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Wirtschaft: Wenn der Vater nicht mit dem Sohne kann

DÜSSELDORF .Nach fast 140 Jahren drohte der Unternehmertradition der Familie Racke 1991 das Aus.

DÜSSELDORF .Nach fast 140 Jahren drohte der Unternehmertradition der Familie Racke 1991 das Aus.Obwohl Umsätze und Erträge der Bingener A.Racke GmbH + Co (Dujardin, Pott, Uerdinger) stimmten, glaubte Harro Moller-Racke nicht an eine Zukunft als selbständiger Anbieter von Spirituosen.Deshalb wollte der Patriarch seine Firma unbedingt verkaufen.Genau das aber versuchte Sohn Marcus mit allen Mitteln zu verhindern.Es folgte ein hitziger Streit, der die Branche über Monate in Atem hielt.Als der Ärger den Betrieb zu zerreißen drohte, lenkte der Senior ein, verkaufte seine Anteile an verschiedene Familienmitglieder und zog sich zurück.

Der Zwist bei Racke ist in der deutschen Unternehmenslandschaft kein Einzelfall.In mehr als 300 000 Familienbetrieben steht in den kommenden fünf Jahren ein Wechsel auf dem Chefsessel bevor.Doch in immer weniger Fällen funktioniert die Ablösung ohne Streit in der Familie.Für den Arbeitsmarkt sind die Folgen verheerend.Denn die Fehden gefährden Tausende von Jobs.Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet, daß durch das Scheitern generationsbedingter Übergaben allein in den kommenden beiden Jahren 200 000 Stellen akut gefährdet sind.

Die Wirklichkeit ist spannender als jede US-Fernsehserie.Gründe, warum Firmenübergaben so oft im Streit enden, gibt es reichlich: Intrigen und wenig praktikable Testamente, zerstrittene und geldgierige Erben.Dazu kommen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bossen und deren Erben über den künftigen Kurs der Firma.Während etwa der Junior auf Expansion drängt, glaubt der Senior, eine Konsolidierungsphase einlegen zu müssen, oder denkt, wie bei Racke, sogar über einen Verkauf nach.Otto Gerner, Senior-Partner der Münchener Unternehmensberatung Trebag, berichtet, daß "in 60 Prozent aller Fälle eine Meinungsverschiedenheit über den künftigen Kurs der Firma der Grund dafür ist, warum der Generationswechsel nicht klappt".

Gerner nennt einen weiteren Grund, warum viele Bosse den oft dringend notwendigen Schritt der Übergabe gefährlich lange hinauszögern: "Viele Eltern bekommen Angst vor den eigenen Kindern, wenn Söhne und Töchter bei externen Praktika die Vorgehensweise anderer Firmen kennenlernen und diese nach ihrer Rückkehr auf den eigenen Betrieb zu übertragen versuchen." Dabei werde die Atmosphäre oft noch zusätzlich vergiftet, weil die Kinder "wenig diplomatisch ihre neuen Ideen vortragen und statt dessen den großen Mann markieren", kritisiert der Berater.Für den Experten ist es deshalb kein Wunder, daß gerade die Gründergeneration häufig "fest an dem klebt", was sie nach dem Krieg aufgebaut hat.

Genau diesen Fehler wollten die Brüder Erich und Helmut Benteler vermeiden.Die Inhaber des Paderborner Autoteile- und Röhrenherstellers Beneteler AG vermachten deshalb schon früh ihren Söhnen Rolf Peter und Henry 80 Prozent am Konzernbesitz, behielten allerdings die Stimmrechte.So nahm das "Drama", wie der "Spiegel" schrieb, seinen Lauf.Jahrelang versuchte Rolf Peter anschließend, seinen Vater auszubooten, ehe der Fall vor dem Bundesgerichtshof endete.Der entschied: Wegen "groben Undanks" muß Rolf Peter seine Anteile zurückgeben.

Nicht selten aber sind die Alten selbst dafür verantwortlich, daß ihr Lebenswerk zerfällt."Nur eine Minderheit bestellt ihr Haus rechtzeitig", sagt Berater Gerner.Das durchschnittliche Übergabealter des Seniors ist nach IW-Informationen in keinem anderen EU-Land so hoch wie in Deutschland.Während britische Bosse im Schnitt schon mit 51 Jahren ihre Firma abtreten, sitzt ein deutscher Unternehmenslenker auch mit 66 noch auf dem Chefsessel."Für viele Firmenchefs geht es eben nicht nur um den Zeitpunkt der Übergabe, sondern insbesondere auch um den Abschied von Einfluß und Macht, von Ehre und der sozialen Anerkennung als Unternehmer."

Dieses Denken während der Wechsel-Jahre ist weit verbreitet.Betriebsübernahmen, die von langer Hand und mit kühlem Kopf geplant werden, sind die absolute Ausnahme.Gerner stellt klar: "Soll die Übergabe reibungslos funktionieren, müssen mindestens fünf bis sieben Jahre Vorlaufzeit inklusive externer Praktika einkalkuliert werden." Dabei sollte die Zeit, in der der Senior noch fest auf seinem Sessel sitzt und der Junior in den verschiedenen Abteilungen der eigenen Firma lernt, so kurz wie möglich ausfallen."Die unvermeidlichen Reibereien zwischen beiden werden langsam, aber sicher die Belegschaft spalten", warnt Gerner.Möglichst rasch müsse sich der Firmengründer dann zurückziehen - und zwar ohne sich als graue Eminenz im Hintergrund ständig weiter einzumischen.

PETER BRORS (HB)

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