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Wirtschaft: "Wenn Asien zehn Prozent verliert, ist die Wahl egal"

FRANKFURT (MAIN) .Ob der große Sieger der Bundestagswahl nun Gerhard Schröder oder Helmut Kohl heißt - die Börse dürfte es kaum erschüttern.

FRANKFURT (MAIN) .Ob der große Sieger der Bundestagswahl nun Gerhard Schröder oder Helmut Kohl heißt - die Börse dürfte es kaum erschüttern.Die meisten deutschen Aktienexperten sehen dem Urnengang am 27.September gelassen entgegen.Regierungswechsel oder Wiederwahlen hätten dem Handel mit Wertpapieren auch in den vergangenen Jahren nicht gerade Fieberschübe versetzt, begründet der langjährige Marktbeobachter Bruno Hidding vom Hoppenstedt-Verlag das Schulterzucken der Börsianer.Axel Mühlhaus vom Informationsdienst Platow-Brief verweist auf die große internationale Verflechtung, die inländische Ereignisse oft überlagert: "Wenn am 28.September der Markt in Asien gerade zehn Prozent runtergeht, ist es ziemlich egal, wie die Wahl ausgegangen ist." Gänzlich gleichgültig könne den Anlegern der Wahlausgang indes nicht sein, sagt Hidding: Da stehe "einiges zur Diskussion".Anders als etwa bei der jüngsten Wahl in Großbritannien gebe es in der deutschen Wirschaftspolitik echte Alternativen zwischen den politischen Gegnern.

Die Sorge, daß eine rot-grüne Regierung unter Schröder einen weniger unternehmerfreundlichen Kurs fahren könnte, drücke nach Einschätzung des Analysten Pierre Drach von Independent Research schon im Vorfeld der Wahl auf die Kurse.Eine Bestätigung der bisherigen Koalition aus Union und FDP gäbe daher einen "eher positiven Effekt", glaubt er und stichelt: "Mit dem oft beklagten Reformstau haben wir an der Börse bisher gut gelebt."

Das bloße Wahlergebnis werde noch keine gravierenden Schwankungen beim Deutschen Aktienindex (Dax) der 30 größten Werte auslösen, prophezeit Drach: Kräftigere Ausschläge dürfte es seiner Einschätzung nach erst später geben, wenn eine Regierung "erhebliche strukturpolitische Änderungen" in Angriff nehme, etwa die Steuern und Abgaben senke.Mit fühlbaren Dax-Ausschlägen rechnet dagegen der Volkswirt der Bankgesellschaft Berlin, Heinz Grimm: Stolze 250 Zähler könnte der Index etwa bei einem Wahlsieg der bisherigen Koalition aus Union und FDP zulegen.Eine Große Koalition brächte dem Dax sogar einen Zuwachs von 500 Punkten, weil sie in den Augen der Börsianer "große Eisen wie die Steuer- oder die Rentenreform besser anpacken könnte".Bei einem rot-grünen Wahlsieg rechnet Grimm dagegen mit einem vorübergehenden Dax-Einbruch um ebenfalls 500 Zähler.

Thomas Teetz vom Düsseldorfer Bankhaus Trinkaus & Burkhardt hält einen Wahlsieg von Union und FDP zwar "mehr oder weniger für ein non-event" (Nicht-Ereignis), an der Börse würde er dennoch "mit gemischten Gefühlen aufgenommen, weil die derzeitige Regierung in Konzepten und Personen ausgebrannt ist".Bei einer rot-grünen Regierung würden viele Beobachter darauf schauen, ob Forderungen der Grünen etwa nach einem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie oder Tempolimits für Autos greifen würden.Freilich könnte eine solche Regierung das Konsumklima stärken, sagt Teetz - was den Aktien von Handelsunternehmen Auftrieb geben würde.

Während sich die meisten Experten nicht festlegen wollen, können Unverdrossene schlicht auf die Reaktion der Börsianer spekulieren: Das Kölner Bankhaus Sal.Oppenheim bietet Optionen auf den Dax am "Morgen danach" an.Liegt der Index zum Handelsstart am 28.September auf dem gleichen Stand wie am Freitag vor der Wahl oder gar darüber, gewinnen die Käufer je "Call"-Schein zehn Mark, bei einem Minus bringen "Put"-Scheine den gleichen Betrag.Wer auf den falschen Schein setzt, ist sein Geld los.

REINOLF REIS (AFP)

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