zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Wenig Spielraum für Hartz

Die Reform des Arbeitsmarktes wird teuer – zu teuer für den Haushalt und die Sozialkassen, sagen Experten

Antje Sirleschtov

Bereits einen Tag nach dem Abschluss der Arbeit der so genannten Hartz-Kommission zur Reform des deutschen Arbeitsmarktes kommen Zweifel an der Durchführbarkeit der Kommissionsbeschlüsse auf. Der Grund: Die Vorschläge führen sofort nach ihrer Umsetzung zu Ausfällen bei den Einnahmen der Finanzämter und Sozialkassen. Weil die öffentlichen Haushalte durch die Konjunkturkrise jedoch bereits jetzt stark strapaziert sind, sehen Politiker und Experten kaum Spielräume zur Durchsetzung der Kommissionsvorschläge.

Der Vorsitzende der Kommission, der VW-Personalvorstand Peter Hartz, hatte zu Beginn seiner Arbeit angekündigt, dass sich die Mehrbelastungen der Haushalte in Grenzen halten würden, weil dem Staat zusätzliche Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen zuflössen, wenn Menschen, die heute arbeitslos seien, Jobs bekämen. Die Reform der Bundesanstalt für Arbeit, eigentlicher Auslöser der Kommissionsarbeit, sollte sogar kostenneutral sein, hatte ihr Vorstandsvorsitzender Florian Gerster zu seinem Amtsantritt im Frühjahr gesagt.

„Ohne staatliche Vorfinanzierung“, sagt nun der Kölner Haushaltsexperte Johannes Eekkhoff, „sind viele Kommissionsbeschlüsse jedoch nicht umzusetzen“. Beispiel Job-Floater: Die Hartz-Kommission will über eine Anleihe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine rund 20 Milliarden Euro umfassende Anleihe begeben und private Kapitalgeber zur Zeichnung suchen. Aus dem eingesammelten Kapital sollen Firmen in strukturschwachen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, Kredite erhalten, wenn sie Arbeitslose einstellen. Hartz` Prinzip: „Die Arbeitslosen bringen ihren Job gleich mit.“ Eekkhoff gibt dabei zu bedenken, dass die KfW Anleger für diese Anleihe nur finden kann, wenn sie günstigere Konditionen als andere Anlageformen bietet. Ob das die Möglichkeit der Steuerabschreibung oder die Garantie von Renditen ist, sei unerheblich. „Am Ende kostet das Steuergeld.“

Maastricht setzt Ausgaben Grenzen

Für den CDU-Haushaltsexperten Friedrich Austermann sind solche zusätzlichen Ausgaben „unmöglich darzustellen“. Schon 2002 werde Deutschland die Maastricht-Kriterien von maximal drei Prozent Staatsverschuldung nicht einhalten können, sagt er. Und auch in den kommenden Jahren sind die Ausgaben begrenzt. „Das Programm ist nicht zu finanzieren – egal unter welcher Regierung.“

Noch nicht absehbare Auswirkungen auf die Haushaltslage der Gebietskörperschaften und Sozialkassen werden auch die so genannte „Ich“-AG und die Erweiterung der Minijobs von 326 auf 500 Euro haben. Um gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht zu verstoßen, müssen beide Geschäftsformen für alle Steuerzahler in Deutschland eröffnet werden und dürfen nicht auf Arbeitslose begrenzt bleiben. Das heißt allerdings, dass die Steuersätze für alle Personengesellschaften bis zu einer bestimmten Umsatzgrenze (Hartz hatte 20000 Euro im Jahr vorgeschlagen) mit einem niedrigeren pauschalen Steuersatz belastet werden und von den Sozialabgaben frei zu stellen sind. Auch Nicht-Selbstständigen müsste der Finanzminister in Zukunft gestatten, bis zu dieser Obergrenze gering-versteuerte Arbeit zusätzlich annehmen zu können. Dies sei „eine Massensubventionierung“, sagt Austermann, die „jeden finanziellen Rahmen sprengt“.

Auch im Bundesfinanzministerium sieht man die Auswirkungen der Hartz-Vorschläge auf den Haushalt hinter vorgehaltener Hand noch skeptisch. Nachdem sich die Kommission bis zu ihrer Abschlusssitzung nicht einmal mit den finanziellen Folgen ihrer Vorschläge befasst hatte, wird nun im Ministerium von Hans Eichel fieberhaft gerechnet. Noch vor der offiziellen Vorlage des Hartz-Berichtes am kommenden Freitag wollen sich die Gremien der SPD und das Bundeskabinett in der nächsten Woche mit dem Bericht befassen. Dabei soll auch festgelegt werden, welche Ansätze der Kommission noch in diesem Jahr umgesetzt werden.

Dass das Konzept bei einem Regierungswechsel im Herbst keine Chance auf Umsetzung hat, scheint beinahe sicher. Der Schattenwirtschafts- und Arbeitsminister der CDU, Lothar Späth, sagte dem Tagesspiegel am Sonnabend, „das ganze Programm funktioniert, so wie Hartz es vorgelegt hat, nicht“. Einer der Gründe dafür sei die nicht darstellbare Finanzierung der Vorschläge.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false