermann Scholl bei der Internationalisierung schon weiter.Derzeit liefern aber US-Hersteller vermehrt Schlagzeilen, etwa durch Übernahmen wie bei der Sitzfertiung von Keiper Recaro.Scholl sieht in den Anforderungen, technisch identische Produkte in verschiedenen Ländern anzubieten, die Notwendigkeit für kleinere und mittlere Unternehmen, neue Formen der Zusammenarbeit zu finden - oder sich zu größeren Einheiten zusammenzuschließen.Eberspächer-Geschäftsführer Günter Baumann, der auch derzeit Sprecher der europäischen Automobilzulieferer ist, gibt sich überzeugt: "Die 20 großen Megalieferanten wird es in naher Zukunft nicht geben." Kaum ein Zulieferer wird sich dem Trend zur Internationalisierung entziehen können.Doch die Risiken sind nicht gering.Während Flops für die Hersteller ein kalkulierbares Risiko bedeuten, können sie die mittelständischen Zulieferer in ihrer Existenz gefährden.

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