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Wirtschaft: Weniger Schutz – mehr Jobs?

Der Kündigungsschutz wird gelockert und das Handwerk entbürokratisiert. Das soll neue Arbeitsplätze bringen

Mehr als vier Millionen Menschen sind in Deutschland arbeitslos. Das liegt nicht nur an der schlechten Konjunktur. Arbeitsmarktexperten beklagen, dass es seit Jahren einen hohen Sockel an Dauerarbeitslosigkeit gibt. Wer erst einmal über einen längeren Zeitraum ohne festen Job ist, für den wird es immer schwieriger, eine neue Stelle zu erhalten. Die gemeinsame Antwort von Regierung und Opposition lautet, den Arbeitsmarkt stärker zu flexibilisieren. In welchem Umfang das geschehen soll, ist derzeit Gegenstand der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Kündigungsschutz: Bislang greift der Kündigungsschutz nicht in Betrieben mit bis zu fünf Mitarbeitern. Rot-Grün will Arbeitgebern ermöglichen, zusätzlich bis zu fünf weitere Mitarbeiter befristet einzustellen. Das reicht der Union nicht aus. CDU und CSU wollen den Schwellenwert, ab dem das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, auf 20 Mitarbeiter ausweiten. Als Kompromissmöglichkeit ist die Zahl zehn im Gespräch. Eine solche Regelung hatte bereits die Kohl-Regierung 1996 eingeführt, Rot-Grün hatte das Gesetz nach dem ersten Wahlerfolg aber umgehend aufgehoben.

Bei einem Schwellenwert von 20 Mitarbeitern könnten sich nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mehr als neun Millionen Arbeitnehmer nicht mehr auf das Kündigungsschutzgesetz berufen, bei einem Schwellenwert von zehn wären es 5,5 Millionen. Derzeit arbeiten nach Angaben des DGB rund 3,5 Millionen Menschen in Kleinbetrieben, für die das Gesetz nicht gilt. Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) schlägt vor, nicht unbedingt auf die Betriebsgröße abzuheben, sondern auf die Dauer der Beschäftigung. Je länger jemand in einem Betrieb beschäftigt sei, desto höher seien die Anforderungen an den Kündigungsschutz. In der Union ist dieser Vorschlag auf Zustimmung gestoßen, bei der SPD wurde er zunächst mit Zurückhaltung aufgenommen.

Bei betriebsbedingten Kündigungen will Rot-Grün außerdem die Sozialauswahl auf vier Kriterien beschränken: Betriebszugehörigkeit, Alter, Schwerbehinderung sowie Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers. Leistungsträger können davon ausgenommen werden. Neben der bisherigen Kündigungsschutzklage soll es für die Beschäftigten zusätzlich die Möglichkeit geben, eine gesetzliche Abfindung zu wählen – aber nur, wenn der Arbeitgeber einverstanden ist (siehe Interview).

Handwerksordnung: Bei der Reform der Handwerksordnung sind beide Seiten bereits nah beieinander. Nur noch wenige Punkte sind offen. So will die Regierung Gesellen den Sprung in die Selbstständigkeit auch ohne Meisterbrief erlauben, wenn sie drei Jahre Gesellen sind und zudem drei Jahre leitend tätig waren. Die Opposition schlägt ein Verhältnis von zwei Jahren nach Gesellenabschluss und fünf Jahren leitender Tätigkeit vor. Für jene Berufe, bei denen der Meisterbrief auch weiterhin vorgeschrieben ist, soll nun neben der Gefahrengeneigtheit als weiteres Kriterium die Ausbildungsleistung gelten. Von 94 Gewerken soll bei 39 der Meisterzwang bleiben. Bisher hatte die Regierung vorgesehen, nur nach der „Gefahrengeneigtheit“ zu gehen. Das sind die Berufe, deren unprofessionelle Ausübung eine Gefahr für die Nutzer mit sich bringen könnte (zum Beispiel Elektriker). Sollte es zu dem Kompromiss kommen, unterliegen auch Friseure, Maler und Bäcker dem Meisterzwang.

Arbeitszeitgesetz: Bereitschaftsdienste werden voraussichtlich erst 2006 als Arbeitszeit anerkannt, nicht schon 2004. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hatte Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) entschieden, das Arbeitszeitgesetz zu ändern. Für Ärzte soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden und zusätzlich eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden gelten. Das Urteil wirkt sich auch auf andere Branchen aus, etwa die Feuerwehr. Der EuGH hatte entschieden, dass der Bereitschaftsdienst von Ärzten auch in Deutschland als Arbeitszeit zu werten ist.

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