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Abgestürzt. In den vergangenen Jahren ist die Bienenpopulation in Europa um bis zu 30 Prozent gesunken.

© dpa

Imker in Sorge: Wenn Bienen leiden

Schädlinge, Krankheiten und Pestizide setzten den Nutztieren zu. Darunter leidet auch die Natur, weil die Insekten wichtige Bestäuber sind. Und die Honigpreise steigen.

Berlin/Köln – Beißenden Rauch verströmen die Imker auf dem Kölner Messegelände. Den Qualm, der aus kleinen Metallbehältern kommt, nutzen sie normalerweise, um Bienenvölker zu beruhigen, heute soll er die Aktionäre von Bayer aufstacheln. In ihren weißen Schutzanzügen protestieren die Imker bei der Hauptversammlung des Pharma- und Chemiekonzerns gegen den Einsatz von Pestiziden. ,„Bayer tötet Bienen“ steht auf den Transparenten und: „Stoppen Sie Neonicotinoide-Pestizide, retten Sie die Bienen!“

Die Demonstranten sind überzeugt, dass diese Pflanzenschutzmittel, die größtenteils von Bayer hergestellt werden, mit schuld sind am Bienensterben. „Neonics stören das Sammelverhalten der Honigbienen“, sagt Imkermeister Christoph Koch. Zudem schwächten die Mittel das Immunsystem der Tiere, warnt Roland Netter, ein Imker aus dem Donautal. So komme es verstärkt zu viralen und bakteriellen Erkrankungen, die die Bienenvölker töteten. Bayer bestreitet das.

Dass die Bienen sterben, ist jedoch keine Erfindung radikaler Naturschützer, sondern eine Tatsache. In den vergangenen Jahren ist die Bienenpopulation in Europa um zehn bis 30 Prozent zurückgegangen, in den USA um 30 Prozent und im Nahen Osten sogar um 85 Prozent, haben die Experten von Unep, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, herausgefunden. Auch in Deutschland haben weniger Bienen den letzten Winter überlebt als den Jahreswechsel 2010/2011. Bei den professionellen Imkern lagen die Verluste bei 14,6 Prozent (2010: 10,6 Prozent), die Hobbyimker – und das ist die überwiegende Mehrzahl – verloren bundesweit sogar 21,5 Prozent ihrer Völker, weiß man im Bundesagrarministerium. In Berlin, wo besonders viele Amateure am Werk sind, mussten die Imker im vergangenen Winter sogar bis zu 30 Prozent ihrer Tiere abschreiben, sagt der Chef des Berliner Imkerverbands, Jürgen Hans.

Für die hohen Sterbezahlen gibt es nach Meinung des Deutschen Imkerbunds (DIB) viele Ursachen. „Normal wären Überwinterungsverluste von zehn Prozent“, sagt DIB-Sprecherin Petra Friedrich. „Doch Schädlinge und Krankheiten, aber auch Klimaveränderungen und Pflanzenschutzmittel bedrohen die Bienen.“ Zudem verlören die Tiere durch die vielen Monokulturen in der Landwirtschaft zunehmend ihre Nahrungsgrundlage.

Hauptfeindin der deutschen Imker und ihrer Tiere ist aber die Varroa-Milbe. Die Milbenweibchen stechen die kleinen Bienenmaden an und saugen deren Lymphe aus. Viele sterben sofort. Andere überleben zwar, infizieren sich aber mit Keimen und verenden später. „Hobbyimker sind bei der Behandlung oft zu nachlässig“, ärgert sich Jürgen Hans vom Berliner Imkerverband. Das erklärt auch die höheren Ausfälle bei ihren Völkern. „Eine erfolgreiche und zeitgerechte Behandlung der Bienenvölker gegen den Befall mit der Varroa-Milbe minimiert die Gefahr des Zusammenbruchs der Völker erheblich“, betont auch eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums.

Doch nicht nur die Milbe, auch die Pestizide bedrohen die Tiere. Obwohl die Bienen mit den Neonicotinoiden nicht direkt in Berührung kommen. Statt die Mittel zu versprühen, beizen die Landwirte das Saatgut, um Schädlinge fernzuhalten. So verteilt sich das Nervengift in der ganzen Pflanze, in Pollen und Nektar aber sollen nur noch geringe Konzentrationen ankommen. Doch wie gefährlich die Mittel sein können, zeigt der Tod von Tausenden Bienenvölkern 2008 in Süddeutschland – Folge eines Unfalls bei der Aussaat von Maissamen, die mit dem Bayer-Pestizid Poncho behandelt waren. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zog daraufhin die Zulassung der Pestizide zur Beize von Mais und Raps zurück. Heute ist die Anwendung bei Raps wieder erlaubt, für Mais gibt es immer wieder Ausnahmegenehmigungen. „Wir fordern ein vollständiges Verbot für alle Neonicotinoide“, sagt DIB-Sprecherin Friedrich. Hersteller Bayer, der im Jahr mehrere hundert Millionen Euro Umsatz mit diesen Mitteln macht, verweist dagegen darauf, dass es „vielschichtige Gründe“ für das Bienensterben gebe. „Die Hypothese, dass Saatgutbeizungen dazugehören, wird durch eine Reihe an wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, betonte Konzernchef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April.

Für Honigliebhaber sind das alles keine guten Nachrichten. Und es kommt noch schlimmer: „Nachdem sich Honig im Vergleich zu anderen süßen Brotaufstrichen bereits in den vergangenen zwei Jahren dramatisch verteuert hat, rechnen wir damit, dass sich diese Entwicklung in der nächsten Zeit noch fortsetzen wird“, heißt es bei Deutschlands größtem Honighersteller Langnese. Neben Bienensterben, Klimaveränderungen und Umweltproblemen macht den Honigproduzenten auch die Gentechnik Probleme. Seitdem der Europäische Gerichtshof verfügt hat, dass Honig aus genveränderten Blütenpollen nicht verkehrsfähig ist, müssen die Hersteller den Rohstoff noch gründlicher analysieren als bisher. Länder wie Kanada, die bei der Gentechnik großzügiger sind als die EU, scheiden nun als Lieferanten aus.

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